Trump streicht Zahlungen an Palästinenser Keine Chance auf Bildung

Die Vereinten Nationen betreiben Schulen für Hunderttausende palästinensische Kinder und Jugendliche. Ohne US-Gelder ist das Überleben der Einrichtungen und die Chance auf Bildung für die kommende Generation bedroht.

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Das Hilfswerk bietet palästinensischen Kindern und Jugendlichen einen Ort der Zuflucht in der Krisenregion. Quelle: dpa

Gaza-Stadt Das Vibrieren in der Luft wird stärker, es erfüllt den ganzen Hof vor dem Schulgebäude. „Das sind israelische Militärdrohnen“, ruft Jamil Hamad, seine Augen suchen den Himmel über Gaza ab. Hamad zeigt auf den Rand des weitläufigen Schulgeländes. „Dort schlug während des letzten Krieges im Jahr 2014 ein Geschoss ein“, erinnert sich der Direktor des Gaza Training Centre, einer Berufsschule in dem Palästinensergebiet. Bei dem israelischen Angriff wurden Schüler getötet und verletzt. Während Hamad zu einer Elektrowerkstatt für Lehrlinge hastet, sagt er mit ernster Miene. „Unsere Schüler und wir Lehrer fürchten immer, dass ein neuer Krieg ausbricht. Wir wollen Frieden.“ Die Drohne entfernt sich derweil. „Und wir wollen unseren Schulbetrieb weiter führen“, hofft der Direktor.

Doch eine Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump könnte die Berufsschule in Gaza und viele andere Bildungseinrichtungen für palästinensische Kinder und Jugendliche empfindlich treffen. Die USA wollen im laufenden Jahr 65 Millionen US-Dollar einfrieren, die eigentlich dem UN-Hilfswerk für die Palästinenser (UNRWA) zugutekommen sollten. Mit der Aktion will Trump das UNRWA zu Reformen zwingen. „Ich bin sehr besorgt“, reagierte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres. Falls der größte Geldgeber für das UNRWA, die USA, die Gelder nicht freigeben, müsste das Hilfswerk lebenswichtige Dienstleistungen für die Palästinenser kürzen – oder einstellen. Das würde eine „sehr, sehr ernstes Problem schaffen“, warnt Guterres.

Eine der wichtigsten Aufgaben des UNRWA ist der Betrieb von Schulen. Das 1949 gegründete Hilfswerk unterhält 700 Bildungseinrichtungen mit 525.000 Schülern in Jordanien, Libanon, Syrien, im Westjordanland und in Gaza – darunter auch das Gaza Training Centre. Die UN-Organisation garantiert das Überleben des palästinensischen Schulsystems im permanenten Ausnahmezustand des Nahostkonflikts. Ohne das von Israel oft gescholtenen UNRWA hätten Generationen von Mädchen und Jungen keine Chance auf Bildung gehabt.

Und das Hilfswerk bietet den Kindern einen Ort der Zuflucht in der Krisenregion – zum Beispiel die Mädchen-Schule in dem Flüchtlingslager Schufat in der Nähe von Jerusalem. Die Tür zu einem der kargen Klassenräume öffnet sich, zwei Dutzend Mädchen strömen hinein. Gekleidet sind sie in blau-weißen Schuluniformen, die älteren von ihnen tragen Kopftuch. Sie tuscheln. Sie lachen. Mit Eifer erzählen die acht bis 15-Jährigen von ihren beruflichen Träumen. Razan will Photographin werden. Aya möchte Menschen als Ärztin helfen. Nihad stellt sich ihre Zukunft als Übersetzerin vor. Und Rania hat den Plan „Klienten als Anwältin beiseite zu stehen“.

Die harsche Realität holt die Schüler und ihre Lehrer immer wieder ein. In den vergangenen Jahren musste das mehrstöckige Gebäude mehrmals evakuiert werden. Israelische Sicherheitskräfte hätten in dem Flüchtlingslager Razzien gegen mögliche Extremisten durchgeführt, berichten die palästinensischen Lehrer. Dabei sei Tränengas eingesetzt worden, das dann in die Schule wehte. „Sie verletzen unser Recht auf Bewegung“, sagt eine der Schülerin. „Sie verletzen unser Recht auf Sicherheit“, sagt eine andere Schülerin. Und eine Dritte betont: „Sie verletzen unser Recht auf Frieden.“ Wenn die kleinen Palästinenserinnen von „sie“ und „ihnen“ sprechen, dann meinen sie die Israelis.

Und „sie“, die Israelis, betrachten die Schulen des UN-Hilfswerks mit gemischten Gefühlen. Zwar müssen Vertreter der Regierung in Jerusalem einräumen, dass die Einrichtungen den Kindern im Gaza und in der Westbank prinzipiell eine gute Bildung angedeihen lassen. Aber in den Klassenzimmern werde mit Karten unterrichtet, auf denen der Staat Israel überhaupt nicht erscheine. Einige Lehrer predigten „Gewalt und Hass“.
Das UN-Hilfswerk weist die Vorwürfe regelmäßig zurück, der Unterricht erfolge gemäß dem Curriculum der palästinensischen Behörden. Mittendrin in dem Streit stehen die Kinder. Eine Schülerin in dem Klassenraum der Mädchenschule Schufat sagt nur: „Gott ist mit uns und Gott wird uns schützen.“

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