Treffen mit Trump Zölle, Rüstung, Iran, Russland – Merkel hat nur 160 Minuten für 4 heiße Eisen

Angela Merkel spazierte – natürlich samt Security – nach dem Abendessen zurück ins Hotel. Quelle: Reuters

Die Bundeskanzlerin muss in einer schwierigen Phase mit Trump verhandeln. Die Liste der Konfliktthemen ist lang – und der US-Präsident unberechenbar.

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Nur zwanzig Minuten sind für ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Angela Merkel und Donald Trump am heutigen Freitag eingeplant. Die Kanzlerin, die am Vorabend in Washington landete, wird am späten Vormittag (Ortszeit) – gegen 18 Uhr MESZ – vom US-Präsidenten im Westflügel des Weißen Hauses empfangen werden und sich kurz mit ihm ins Oval Office zurückziehen.

Anschließend ist ein Mittagessen angesetzt, bei dem Merkel und Trump ihre Unterhaltung vertiefen können. Insgesamt werden sie laut Protokoll zwei Stunden und vierzig Minuten miteinander verbringen. Am späten Nachmittag fliegt die Regierungsmaschine schon wieder Richtung Berlin.

Im Gegensatz zu ihrem US-Besuch im vergangenen Jahr und im Vergleich zum mehrtägigen Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Anfang der Woche ist das Programm abgespeckt. Doch jeder Augenblick zählt, denn die Themenliste, die Merkel mit in die USA genommen hat, ist lang.

Am 1. Mai drohen der EU Strafzölle auf Stahl und Aluminium

Am Montag endet eine von Washington gesetzte Frist, die europäische Stahl- und Aluminium-Hersteller bislang von US-Strafzöllen ausnimmt. Die Furcht in der Bundesregierung ist groß, dass man sich entweder gar nicht einigen kann, oder sich von Fristverlängerung zu Fristverlängerung hangelt.

Diese Themen muss Merkel in den USA ansprechen
Die Kanzlerin reist zu ihrem zweiten Besuch bei US-Präsident Donald Trump nach Washington. Quelle: dpa
Der Streit um Strafzölle der Amerikaner auf Stahl und Aluminium ist längst nicht ausgestanden. Quelle: dpa
Der iranische Präsident Hassan Ruhani Quelle: dpa
Deutschland erfüllt noch immer nicht die Nato-Verpflichtung, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Quelle: dpa
Ostseepipeline Nordstream 2 Quelle: REUTERS
Vladimir Putin Quelle: REUTERS

Das würde Herstellern, Lieferketten und Konsumenten einer Exportnation wie Deutschland schaden. Merkel dürfte erneut versuchen, Trump von seinen Plänen abzubringen und ihm klar zu machen, dass auch die USA unter einem Handelskonflikt leiden werden. Berliner Regierungskreise signalisierten allerdings, dass man kaum noch mit einer Einigung rechne. Die EU-Kommission hat bereits Vergeltungszölle auf amerikanisches Obst, Whiskey oder Harley-Davidson-Motorräder angekündigt, sollte es ernst werden.

Deutschlands Verteidigungsausgaben sind Reizthema

Trump hatte die Strafzölle direkt mit seiner Kritik an internationalen Militärausgaben verknüpft. „Wir gucken, wer seine Rechnungen bezahlt und wer nicht. Das wird in unsere Entscheidung mit einfließen.“ Deutschland sei eines der Länder, die die USA im Handel und in der Verteidigung „über die Jahre enorm ausgenutzt“ hätten. Über die Verteidigungsausgaben gibt es unter den Nato-Staaten seit Längerem Streit.

Trump fordert, dass alle Bündnispartner spätestens von 2024 an jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben, Deutschland liegt bei 1,2 Prozent. In der Bundesregierung heißt es, es gehe lediglich darum, sich in Richtung der zwei Prozent zu entwickeln.

Gesprächsthema werden die Nato-Ziele auf jeden Fall, vielleicht könnte Merkel Zugeständnisse andeuten. Gerade hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einen neuen Beschaffungsplan für militärische Ausrüstung in Höhe von 450 Millionen Euro aufgestellt. Der Zeitpunkt so kurz vor der US-Reise der Kanzlerin war womöglich kein Zufall.

Der Iran-Atomdeal steht vor dem Aus
Am 12. Mai läuft die Frist für eine mögliche Verlängerung des Iran-Abkommens ab, doch die US-Regierung wird es aller Wahrscheinlichkeit nach aufkündigen. Platzt das Abkommen, könnte das zu einer Aufrüstungsspirale im Nahen Osten führen.

2015 hatten die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland den Atomdeal gemeinsam mit dem Iran beschlossen. Darin verpflichtete sich das Mullah-Regime, wesentliche Teile seines Atomprogramms drastisch zu reduzieren. Im Gegenzug wurde eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen in Aussicht gestellt, was auch in der deutschen Industrie Hoffnungen auf Geschäfte weckte.

Machen die USA ihre Drohung wahr, würde das einmal mehr Trumps Abscheu gegen multinationale Bündnisse zeigen – und die Machtlosigkeit europäischer Mitverhandler. Merkel dürfte, ähnlich wie der französische Präsident Emmanuel Macron diese Woche, auf einen Kompromiss drängen, der das Abkommen mit zusätzlichen Passagen erweitern würde.

Die Russland-Sanktionen treffen auch Deutschland

Einige Sanktionen der USA gegen Russland sind nicht mit der EU abgestimmt und belasten auch deutsche Unternehmen, die im russischen Energiesektor investieren. Die US-Regierung kritisiert außerdem die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline Nordstream 2 und ruft die Bundesregierung zu einem Stopp des Projekts auf.

Eine schnelle Lösung ist nicht zu erwarten, aber das Treffen zwischen Trump und Merkel könnte zumindest das gegenseitige Verständnis fördern. Denn der Russland-Kurs der Trump-Regierung war in der Vergangenheit oft widersprüchlich: Mal brüstet sich der US-Präsident mit seinem angeblich „guten Verhältnis” zu Wladimir Putin, will ihn persönlich treffen und tritt bei Sanktionen auf die Bremse. Dann wieder beschuldigt er Russland der Komplizenschaft mörderischer Giftgas-Angriffe in Syrien und verdammt russische Cyberattacken auf westliche Infrastruktur. In dieser Gemengelage hilft jedes bisschen Klarheit.

Zuletzt hatten Merkel und Trump Ende März am Telefon miteinander Kontakt, kurz nachdem Trump die Strafzölle auf Stahl und Aluminium ankündigte. Seitdem wurde die Lage nur angespannter. Der US-Präsident droht damit, auch Strafzölle auf europäische Autos zu erheben und fordert, Deutschland möge seinen riesigen Handelsbilanzüberschuss abbauen.

„Es ist derzeit nicht immer einfach, hier Sympathien für die Europäische Union zu erwecken“, sagte der deutsche Botschafter in Washington, Peter Wittig, im Vorfeld von Merkels Besuch dem Handelsblatt. „Teile der US-Regierung betrachteten die EU anfangs mit erheblicher Skepsis. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Europa geschlossen auftritt und seine Stärken zeigt.“ In Kombination mit Macrons Reise, der Protektionismus und Nationalismus in Washington scharf kritisierte, könne man Europa wieder „auf den Radarschirm“ bringen, so Wittig.

Das letzte Mal, als sich Merkel und Trump in Washington trafen, brüskierte der US-Präsident seinen Gast vor laufenden Kameras mit der Bemerkung, beide hätten gemeinsam, dass sie von Barack Obama belauscht worden seien. Merkel reagierte überrascht bis pikiert, und Trump soll laut der Insider-Website „Axios” anschließend zu seinen Mitarbeitern gesagt haben: „Sie hätte wenigstens lachen können! Das war mein bester Gag!“

Angela Merkel sei der „archetypische Anti-Trump“, sagt Karen Donfried, Präsidentin der Washingtoner Denkfabrik German Marshall Fund. „Der Präsident liebt Melodram und Aufmerksamkeit, sie ist zurückhaltend, rational und umsichtig.“ Den direkten Vergleich wird man im Weißen Haus erneut vor Augen haben, wenn Trump und Merkel am frühen Nachmittag für eine halbe Stunde vor die Presse treten.

Eines steht jetzt schon fest: Ein Besuch der Kanzlerin, die bereits drei US-Präsidenten in ihrer Amtszeit erlebte, wird nicht ausreichen, um die vielen Konflikte auch nur ansatzweise zu lösen. „Deutsche und Amerikaner müssen neu definieren, wie, wann, wo und warum sie sich brauchen“, sagt Jackson Janes, Präsident des American Institute for Contemporary German Studies. „Es gibt genug Stoff für viele Treffen.“

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