Tourismus in Paris Stadt der Liebe kämpft um einen Platz an der Sonne

Seit den Anschlägen kommen immer weniger Touristen nach Paris. Das gibt den französischen Hauptstädtern zu denken. Die Stadt der Liebe will internationaler werden – und ihren Pariser Charme behalten. Mit vielen Ideen.

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Zumindest am Eiffelturm will man die Besucher nicht mehr im Regen stehen lassen: Dort wird eine Empfangshalle gebaut, in der man im Trockenen und Warmen warten kann, bis der Moment zum Erklimmen des stählernen Gipfels gekommen ist. Quelle: dpa

Paris Paris gilt unter Touristen als die begehrteste Stadt der Welt, die man unbedingt besuchen will. „Darüber freuen wir uns und das macht uns stolz, unsere Sorge ist nur, dass viele Touristen keine besondere Eile verspüren, sich ihren Wunsch zu erfüllen“, sagt Jean-François Martins etwas bedrückt. Zu viele sagten sich: „Der Eiffelturm steht nächstes Jahr auch noch da.“ Martins ist Stellvertreter der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und für Tourismus zuständig. Am Mittwoch hat er ein Langfristkonzept vorgestellt, mit dem die französische Hauptstadt nach schwierigen Jahren ein stabiles Wachstum bis 2020 erreichen will.

Die Krise setzt der Stadt an der Seine seit den Anschlägen vom Januar und November 2015 heftig zu. Martins unterstreicht, dass die Arbeit an seinem Konzept schon vorher begonnen habe, weil Paris „seine wichtigste wirtschaftliche Aktivität strukturell verbessern muss.“ Doch der Knick bei den Besucherzahlen macht die Arbeit an der Destination Paris nur umso dringender. Martins zufolge ging die Besucherzahl 2016 von Januar bis Oktober um elf Prozent zurück. Den Zahlen des Statistischen Amtes nach gab es von Januar bis Juli 12,2 Prozent weniger Übernachtungen. Einzelne besonders beliebte Highlights wie der Louvre sprechen von bis zu 20 Prozent Rückgang, wobei die Zahlen von Monat zu Monat stark schwanken.

„Klar ist aber, dass wir es mit einem längerfristigen Einbruch zu tun haben, dagegen hilft kein Wundermittel, wir müssen da durch“, wirbt Martins für Realismus. Gleichzeitig wendet er sich gegen Schwarzmalerei: „Es gibt einen Rückgang, aber der lässt sich nicht entfernt vergleichen mit dem, was Länder wie Tunesien durchmachen müssen, die es viel härter trifft.“

Man könnte tatsächlich sagen, dass Paris auf hohem Niveau klagt: Gut 24 Millionen Besucher in der Seine-Stadt sind immer noch ein äußerst hoher Wert. Vielleicht ist einfach eine Grenze des Wachstums erreicht, in mehrfacher Hinsicht: Die Stadt ist zu voll. Mit 25.000 Einwohnern pro Quadratkilometer ist sie dichter besiedelt als Kalkutta. An den besonders beliebten Treffpunkten Montmartre, Eiffelturm und Notre-Dame kommen Tausende von Touristen hinzu, mit den fast zwangsläufig auftretenden Begleiterscheinungen: Lange Wartezeiten, verdreckte Straßen, viele Taschendiebe; und viele Hoteliers und Restaurateure sind unverschämt geworden.

Zumindest am Eiffelturm will man die Besucher nicht mehr im Regen stehen lassen: Dort wird eine Empfangshalle gebaut, in der man im Trockenen und Warmen warten kann, bis der Moment zum Erklimmen des stählernen Gipfels gekommen ist.

Martins nimmt die Kritik mit Humor: „Sich von einem Kellner anschnauzen zu lassen gehört ja zum Erlebnisprogramm in Paris!“ Aber die Mairie sieht das Problem der hohen Preise für Unterkünfte, die nicht immer internationalem Standard entsprechen: Drei Sterne in Paris wären anderswo oft bestenfalls zwei. Die Stadt reagiert mit einer Politik, die gegenüber Airbnb und vergleichbaren Plattformen weniger hart ist als die anderer Metropolen. „Wir haben nichts dagegen, wenn Pariser für ein paar Tage ihre Wohnung vermieten, weil sie wegfahren.“ Was man nicht wolle, seien „Apartments, die nur noch für Touristen zur Verfügung stehen.“ Dagegen kämpfe die Stadt jetzt an mithilfe einer Registrierungsnummer für Airbnb-Vermieter, die eine Kontrolle ermögliche. „Was wir nicht wollen, sind Zustände wie in Barcelona, wo es Demonstrationen gegen Touristen gibt – uns liegt an gutem Einvernehmen.“

Auffällig ist, dass die als arrogant verschrieenen Pariser sich selbstkritische Gedanken machen. Vor einigen Wochen gab es eine Diskussionsveranstaltung zum Thema, wie man die Pariser zu einem freundlicheren Verhalten gegenüber Touristen bewegen könne. „Der durchschnittliche Pariser ist wirklich zu eilig und zu abweisend“, bemerkte eine Teilnehmerin. Man müsse die Leute auch dazu bewegen, mehr Englisch zu sprechen. Skurrile Vorschläge kamen auf: Vielleicht könnte man bereits am Flughafen Merkzettel an die Touristen verteilen, wie sich Konflikte vermeiden lassen – zum Beispiel indem man sich in der Métro nicht mit Gepäck vor die Tür stellt.


„Can I welcome you?“

Die Stadt setzt nimmt das teilweise auf. „Can I welcome you?“ heißt eine Initiative. Ein Start up hat sie entwickelt, sie läuft darauf hinaus, dass Pariser den Touristen ihren jeweiligen Kiez erklären.

Ergänzt wird das durch ein anderes Herangehen. Die Mairie will den Tourismus auf den Gebieten entwickeln, wo Paris noch vergleichsweise schwach ist. Sport, Nachtschwärmer, typische Stadtviertel und LGBT-Tourismus zählen dazu. 2018 wird die Stadt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und die Gay Games ausrichten.

Genaue Pläne gibt es schon für die Stadtviertel, die man Besuchern näher bringen will, damit sie nicht nur zum Montmartre strömen: Das ist erstens „la coulée verte“, ein 4,5 km langer grüner Wanderweg aus dem Zentrum bis an den Stadtrand, meist über eine stillgelegte Eisenbahnstrecke. Bei den Parisern sehr beliebt, bei Touristen noch weniger bekannt ist der Kanal Richtung Norden samt Umgebung. Erschließen will man das populäre Paris von Belleville und rund um den Friedhof Père Lachaise, den zwar schon viele Paris-Besucher aufsuchen, um den herum es aber kaum Angebote gibt, und sei es nur für einen Imbiss.

Ein eigenes Thema soll das Paris der Künstler werden, einerseits am Westrand von Saint-Germain, aber auch im 13. Arrondissement, wo es inzwischen viel Street Art gibt. Das Ausgehviertel rund um die Métrostation Oberkampf ist ein weiterer Schwerpunkt, genau wie das Viertel der Cabarets im 18. Arrondissement, das bislang noch ziemlich verludert ist mit Pornoläden und billigen Souvenirshops. Die Mairie träumt schon davon, das zu einem „Broadway von Paris“ zu machen.

Besonders viel erwarten die Tourismusplaner von zwei gastronomischen Zentren. In Rungis, am Zentralmarkt, entstehe ein Mekka für Touristen, die besonders von der französischen Küche und ihren Zutaten angezogen sind. „Das wird einmal so wichtig wie Versailles“, trumpft Martins auf. Mitten in der Stadt, im Pavillon Lenôtre nahe der Champs Elysées, wird ein Stützpunkt für junge Spitzenköche aufgebaut, in dem sie umschichtig ihre Kunst zelebrieren können.

Martins und seinen Kollegen ist bewusst, dass Paris für viele Ausländer noch sperrig, wenig verständlich ist, auch im direkten Wortsinn der Sprache. „Die Benchmark ist für uns Tokyo, wo man in Taxis eine Simultanübersetzung hat.“ Man wolle etwas Ähnliches entwickeln, darüber hinaus ein Informationssystem in Echtzeit für das Wetter, den öffentlichen Nahverkehr, Ausgehmöglichkeiten, Wartezeiten an Sehenswürdigkeiten und Flohmärkte. In vielen Theatern soll es künftig Untertitel geben – Berlin kennt das schon lange. „Paris muss zugänglicher werden“, versichert Martins.

Manche Ausländer machen sich bei so viel Veränderung schon Sorgen: „Wenn sie alles auf Englisch anbieten, verliert Paris doch seinen Charme!“ fürchtet eine Amerikanerin. Bis es so weit kommt, wird noch viel Wasser die Seine runterfließen. A propos: Am Fluss werden nicht nur die Schnellstraßen für den Autoverkehr stillgelegt, sondern ganz im Westen der Stadt wird auch ein Sporthafen gebaut. Martins und seine Kollegen scheinen an alles zu denken, um ihr Ziel zu erreichen: Zwei Prozent Wachstum des jährlichen Tourismus bis 2024.

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