Trump und die Pharmakonzerne Das zweitgrößte Übel

Nach Donald Trumps Sieg stiegen die Aktienkurse der deutschen Pharmakonzerne. Ein Zeichen der Erleichterung - doch die wird nicht lange halten. Bayer, Boehringer und Co. müssen sich auf harte Zeiten einstellen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das sind die innovativsten Pharmaunternehmen Deutschlands
abbvie Quelle: Presse
Gilead Sciences Quelle: AP
Celgene Quelle: Presse
Biogen Quelle: AP
Pfizer Quelle: dpa
Bayer HealthCare Quelle: REUTERS
Sanofi Quelle: Presse

Wenn es um die Börse geht, kann Erleichterung Milliarden wert sein. Nirgendwo kann man das so gut erkennen, wie an den Aktienkursen der deutschen Pharmakonzerne nach der Wahl von Donald Trump: Zeitweise stiegen Bayer, Merck, Fresenius und Co um mehr als drei Prozent.

Der Grund: Die Anleger hatten auf einen Sieg von Hillary Clinton gesetzt. Und die hatte im Wahlkampf regelmäßig gegen die Profitgier der Pharmahersteller gewettert. Ihr Sieg wäre für die Pharmakonzerne der schlechtmöglichste Ausgang gewesen.

Doch lange anhalten wird die Erleichterung nicht. Die goldenen Zeiten für die Pharmahersteller sind vorbei. Auch Donald Trump hat den Gesundheitssektor ganz oben auf seine Agenda gesetzt. Innerhalb seiner ersten hundert Amtstage will der Republikaner die unter Präsident Obama eingeführten Gesundheitsreformen rückgängig machen. Als sicher gilt: Es wird nicht der einzige Eingriff in das Gesundheitssystem bleiben.

Lange galten die USA als das Paradies für Pharmakonzerne. Es ist der größte Markt für verschreibungspflichtige Medikamente. Bayer macht hier ein Viertel seines Umsatzes, der Dialyse-Spezialist Fresenius Medical Care sogar drei Viertel. In den Vereinigten Staaten wird so viel geforscht wie nirgends sonst, hier werden die meisten neuen Medikamente ausgetestet.

Patentschutz verhindert Wettbewerb

Aber nirgendwo sind die Medikamente auch so teuer wie in den USA. In den vergangenen Jahren haben die Konzerne ihre Preise fast unbegrenzt in die Höhe treiben können, weil es keine staatliche Begrenzung gibt. Und so lange ein Medikament unter Patentschutz steht, gibt es auch keinen Wettbewerb.

In den vergangenen sieben Jahren stiegen die Preise um 158 Prozent, haben die Analysten von Morgan Stanley ausgerechnet. Mylan, ein niederländischer Hersteller, steigerte den Preis seines EpiPens gegen allergische Schocks sogar von rund 100 auf 600 Dollar. Erst nach öffentlicher Kritik von Clinton ruderte Mylan zurück.

Ein Extremfall. Aber selbst die Behandlung mit Viagra kostet heute laut Listenpreis 1738 Dollar - und damit mehr als dreimal so viel wie noch vor sieben Jahren. Für die Konzerne sind die Preiserhöhung wichtigster Umsatzbringer. So können sie selbst dann mehr Geld einnehmen, wenn die Zahl der Behandlungen mit ihren Mitteln eigentlich sinkt.

Die größte Bedrohung

Auch deutsche Konzerne zogen die Preise kräftig an: Bayer verkauft sein Medikament Betaseron für Multiple-Sklerose-Patienten heute für 153 Prozent mehr. Und Boehringer Ingelheim verdoppelte den Preis seines Bestsellers Spiriva, das bei Lungenkrankheiten eingesetzt wird. Der Preis des Mittels Aggrenox, das die Gefahr eines Schlaganfalls mindert, stieg seit 2009 sogar um 212 Prozent.

Hillary Clinton erklärte dieser Entwicklung im Wahlkampf den Krieg. Dass sie niemals auf das Schlachtfeld treten wird, erleichtert die Konzerne. Doch auch Donald Trump will gegen die hohen Preise vorgehen. Patienten sollen zukünftig billigere Medikamente aus dem Ausland importieren können. Außerdem will er den Wettbewerb mit Generika-Mitteln befeuern, die den selben Wirkstoff enthalten.

Trumps Pläne sind wesentlich unkonkreter als die seiner demokratischen Rivalin, auch deshalb jagte er den Pharmabossen längst nicht so viel Angst ein. Doch dafür hat Trump die Macht, seine Ideen durchzusetzen. Seine Partei hält die Mehrheit im Kongress. Und auch wenn viele Republikaner mit Trump fremdeln, sie werden ihrem neuen Präsidenten wohl kaum bei den ersten Gesetzesentwürfen schon Hürden in den Weg stellen.

So viel zahlen Pharmakonzerne an Ärzte und Kliniken
Novartis Quelle: AP
Merck Quelle: dpa
Bayer Quelle: AP
Roche Quelle: REUTERS
Pfizer Quelle: dpa
Boehringer Quelle: AP
Sanofi Quelle: dpa

Die größte Bedrohung für die deutschen Pharmaunternehmen sind Trumps Pläne für die Krankenversicherung. Keine hundert Tage soll es dauern, bis Trump „Obamacare“ tilgt. Was dann an diese Stelle rücken soll und wie der Wechsel gelingen kann, ist unklar. Doch durch das Ende von „Obamacare“ könnte die Zahl der nicht krankenversicherten Amerikaner um 20 Millionen Menschen ansteigen, ermittelten Wissenschaftler des Commonwealth Fund. Und weniger Versicherte bedeutet weniger Umsatz mit Medikamenten.

Zwar hat Trump auch gleichzeitig Steuererleichterungen versprochen. Er will es die Abgaben für im Ausland gemachte Gewinne senken. Doch davon profitieren vor allem die amerikanischen Pharmahersteller, nicht die europäischen.

Trump ist für die Pharmabranche deshalb nicht das kleinste, sondern eher das zweitgrößte Übel.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%