Trumps Handelskrieg So trickreich umgeht China Strafzölle

US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping. Quelle: REUTERS

Donald Trump konzentriert seinen Handelskrieg auf China. Doch damit sucht er sich den schwersten Gegner: Die Chinesen haben bisher immer einen Weg gefunden, um Strafzölle zu umgehen.

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Man soll nicht verächtlich über eine Sache sprechen, von der man keine Ahnung hat. Also vorneweg: Die vietnamesische Stahlbranche hat sicher viele Qualitäten. Nur auf dem Weltmarkt hatte sich das lange Zeit nicht herumgesprochen. Dort spielte das Land bis vor kurzem eine absolute Nebenrolle.

2015, so zeigen es die offiziellen Zahlen, exportierte Vietnam weniger als 50.000 Tonnen kaltgewalzten und korrosionsfesten Stahl in die USA, ungefähr die gleiche Menge wie in den Jahren zuvor. Allein aus China kam im gleichen Jahr mehr als das Zwanzigfache, rund 1,2 Millionen Tonnen. Doch irgendwann um die Jahreswende zu 2016 scheinen sich die Qualitäten des vietnamesischen Stahls auf wundersame Weise herumgesprochen zu haben. Geradezu explosionsartig stieg die Exportmenge an. Als die Statistiker Ende 2016 Bilanz zogen, waren mehr als 700.000 Tonnen der beiden Stahlsorten aus Vietnam in die USA exportiert worden. Eine Steigerung um mehr als 1000 Prozent.

Ein Wunder? Vielleicht eher nicht. Denn zu dieser Statistik gehören noch eine weitere Zahl und eine Nachricht. Es war ebenfalls Ende 2015, als die USA Strafzölle gegen die chinesischen Stahlexporteure verhängte. Mit sogenannten Anti-Dumping-Zölle wollten die Amerikaner gegen die künstlich niedrig gehaltenen Preise der dortigen Anbieter vorgehen. Und die Strafe wirkte, zumindest auf den ersten Blick: 2016 sanken die Importe aus China auf nur noch 45.000 Tonnen – ungefähr das Niveau Vietnams. Hält man diese beiden Zahlen nebeneinander, dann drängt sich ein Verdacht auf, der zwei Jahre später in entsprechenden Ermittlungen der US-Behörden mündete. Chinas Stahlproduzenten, so scheint es, leiten ihre Exporte systematisch über Drittländer um, wenn sie mit Anti-Dumping-Zöllen belegt werden.

Ein Beispiel, das Schule machen dürfte. Seit Donald Trump seine harten Strafzölle auf Stahl und Aluminium angekündigt hat und anderswo mit Vergeltung gedroht wird, rätseln weltweit die Ökonomen, wen ein Handelskrieg wohl wie hart treffen könnte. Mittlerweile ist klar, dass für die EU, Argentinien, Brasilien, Australien und Südkorea Ausnahmeregelungen gelten sollen. China hingegen wird von den USA scharf angegriffen. Die US-Regierung bereitet Investitionsbeschränkungen und Zölle gegen China vor, die Donald Trump zufolge ein Handelsvolumen von 60 Milliarden Dollar umfassen sollen. Damit will der US-Präsident China für den Diebstahl amerikanischer Technologie und Druck auf US-Unternehmen zur Weitergabe von Technologie bestrafen, wie das Weiße Haus mitteilte. Präsident Trump werde das Amt beauftragen, innerhalb von 15 Tagen eine Liste mit vorgeschlagenen Zöllen zu veröffentlichen. Trump bitte zudem Finanzminister Steven Mnuchin, eine Liste mit Beschränkungen für chinesische Investitionen vorzulegen.

Aber klar ist auch: Die chinesischen Unternehmen, auf die der US-Präsident zuvorderst zielt, werden einen Ausweg finden. Denn wenn die jüngere Geschichte der Strafzölle eines lehrt, dann das: Die Chinesen haben immer noch einen Trick parat.

Die Dumping-Praktiken der chinesischen Staatsunternehmen sind so alt wie die dortige Marktwirtschaft. Seit 30 Jahren gibt es immer wieder Beschwerden über die staatlich subventionierten Billigprodukte aus Fernost. Mal ist es Stahl, mal sind es Solarpaneele und mal Plastiktüten. Deshalb hatte man sich in der Welthandelsorganisation (WTO) auch früh auf einen Modus geeinigt, um gegen solche Methoden vorzugehen: Wenn ein Land einem anderen das Dumping nachweist, darf es Anti-Dumping-Zölle erheben, die dann deutlich über dem WTO-intern vereinbarten Satz für ein Produkt liegen. Dadurch wird das Dumping unattraktiv. Sobald das bestrafte Land dann die Subventionierung beendet, fallen auch die Zusatzzölle weg.

Soweit die Idee. In der Praxis aber haben 30 Jahre Staatsdumping und Strafzoll vor allem die Chinesen zu Meistern im Umgehen der Zölle gemacht. Jüngst ergab eine Studie der Renmin Universität Peking, dass die Handelsbeziehungen zwischen China, den USA und Drittländern immer dann deutlich zunahmen, wenn die USA Strafzölle gegen China verhängte. Mit anderen Worten: Wenn an der Hauptstraße die Zollschranke fällt, dann endet nicht der Handel, sondern die Schleichwege boomen.

von Simon Book, Jürgen Berke, Melanie Bergermann, Lea Deuber, Konrad Fischer, Matthias Kamp, Silke Wettach

Die Methode Vietnam ist dabei einer der Klassiker. Laut den Untersuchungen der EU-Kommission, die sich den Anti-Dumping-Zöllen der USA 2015 angeschlossen hatte, wurde der Stahl aus China zunächst in eine Freihandelszone in Vietnam gebracht, dort umdeklariert und aus vietnamesischer Stahl nach Europa und in die USA weitergeleitet. „Transshipment“ nennen die Experten das. Es ist die simpelste und deshalb auch am einfachsten zu durchschauende Form der Schummelei.

Ein bisschen komplizierter ist da schon der Weg, den der chinesische Aluminiumkonzern Zhongwang offenbar gegangen ist. Der Konzern, so zumindest beklagt es der Verband der US-Aluminiumindustrie, schickte seine Produkte ebenfalls nach Vietnam an die dortige Tochterniederlassung. Da wurden die Produkte dann eingeschmolzen und zu anderen Aluminiumteilen gegossen – danach gingen sie als vietnamesische Produkte in die USA.

Ein anderer Vorwurf, der Zhongwang gemacht wird: Der Konzern soll seine Aluprodukte in kleineren Einheiten, die nicht vom Strafzoll betroffen waren, in die USA gesendet haben. Dort wurden sie dann im eigenen Werk zum Strafzoll-Produkt zusammengefügt.

Der Trick mit den Feuerzeugen

Ob die konkreten Vorwürfe nun zutreffen mögen oder nicht, sie zeigen doch die Kreativität vieler chinesischer Firmen. Als besonders einfallsreicher Trick zur Strafzollumgehung ist bis heute der Fall der „Taschenfeuerzeuge“ (Pocket flint lighters case) in Erinnerung geblieben. Als die Europäische Kommission 1995 Anti-Dumping-Zölle auf diese Feuerzeuge erließ, reagierten die chinesischen Produzenten mit einer Produktveränderung: Sie verpassten ihren Feuerzeugen einen kleinen Nachfülltank. Sie konnten die Feuerzeuge sodann umfirmieren, aus den Taschenfeuerzeugen wurden „Wiederbefüllbare Feuerzeuge“, auf die kein Strafzoll stand. Dass diese von den Kunden trotzdem als Wegwerfware betrachtet wurden, spielte dann keine Rolle mehr. Immerhin zwei Jahre brauchte die EU, um dem Trick auf die Schliche zu kommen.

Um mit ihren Strafzöllen Erfolg zu haben, genügen deshalb wohl keine Präsidialverordnungen. Entscheidend ist vielmehr der Aufwand, den ein Land treibt, um den Betrügern auf die Schliche kommt.

Wie es gehen kann, demonstrierte jüngst der Aluminiummanager Jeff Henderson aus Kalifornien. Der hatte das Gerücht zugetragen bekommen, ein chinesischer Aluminiumhersteller verschiffe seine Produkte nach Mexiko, lagere sie dort in einer abgelegenen Fabrik in der Wüste schmelze sie in kleine Teile und schaffe sie dann als mexikanische Warensteuerfrei in die USA. Henderson heuerte einen Piloten an, lies ihn über das Gebiet fliegen und Fotos schießen. Darauf zu sehen: Aluminiumteile im Wert von zwei Milliarden Dollar.

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