Transatlantischer Handelsstreit „America first“ zieht immer noch in den USA

Quelle: imago images

Die USA wollen mit ihrem Klimapaket rund 400 Milliarden Dollar an Subventionen an die heimische Industrie vergeben. Die Bevorzugung von US-Unternehmen widerspricht teilweise klar den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), sagt Handelsexperte David Kleimann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel.

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WirtschaftsWoche: Am Donnerstag spricht EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis mit der US-Handelsbeauftragten Katherine Tai, um einen Handelskrieg abzuwenden. Europa hatte gehofft, dass es unter einem US-Präsidenten Joe Biden zu weniger Handelsstreitigkeiten kommt als mit seinem Vorgänger Donald Trump. War das naiv?
David Kleimann: Trump hat die US-Handelspolitik auf ein ganz neues Gleis gesetzt, von dem sein Nachfolger Biden nicht so einfach wegkommt. Der Wirtschaftsnationalismus am linken und rechten Rand des politischen Spektrums dominiert die Stimmung in den USA, sowohl bei Wählern als auch Politikern. „America First“ ist immer noch die politische Verkaufsformel, die zieht.

Die USA haben im Sommer den Inflation Reduction Act (IRA) beschlossen, der einen transatlantischen Wirtschaftskrieg auslösen könnte. Ging es damals nur um Stimmenfang?
Der große Umbruch kam schon im Oktober 2021, als die moderate Finanzministerin Janet Yellen zahlreiche Vorschläge angekündigt hat, die normalerweise als Protektionismus laufen würden. Sie sagte unumwunden, dass es darum gehe, Jobs nach Amerika zu holen. Damals zeigte sich, dass sich die Protektionisten in der Regierung Biden durchgesetzt hatten. Sie setzen auf einen Wiederaufbau der Heimatindustrie – quasi um radikale politische Stimmen noch zu überbieten.

Der IRA versucht nun, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen. Worum geht es?
Wir sehen drei Ziele: Klimapolitik, heimische Jobs stärken und die Chinesen aus dem Markt zu sperren. Dieses Muster wiederholt sich übrigens. Beim Global Steel and Aluminium Arrangement sind die Ziele ganz ähnlich, auch hier vermischen sich Wirtschaft, Klima- und Geopolitik.

Zur Person

Die EU-Kommission dringt auf Änderungen beim IRA. Kann der politische Druck aus Europa überhaupt etwas bewirken?
Das Gesetzgebungsverfahren ist beendet, es gibt nach dem, was ich aus den USA höre, keine Chance, dass der Kongress etwas ändert. Das Schatzamt muss aber bis zum 31. Dezember Implementierungsrichtlinien erlassen. Das eröffnet einen gewissen Spielraum. 

Kanada und Mexiko haben durchgesetzt, dass Autos, die in Nordamerika gebaut werden, als heimisch gelten. Die EU pocht auf eine Ähnliche Ausnahmereglung. Ist das realistisch?
Ganz so weit wird es wahrscheinlich nicht kommen. Aber gewiss lassen sich etwa die Definitionen dehnen. Juristen denken darüber nach, dass ein Auto auch dann als in den USA gefertigt gelten könnte, wenn nur wenige Teile nach dem Import vor Ort angeschraubt werden. 

Wie sehen Sie die anderen Kritikpunkte aus Brüssel?
Viele der IRA-Subventionen sind daran gebunden, dass in Nordamerika produzierte Waren und Teile bei Herstellung des Endproduktes verwendet werden. Das ist nach WTO-Recht strikt verboten. Darauf fokussiert sich auch die Kritik der EU-Kommission. Zudem ist interessant, dass die EU-Kommission eine Subvention für Hersteller von sauberem Wasserstoff von rund 30 Milliarden Dollar angreift. Die EU-Kommission hat im Januar Richtlinien für die Subventionierung von Energie und Klima erlassen, die eine solche Praxis auch in Europa erlaubt. Bei der Dekarbonisierung in Produktionsprozessen dürfen in Europa bis zu 100 Prozent der Finanzierungslücke subventioniert werden. Die Amerikaner tun sich beispielsweise sehr schwer damit zu akzeptieren, dass wir in Europa die Dekarbonisierung von Stahlwerken komplett bezuschussen wollen.

Warum kritisieren die Europäer nun solche Subventionen bei den Amerikanern?
Ich denke, dass es sich um eine Verhandlungsstrategie handelt, damit die USA künftig solche Subventionen in Europa nicht mehr kritisiert. Wir sind an einem Punkt, wo wir beginnen, neue Regeln für Umweltsubventionen auszuhandeln, die Handelseffekte haben. Das ist ein spannender Prozess.

Wie sehen Sie die Subventionen für die US-Verbraucher?
Nicht-diskriminierende Verbrauchersubventionen gelten unter Ökonomen generell als wenig marktverzerrend, also etwa Abwrackprämien, von denen alle Hersteller profitieren. Das ist besser als etwa das heimische BMW-Werk zu fördern. Verbrauchersubventionen, die an heimische Produktion und Wertschöpfung gebunden sind, gelten allerdings als die Todsünde schlechthin im Welthandel. 

Was passiert, wenn die USA nicht einlenken?
Europa kann auf drei Arten reagieren. Die EU-Kommission könnten den Schaden ermitteln, der in Europa entsteht und dann entsprechende Zölle auf Elektrofahrzeuge aus den USA erlassen.



Welche Option gibt es jenseits von Zöllen auf Tesla?
Als zweite Option könnte die EU vor ein Gericht der Welthandelsorganisation (WTO) ziehen. Das würde binnen eines Jahres entscheiden. Die EU könnte dann mit Zöllen auf Whisky, Orangensaft und Jeans reagieren. Die Liste für solche Strafzölle liegt ja schon in einer Schublade bereit.

Und die dritte Option?
Nationale Subventionsgesetze in der EU könnten so restriktiv gestaltet werden, dass ausländische Elektrofahrzeuge in Deutschland, Frankreich und Italien keine Konsumentensubventionen mehr erhalten. Damit hat der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bereits gedroht. 

Hört sich nach einer Eskalation an. Lässt sich ein Wirtschaftskrieg noch vermeiden?
Die Amerikaner haben sich in der Vergangenheit als sehr kreativ erwiesen, so dass Dinge, die unmöglich erschienen, doch noch möglich wurden. Den Handelsstreit zu Solarpanelen aus Südostasien haben sie mit einem Exekutivorder des Präsidenten entschärft, der auf einem Notstatut aus den 1930er Jahren basierte. Da wurde eine rechtliche Ausnahme für die kommenden zwei Jahre gefunden.

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Ich höre, der Kongress, wäre durchaus gewillt wegzusehen, wenn das Schatzamt Lösungen vorschlägt, die den Handelspartnern das Leben erleichtern. Dann ist die Wahl vorbei, und der Kongress könnte sagen, wir haben alles getan für den Wähler.

Lesen Sie auch: „Mehr Industriepolitik, mehr Regulierung und mehr Subventionen“

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