Trump und Clinton Was die US-Wahl für die deutschen Autobauer bedeutet

Für die meisten deutschen Autobauer sind die USA der zweitwichtigste Auslandsmarkt – nach China. Ob die Pläne von Daimler, Volkswagen und Co aufgehen hängt auch davon ab, wer künftig im Weißen Haus regiert.

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US-Wahl und die Konsequenzen für deutsche Autobauer. Quelle: dpa Picture-Alliance

Wenn die Amerikaner ein neues Staatsoberhaupt wählen, schaut die Welt gebannt zu. So wird es auch am 8. November sein, wenn sich entscheidet, ob die Weltmacht künftig von Hillary Clinton oder Donald Trump regiert wird.

Die Wahl selbst mag sich an innenpolitischen Themen oder den polarisierenden Persönlichkeiten der beiden Kandidaten entscheiden – die Folgen aber sind global. Und das nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich.

Gerade der europäischen Wirtschaft droht eine härtere Gangart – und das nicht nur bei einem Wahlsieg des Schreckens vieler Wirtschaftsbosse, Donald Trump. Auch Hillary Clinton will Amerikas Interessen stärker durchsetzen. DIHK-Außenhandelschef Volker Treier spricht sogar davon, dass die Wirtschaftsprogramme beider Kandidaten – so unterschiedlich sie sein mögen – bei der Handelspolitik „vor protektionistischen Tendenzen geradezu strotzen“.

Für Deutschland könnte das besonders starke Folgen haben: Mit keinem anderen Land hat die Bundesrepublik im vergangenen Jahr mehr Handel betrieben als mit den USA. Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind 2015 Waren im Wert von 173,2 Milliarden Euro zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ausgetauscht worden. Damit haben die USA erstmals seit vier Jahrzehnten Frankreich als Deutschlands wichtigsten Handelspartner abgelöst.

Eine der wichtigsten Branchen in der deutschen Industrie sind die Automobilhersteller. BMW, Mercedes, VW und Co. exportieren nicht nur ihre Autos in die Vereinigten Staaten, sondern sie fertigen auch bestimmte Modelle vor Ort – teils für den lokalen Markt, teils für den Welthandel. Am Beispiel der Autobranche zeigt sich, welchen Einfluss der Machthaber in Washington, D.C. auf deutsche Unternehmen und ihre Geschäfte hat.

Wie haben sich die Kandidaten bislang im Wahlkampf zur Autobranche geäußert?

Um deutsche Autobauer ging es im Wahlkampf – dem Dieselskandal zum Trotz – bislang kaum. Vielmehr kümmern sich Clinton und Trump um die einheimischen Branchengrößen – aber auch das hätte für einige der deutschen Autobauer ernste Folgen.

Dabei stand bislang weniger im Mittelpunkt, was die Autobauer produzieren und wie erfolgreich sie damit sind, sondern vielmehr wo sie produzieren. An Ford, General Motors und Chrysler ist in den USA eine Debatte um den Freihandel entfacht, sowohl um das bestehende North American Free Trade Agreement (Nafta), als auch die in Verhandlung befindlichen TTIP und TPP. Fest steht: Keiner der beiden Kandidaten setzt sich derart für den Freihandel ein wie Noch-Präsident Barack Obama.

Trumps wirtschaftspolitische Pläne

Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner fürchten dabei um amerikanische Jobs. Immer wieder ging es dabei um Ford: Im April verkündete der Autobauer, für 1,6 Milliarden Dollar eine neue Fabrik bauen zu wollen – nicht in Michigan, nicht in den günstigeren US-Südstaaten, sondern in Mexiko. Im September legte Ford nach: In den nächsten zwei bis drei Jahren werde man die gesamte Produktion der „small cars“ nach Mexiko verlegen, sagte Firmenchef Mark Fields vor Investoren.

„Wir dürfen nicht erlauben, dass so etwas passiert“, sagte Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt. „Sie bauen ihre Autos, sie beschäftigen Tausende Menschen, aber nicht aus diesem Land und dann schicken sie ihre Autos über die Grenze.“ Später legte er bei einem Fernsehauftritt nach: Wenn der Autobauer Arbeitsplätze Richtung Süden aus den USA verlagert, werde er Importzölle von 35 Prozent auf Waren aus Mexiko erheben.

Clintons wirtschaftspolitische Pläne

Nicht nur wegen solchen Aussagen hält Stefan Bratzel einen Präsidenten Trump für ein fatales Zeichen für die Wirtschaft und die Autokonjunktur. „Insbesondere die markanten Protektionismustendenzen könnten der US-Wirtschaft und auch der Weltwirtschaft langfristig massiv schaden“, sagt der Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule Bergisch-Gladbach.

Wer profitiert von welchem Wahlausgang?

Gemessen an Trumps Aussage läge der Vorteil bei BMW: Die Münchner produzieren in den USA, die deutschen Konkurrenten auch in Mexiko: VW bedient einen Teil der Nordamerika-Nachfrage aus dem Werk Puebla, bei der Konzerntochter Audi läuft die zweite Generation des SUV Q5 ausschließlich in dem gerade eröffneten Werk San José Chiapa vom Band. Daimler baut zusammen mit Allianzpartner Nissan in Aguascalientes ein Werk, in dem künftig Kompaktwagen für Mercedes-Benz und Infiniti gebaut werden sollen.

Daimler macht ein Viertel des Umsatzes in den USA

Die Investitionsentscheidungen in diese Werke sind natürlich vor dem Hintergrund eines funktionierenden Freihandels in der Nafta-Region gefallen. Ein Strafzoll, egal in welcher Höhe, würde die Planungen der potenziellen Absatzzahlen, Auslastung und Gewinnmargen über den Haufen werfen. Hillary Clinton hat zwar keinen Strafzoll gefordert, aber auch sie hält Veränderungen an dem Nafta-System für notwendig.

Da ein Großteil der Nordamerika-Produktion der deutschen Autobauer auch für den nordamerikanischen Markt gedacht ist (siehe Übersicht weiter unten), ist es natürlich auch wichtig, die produzierten Autos zu verkaufen. Von Clinton versprechen sich viele Volkswirte stabilere Verhältnisse, bei einem eher widersprüchlichen Präsident Trump fürchten sie Verwirrung an den Märkten und damit eine hohe Volatilität.

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„Unabhängig von Trump wird den Apologeten des Protektionismus Tür und Tor geöffnet, wenn zu viel Wertschöpfung und damit Arbeitsplätze ins Ausland wandern, aber die Umsätze in den USA gemacht werden“, sagt Stefan Bratzel. „Für Automobilhersteller gilt es Langfristentscheidungen für Produktionswerke vor diesem Hintergrund gut auszubalancieren.“ Für die Importeure sei das Wahlergebnis daher noch wichtiger als für die einheimischen US-Hersteller.

Wie wichtig ist der US-Markt überhaupt für die deutschen Autobauer?

Selbst vor dem Abgasskandal war Volkswagen in den USA ein Nischenanbieter. In den Plänen des damaligen Konzernchefs Martin Winterkorn spielten die USA eine entscheidende Rolle bei dem Bestreben, bis 2018 größter Autobauer der Welt zu werden. Der US-Markt sollte mit günstigen und sparsamen Dieselmotoren erobert werden – manch einer sieht in dieser Entscheidung die Quelle von Dieselgate.

Doch auch mit dem betrügerischen Eingriff in die Motorsteuerung kam der Diesel nicht wie erwartet an, auch wegen Fehlern in der Modellplanung und im Vertrieb blieb die US-Offensive weit hinter den Erwartungen zurück. Jetzt soll es ein speziell für den US-Markt entwickeltes SUV richten – nur mit Benzinmotoren, versteht sich.

Während VW bei den Auslandsverkäufen vor allem von China abhängig ist, sieht es bei den Premium-Herstellern anders aus. Im zweiten Quartal (die Zahlen für das dritte Quartal liegen noch nicht von allen Konzernen vor) lagen bei BMW die USA nur knapp hinter China – 22 zu 20 Prozent des Konzernabsatzes.

Auf dieses Auto setzt VW seine US-Hoffnungen
"Midsize-SUV" – das klingt nach Mittelklasse. In Deutschland wäre das bei Volkswagen ein Tiguan. Der misst in der Länge knapp 4,48 Meter, in der Breite sind es 1,84 Meter. Darüber rangiert der Touareg, bei einem kleineren SUV hat Volkswagen derzeit noch eine Lücke – die Konzerntochter Audi zeigt aber mit den Modellen Q2 und Q3, wie ein solches Kleinwagen-SUV aussehen könnte. Dazwischen liegt eben die Mittelklasse. In den USA wird "Midsize" aber etwas anders ausgelegt, wie der neue Hoffnungsträger von VW zeigt. Quelle: Volkswagen
Denn der hierzulande als Dickschiff angesehene Touareg ist für US-Verhältnisse eher klein. So kommt es, dass das offiziell noch namenslose Midsize-SUV für den US-Markt mit einer Länge von 5,03 Metern den Touareg überragt. Zugleich soll das Auto mit dem Projektcode 416 kaum teurer als ein Tiguan sein – eben genau das, was die amerikanischen Kunden verlangen. Mit dem Konzept zielt VW ins Herz des amerikanischen Massenmarktes und wird so zum Hoffnungsträger des vom Dieselgate gebeutelten Konzerns. Mit dem Angriff auf Platzhirsche wie dem Ford Explorer oder dem Chevrolet Traverse soll der neue Geländewagen VW in den USA aus der Nische führen – derzeit haben die Wolfsburger einen Marktanteil von gerade einmal drei Prozent. Quelle: Volkswagen
Im November soll der Wagen auf der Auto Show in Los Angeles präsentiert werden. Mit dem dicken Tarnpolster will VW das Design noch geheim halten. Es dürfte aber deutlich bulliger – und damit amerikanischer – werden als jenes der Studie "Crossblue", die einen Ausblick auf das siebensitzige SUV gegeben hat. Quelle: Volkswagen
Das Midsize-SUV ist nicht nur wegen der erwartenden Absatzzahlen eines der wichtigsten Modelle bei VW, es leitet auch eine Zeitenwende ein: Galt bislang auch für die VW-Vertreter in Amerika Wolfsburg als Nabel der Welt, ist das bei dem Projekt 416 anders: Zwar kommen Motoren, Getriebe und Plattformen im Kern weiter aus Deutschland, im Detail wird aber künftig mehr auf die lokalen Bedürfnisse eingegangen. Das beginnt bei der Art, wie die Amerikaner ihr Navigationssystem bedienen und ist bei Details wie der Aufnahmevorrichtung für die Anhängerkupplung noch lange nicht vorbei. Negativ-Schlagzeilen wie die zunächst fehlenden Cupholder beim US-Passat will Volkswagen unbedingt verhindern – solche Kleinigkeiten können über Erfolg oder Misserfolg eines Milliarden-Projekts bestimmen. Quelle: Volkswagen
A propos Negativ-Schlagzeilen: Einen Diesel wird es in dem Midsize-SUV nicht geben. Deshalb wird der Wagen erst einmal nur einen 238 PS starken Vierzylinder-Turbo oder einen V6-Sauger mit 3,6 Litern Hubraum und 280 PS angetrieben. Damit das bislang größte Modell auf Basis des konzerneigenen Modularen Querbaukastens auf einen Einstiegspreis von 30.000 Dollar kommt, mussten die Entwickler eine neue Balance zwischen Preis und Premium finden – bislang hat VW als deutsche Marke seine Autos stets etwas teurer verkauft als die einheimische Konkurrenz. Das zieht natürlich Einschnitte bei Qualität und Materialauswahl nach sich – und wohl einer der Gründe, warum das SUV nicht nach Europa exportiert werden wird. Die offizielle Begründung lautet übrigens: "Zu groß". Quelle: Volkswagen
Der Schuss mit dem Midsize-SUV muss sitzen – das ist den VW-Verantwortlichen in den USA und in Wolfsburg klar. Deshalb wird es auch an anderer Stelle eine Neuerung geben: Als erstes Modell nach dem Rabbit wird das Midsize-SUV in Amerika einen eigenständigen Namen bekommen. Der US-Passat, neben dem das SUV im US-Werk Chattanooga vom Band laufen wird, hat einen Namensvetter in Europa – auch wenn sich beide Modelle erheblich unterscheiden. Bleibt abzuwarten, ob VW mit dem Konzept wirklich den Geschmack der US-Kunden trifft – und ob das Design und ein frischer Name wirklich ausreichen. Die Premiere im November wird erste Antworten liefern. Quelle: Volkswagen

Bei Mercedes-Benz ist der Vorsprung von China auf die USA etwas größer, dennoch hat das US-Geschäft für die Stuttgarter eine besondere Bedeutung: Daimler ist mit verschiedenen Marken auch bei den Nutzfahrzeugen am Markt vertreten, fast 26 Prozent des Umsatzes kommen aus den USA – bei China sind es nur knapp zehn Prozent.

Welche Werke haben die Hersteller in den USA?

Die USA waren für deutsche Autobauer lange ein reines Exportgeschäft. Volkswagen hatte sein damals letztes US-Werk in Pennsylvania 1988 geschlossen. Erst Mitte der 1990er Jahre siedelten sich Daimler und BMW mit eigenen Produktionsstätten in den Südstaaten an, VW bediente den US-Markt mit Autos aus dem mexikanischen Puebla. Erst 2011 hat Volkswagen wieder ein US-Werk eröffnet, in Chattanooga, Tennessee wird der US-Passat gebaut. Bald startet auch die Produktion des speziellen US-Midsize-SUV Atlas.
Zusammen mit den Lkw-Werken verschiedener Konzernmarken kommt Daimler auf die meisten US-Werke – jedoch nur in Vance, Alabama werden Mercedes-Pkw gebaut. Sowohl Mercedes als auch Premium-Konkurrent BMW setzen bei ihrer US-Produktion auf die dort gefragten SUV-Modelle – auch für den Export.

Die US-Werke der deutschen Autokonzerne

Bei den Münchnern etwa werden mit Ausnahme des kleinen X1 (Werk Leipzig) sämtliche X-Modelle gebaut. Sprich: Jeder X3, der über deutsche Straßen fährt, stammt aus Spartanburg, South Carolina. Aktuell wird das Werk ausgebaut, künftig soll dort auch das extragroße SUV X7 vom Band laufen. Mit dem Ausbau ist Spartanburg dann das größte BMW-Werk der Welt, noch vor dem Stammwerk Dingolfing.

Warum dem US-Autoboom die Puste ausgeht

Wie steht es um den US-Automarkt derzeit?

Dem Boom am US-Automarkt geht die Puste aus. Die Amerikaner haben sich auch im September beim Autokauf zurückgehalten, wie die zuletzt veröffentlichten Absatzzahlen der Branche zeigen.

Beim US-Marktführer GM fiel der Absatz im September um 0,6 Prozent. Rivale Ford meldete ein dickes Minus von 8,1 Prozent. Auch der dank seiner in den USA beliebten Jeeps und Pick-up-Trucks erfolgsverwöhnte Konkurrent Fiat Chrysler verkaufte diesmal ein Prozent weniger. Die großen japanischen Anbieter Toyota und Nissan setzten hingegen 1,5 und 4,9 Prozent mehr Autos ab, während Honda auf der Stelle trat.

Produktionskapazitäten deutscher Autobauer in Nordamerika 2000-2025

Der US-Automarkt hat seit dem Ende der letzten großen Krise vor mittlerweile über sechs Jahren stetiges Wachstum verzeichnet. Im letzten Jahr stellte die Branche mit 17,5 Millionen verkauften Neuwagen einen Absatzrekord auf. Analysten rechnen aber damit, dass der lange Zeit von Billigsprit und günstigen Finanzierungszinsen befeuerte US-Markt sich in den nächsten Monaten weiter abkühlen wird.

Wie schlagen sich die deutschen Autobauer?

Der Abschwung hat Volkswagen und BMW, die zuletzt ohnehin geschwächelt haben, zusätzlich getroffen. VW verkaufte im September 24.112 Autos mit dem Volkswagen-Logo – das waren 7,8 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Der Konzern leidet immer noch unter dem Verkaufsstopp der Dieselautos, den sich VW nach dem Abgasskandal selbst verhängt hatte. Besser sieht es bei den ebenfalls betroffenen Premium-Töchtern Audi und Porsche aus, hier wurden im September 1,6 beziehungsweise 1,2 Prozent mehr Wagen verkauft.

von Stefan Grundhoff, Rebecca Eisert, Martin Seiwert

Auch Oberklasse-Konkurrent Daimler schaffte ein Absatzplus, die Stuttgarter meldeten inklusive der Marke Smart einen Anstieg um 3,1 Prozent. Davon kann Rivale BMW derzeit nur träumen. Der US-Absatz schrumpfte um 5,2 Prozent auf 29.413 Autos, wie der Konzern mitteilte. Dabei zog der Kleinwagen Mini den Schnitt mit einem Rückgang um 8,8 Prozent nach unten. Für die Bayern ist es bereits der zehnte Monat mit sinkenden US-Verkäufen in Folge.

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