Trumps gefährliche Helfer Wie Trumps Team die Welt zerlegt - oder sich selbst

Im Umfeld des neuen Präsidenten tobt das Chaos - und ein ideologischer Machtkampf um den Wirtschaftskurs. Welche Folgen der Streit für den Präsidenten haben kann.

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Trauter Kreis: Trump mag seine Berater eng bei sich – und die wollen noch enger an ihn. Quelle: Getty Images

Donald Trump gibt es nicht alleine. Wenn der Präsident auf Reisen geht, etwa vor Kurzem zu einem Auftritt in Michigan, besteigen den Flieger mit ihm: sämtliche Angehörige des West Wing, des legendären Berater-Büroflügels im Weißen Haus. Empfängt Trump im Oval Office Abgeordnete oder Parteifreunde, die ihn eigentlich höchstpersönlich sprechen wollen, stehen meist stumm im Hintergrund: sämtliche Angehörige des West Wing. Und landet kurzfristig ein neuer Termin auf Trumps Terminkalender, so berichten US-Journalisten, sind Topberater zu sehen, wie sie durch spiegelglatt gebohnerte Gänge des Präsidentensitzes rennen, um ja rechtzeitig im Chefbüro aufzutauchen.

Seit jeher haben Berater um Nähe zum US- Präsidenten gebuhlt, die Entfernung des eigenen Büros zum Oval Office gilt im Weißen Haus als wertvollste Währung. Doch unter Trump, der ungern liest, aber sehr gerne plauscht, ist Nähe noch wertvoller geworden. Auch, weil der mächtigste Mann der Welt zum Lästern neigt. „Ist man nicht dabei, wird gerne über einen geredet, und das ist nicht unbedingt gut“, vertraute ein Trump-Berater der „Washington Post“ an.

Das oft absurd anmutende Gerangel der Berater um Trumps Ohr spiegelt aber auch das Chaos im Machtzentrum der westlichen Welt wider – und die wachsende Nervosität dort. Trump kann nach über 70 Tagen im Amt noch immer nichts Handfestes vorweisen. Erst kassierten Gerichte seine umstrittenen Einreiseverbote für Muslime, dann konnte er nicht einmal die Abschaffung der Obama-Gesundheitsreform im republikanisch dominierten Kongress durchsetzen – dabei hatten eben diese Republikaner darauf seit vielen Jahren hingefiebert.

Trumps Beliebtheitswerte sind rekordverdächtig niedrig, die „New York Times“ wirft ihm systematische Lüge vor. Und zum Verdacht russischer Wahlkampfhilfe laufen Ermittlungen, die Erinnerungen an den Watergate-Skandal wecken.

Damit ändern sich die Vorzeichen: Vielen mutete Trumps Beraterkreis um den Chef-Einflüsterer Steve Bannon – der die „amerikanische Identität“ verteidigen will und „America first“ anstrebt – wie ein Komitee zur Zerstörung der Weltordnung an.

Aber dieser Beraterkreis könnte sich schneller noch auch als Komitee zur Zerstörung der eigenen Präsidentschaft erweisen. „Wenn sie so weitermachen, zerlegen die sich von ganz alleine“, sagt jemand, der den Besuch von Kanzlerin Merkel bei Trump begleitet hat.

„Sendet ein schönes Bild heim nach Deutschland!“
Merkel traf am Morgen (Ortszeit) für mehrere Treffen mit Trump ein. Quelle: dpa
US-Präsident Donald Trump hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag im Weißen Haus begrüßt. Quelle: dpa
„Sendet ein schönes Bild heim nach Deutschland!“ sagte Trump zu deutschen Foto-Journalisten. Quelle: dpa
Auf dem Programm standen Gespräche über eine Stärkung der Nato, den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat und eine Lösung des Ukraine-Konflikts. Quelle: dpa
Die Ehrengarde steht in Washington vor dem Weißen Haus. Quelle: dpa
US-Präsident Donald Trump sieht sich nicht als Isolationisten. „Wir sind ein sehr starkes Land, vielleicht bald auf einem Level, das es noch nie gegeben hat“, sagte Trump am Freitag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel in Washington. Dennoch sei er als US-Präsident ein Handelsmann und in keinerlei Hinsicht ein Isolationist, also ein Befürworter einer Abschottungspolitik. Quelle: dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Notwendigkeit eines fairen Handels zwischen Deutschland und den USA hervorgehoben. Beide Seiten müssten dabei gewinnen können, sagte Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Präsident Donald Trump am Freitag in Washington. Man sehe jetzt schon, welches Potenzial in beiden Volkswirtschaften stecke. Trump sagte, er erwarte „großartige Handelsbeziehungen mit Deutschland“. Quelle: dpa

Daher probt eine Gruppe vergleichsweise progressiver Mitarbeiter gerade den Aufstand im Weißen Haus, die sogenannten „New Yorker“. Sie haben genug von den nationalistischen Tönen, den Provokationen und Skandalen und der Politik der Abschottung. Und sie streiten vor allem um die Wirtschaftspolitik, in der sich zentrale Konfliktfelder – Migration, Außenbeziehungen, Ungleichheit – bündeln.

Schlüsselfigur in diesem Machtkampf: Gary Cohn, 56, fast drei Jahrzehnte lang einer der Stars der Investmentbank Goldman Sachs. Rund 285 Millionen Dollar erhielt er dort bar und in Aktien zum Abschied, was den Geldmenschen Trump so beeindruckte, dass er es öffentlich immer wieder betonte. Bis zu fünfmal am Tag tauscht Trump sich mit Cohn angeblich aus, dem Vernehmen nach darf dieser ihn sogar unterbrechen, eigentlich unerhört im Reich des neuen Präsidenten. Bislang scheint den auch nicht zu stören, dass Glatzkopf Cohn – den ein deutscher Beamter, der ihn traf, sehr klug und tough nennt – eingetragener Demokrat ist.

Die Goldman-Truppe

Schließlich liegt Cohn offiziell auf Trump-Linie. Die Regierung werde alles tun, um Wachstum und Jobs in den USA zu schaffen, beteuert er stets, „America first“ scheint auch für ihn oberstes Gebot.

Mann mit Einfluss: Gary Cohn spricht Trump angeblich fünfmal am Tag. Quelle: dpa

Und doch: Cohn will anders als sein Chef heimische wie ausländische Firmen nicht ausdrücklich bedrohen und etwa mit Strafzöllen für Importe belegen – sondern vielmehr Anreize schaffen, dass diese in den Vereinigten Staaten produzieren. „Es gibt drei Baustellen“, predigt der Exbanker. „Die Steuern sind zu hoch, es gibt zu viele Regulierungen, und unsere Infrastruktur ist nicht im optimalen Zustand. Daran müssen wir arbeiten.“

Um US-Konzernen selbst unter dem Szenario eines drohenden Handelskrieges mit Trump-Strafzöllen den Zugang zu ausländischen Märkten zu bewahren, schmiedet Cohn hinter den Kulissen offenbar eine Art Bündnis pro Freihandel. Seine Plattform dafür: Gipfeltreffen der Regierung mit amerikanischen Firmenbossen. Immer wieder lädt Cohn Chefs der größten heimischen Konzerne ins Weiße Haus – und fordert sie auf, bei Trump die Bedeutung eines freien Welthandels offensiv anzusprechen. „Dabei tritt er sehr gewinnend auf“, sagt ein Chef, der bei diesen Treffen dabei war – entsprechend lobend äußern sie sich über Cohn dann auch in Gegenwart des Präsidenten.

Das zeigt Wirkung: Bei wichtigen Treffen darf Cohn derzeit meist direkt neben dem Präsidenten Platz nehmen. Auch die enge Cohn-Vertraute Dina Powell – bei Goldman Sachs früher für Philanthropie zuständig und fließend Arabisch sprechend – ist ins Machtzentrum vorgerückt: Die Wirtschaftsberaterin war beim Merkel-Besuch nur zwei Plätze von der Kanzlerin platziert. Cohn und Powell verkörperten – genau wie Finanzminister Steven Mnuchin, der ebenfalls lange für Goldman Sachs arbeitete – den selbstbewussten Geist von New York, vermerken Beobachter: Wenn man es dort schaffe, schafft man es überall. Das beeindrucke offenbar den Ur-New-Yorker Trump.

Während die „New Yorker“ also an Einfluss gewinnen, droht Peter Navarro zur Randfigur zu werden. Im Februar noch dominierte der streitbare Professor und Handelsberater Trumps Botschaften. Lautstark erklärte er die Handelsdefizite der USA zu einer „nationalen Gefahr“ – und attackierte neben China und Mexiko auch Deutschland. Die Bundesrepublik nutze den „massiv unterbewerteten“ Euro aus, um ihre Exporte zu steigern, darüber müsse man reden. Ökonomen schüttelten über derlei Parolen den Kopf. „Nahezu alle Behauptungen von Navarro weisen eklatante Fehler auf“, wundert sich Daniel Ikenson, Handelsexperte bei der US-Denkfabrik Cato.

So hätten die USA in den vergangenen 42 Jahren immer mehr importiert als exportiert. Von einer „nationalen Gefahr“ könne also kaum die Rede sein. Außerdem habe die Bundesregierung schließlich keinen Einfluss auf den Kurs des Euro, dafür sei die Europäische Zentralbank zuständig. „Ein Ökonom mit Harvard-Abschluss wie Navarro sollte das wissen“, sagt Ikenson.

Doch Berater Navarro scheint nicht einmal Trump ordentlich zu beraten, was etwa beim Merkel-Besuch immer wieder zu peinlichen Situationen führte. Mittlerweile wird er regelrecht abgeschirmt.

Bei einem Vortrag Anfang März klammerte sich der Ökonom an sein Manuskript, ganze Passagen las er einfach vor. Nachfragen waren nicht gestattet. Nach seinem Vortrag eskortierten ihn Regierungsmitarbeiter aus dem Raum.

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Verliert Navarro weiter an Einfluss, geht Steve Bannon ein wichtiger Mitstreiter verloren. Es wäre die zweite Niederlage in kürzester Zeit, musste Bannon doch eben erst schlucken, künftig nicht länger dem Nationalen Sicherheitsrat anzugehören. Trump entzog seinem Berater die Schlüsselposition; Bannons Machtfülle wird weniger. In Wirtschaftsfragen will sich der Chefideologe nicht überrumpeln lassen - und hat schon einen Ersatzmann für Navarro in die Beraterriege befördert, mit dem er selbst – meist nachlässig gekleidet und 63 Jahre alt – auf den ersten Blick wenig gemein hat: Stephen Miller. Der ist 31 und trägt stets Anzug und skinny tie.

Ökonomischer Einfluss

Was die beiden Männer aber eint, ist ihre ideologische Fixierung. Ultrakonservativ, überaus ambitioniert, überdurchschnittlich begabt: So beschreiben Miller ehemalige Weggefährten. Vor knapp zehn Jahren startete er als Assistent im Kapitol seine politische Karriere. Insbesondere der heutige Justizminister Jeff Sessions, zuvor einer der konservativsten Senatoren der USA, prägte das Denken und Handeln Millers.

Keine nachhaltige Strategie

Heute klingen Millers Argumente so: Migranten nehmen nicht nur US-Amerikanern die Jobs weg, sie drücken auch das Lohnniveau. Gerade in Zeiten des technologischen Umbruchs mache es keinen Sinn, Konkurrenten für US-Arbeitnehmer ins Land zu lassen. Weil das US-Wohlfahrtssystem so teuer sei, solle man Zuwanderer in ihre Heimatländer „zurückversetzen“, so Miller. „Mit dem Geld, das nötig ist, um einen Flüchtling in Amerika zu unterstützen, kann man zwölf Menschen in ihren Heimatländern helfen.“

Mit Bannon ist sich der Neokonservative einig, dass die USA Migration eindämmen, Visaprogramme reformieren und sämtliche Freihandelsabkommen aufkündigen sollen. „Ökonomischer Nationalismus“ nennen sie ihr Programm. Sie hetzen, die Fraktion der „New Yorker“ um Cohn spiegele eben nicht wider, was der Rest des Landes denke. Doch die liberalen Stimmen im Weißen Haus hoffen auf eine Geheimwaffe: Jared Kushner, Ehemann von Trumps geliebter Tochter Ivanka.

Der 36-Jährige, auch im liberalen New York sozialisiert und in der Finanzwirtschaft reich geworden, kann mit dumpfen Tönen der Nationalisten wenig anfangen. Er wird oft gerufen, um zwischen beiden Denkschulen zu vermitteln, dann bittet er laut Berichten Kontrahenten auf seine Bürocouch, wie bei der Paartherapie. Aber Kushner, für den Trump eigens ein „Amt für Innovation“ geschaffen hat, hat gerade andere Sorgen. Der Senat will ihn zu einen Treffen mit dem russischen Botschafter Anfang Dezember befragen, es geht wieder um den Verdacht russischer Manipulationen im Wahlkampf. Auch intern muss sich Kushner Fragen gefallen lassen. Während die Regierung geschlossen für die Abschaffung von „Obamacare“ kämpfte, machte er Urlaub, ausgerechnet im Nobel-Skiort Aspen in Colorado.

Diese Menschen sprechen für den US-Präsidenten
Sean Spicer ist Sprecher des Weißen Hauses, früher Sprecher der Republikaner Quelle: AP
Kellyanne Conway Quelle: AP
Stephen Bannon Quelle: REUTERS
Hope Hicks Quelle: REUTERS
Dan Scavino Quelle: REUTERS
Stephen Miller Quelle: AP

Also ist keineswegs ausgemacht, dass die Moderaten den Streit im Weißen Haus gewinnen werden. Gerade erst mochten die Amerikaner nicht einmal eine G20-Erklärung zum Freihandel mittragen.

Tobt der offene Machtkampf weiter, droht die Regierung sich selbst zu lähmen. „Ich kann nicht erkennen, wie das Weiße Haus unter diesen Umständen erfolgreich arbeiten kann“, sagt Charlene Barshefsky, früher wichtige Wirtschaftsberaterin von Präsident Bill Clinton. Auch Clinton legte einen chaotischen Start hin, „um Details wurde ständig gestritten“, erinnert sich Barshefsky. Der große Unterschied aber: „Über die großen Linien waren wir uns einig.“

Das ist derzeit im Weißen Haus nicht der Fall, schon gar nicht in der Wirtschaftspolitik. „Trumps Leute haben keine nachhaltige Strategie“, kritisiert Barshefsky. „Sie widersprechen sich gegenseitig.“

Die Wahlversprechen Donald Trumps

Vielleicht ist Steve Bannon und seinen Hardlinern mehr Chaos gar nicht unlieb. Manchmal müsse man alles zerstören, um Großes zu schaffen, so Bannons Maxime.

Umfasst das die Bereitschaft, die eigene Präsidentschaft zu zerstören? Zumindest scheint dies eine zunehmend reale Option. „Die Machtzentren im Weißen Haus sind so kompliziert“, sagte ein einflussreicher Trump-Berater der Internetseite „Politico“, „dass kein Reporter akkurat beschreiben kann, wie schlimm die Intrigen, die offenen Streitereien und das Chaos wirklich sind.“

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