Trumps Iran-Äußerungen Plötzlich Mahner der Menschenrechte

US-Präsident Donald Trump verteidigt überraschend Regimegegner im Iran – viel klarer als sein Vorgänger Barack Obama. Dahinter steckt auch Eigennutz, denn Trump verfolgt im Iran strategische Ziele.

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Trump und Iran: Plötzlich Mahner der Menschenrechte Quelle: dpa

Washington Einen prominenteren Fürsprecher könnten sich die Demonstranten im Iran kaum vorstellen. Angesichts der Massenproteste gegen die Regierung in Teheran versicherte US-Präsident Donald Trump den Regimegegnern in den vergangenen Tagen mehrfach seiner Unterstützung. Das iranische Volk werde seit vielen Jahren unterdrückt, twitterte Trump etwa. Es sei „hungrig nach Nahrung und Freiheit“. Er habe großen Respekt vor dem iranischen Volk, schrieb der Präsident in einer weiteren Nachricht. Man werde „große Unterstützung durch die Vereinigten Staaten zu angemessener Zeit“ sehen.

Präsident Trump entdeckt die Menschenrechte. Das kommt unerwartet. Im ersten Jahr seiner Regierungszeit stand dieses Thema nicht ganz oben auf seiner außenpolitischen Agenda.

Dass er nun mit Blick auf die Proteste im Iran die Bedeutung universeller Menschenrechte so hervorhebt, dürfte gleichwohl nicht nur mit einer neu entdeckten Sensibilität für das Leid der Unterdrückten zusammenhängen. Denn die Proteste im Iran könnten es dem US-Präsidenten auch ermöglichen, seine strategischen Ziele voranzutreiben – mit Blick auf den Einfluss Teherans im Nahen Osten und auf das Abkommen über das iranische Atomprogramm. Der iranische Botschafter bei den Vereinigten Nationen warf Trump und seinem Vizepräsidenten Mike Pence in der Nacht sogleich vor, durch mehrere „absurde Tweets“ die Iraner ermutigt zu haben, sich an Unruhen zu beteiligen. Gholamali Choschroo sagte in einem Brief an den Präsidenten des UN-Sicherheitsrats, die USA hätten sich „auf groteske Weise in die inneren Angelegenheiten des Irans“ eingemischt.

Trump ist bei weitem nicht der erste Staatschef, der sich ein Bekenntnis zu Menschenrechten und die Unterstützung von Demonstranten taktisch zu Nutze macht. Auch sein Vorgänger Barack Obama wog sehr genau ab, welchem Aufstand er seine Rückendeckung zusicherte. So hielt sich Obama etwa zurück, als im Jahr 2009 zuletzt Proteste im Iran ausbrachen, zwei Jahre später sagte er hingegen den Demonstranten auf dem Kairoer Tahrir-Platz seiner Unterstützung zu.

Auch gelingt es Staats- und Regierungschefs auf der ganzen Welt, über Menschenrechtsverletzungen hinwegzusehen, wenn ihre strategischen Interessen bedroht werden. Mehr als ein paar karge Sätze bei offiziellen Besuchen sind in diesen Fällen die Ausnahme.

Doch bei Trump ist die Kehrtwende offensichtlicher. Während der Präsident zu zahlreichen westlichen Staats- und Regierungschef ein eher unterkühltes Verhältnis pflegt, schien er sich in den vergangenen Monaten vor allem in der Gesellschaft autoritärer Herrscher wohlzufühlen. Bei seiner ersten Auslandsreise nach Saudi-Arabien betonte er: „Wir sind nicht hier, um Ratschläge zu erteilen.“ Die Menschenrechtslage im Königreich erwähnte er nicht.

Dabei blieb es nicht. Trump scherzte in Hamburg mit Russlands Präsident Wladimir Putin über störende Journalisten, lobte die „großartigen Beziehungen“ zum philippinischen Staatschef Rodrigo Duterte, gratulierte dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan zum Sieg bei dem umstrittenen Verfassungsreferendum und zeigte sich zufrieden über die „großartige Chemie“, die ihn mit Chinas starkem Mann Xi Jinping verbinde. Mit Menschenrechtsfragen belästigte er seine Gesprächspartner hingegen nur äußerst selten – wenn überhaupt.

Umso überraschender nun die Töne, die Trump mit Blick auf die Unruhen im Iran anschlägt. Das Ziel der US-Regierung sei nicht etwa ein Regimewechsel in Teheran, sondern, „dass die Bürger des Iran tatsächlich ihre Menschenrechte erhalten“, so Regierungssprecherin Sarah Huckabee Sanders. Allerdings dürften zusätzlich noch weitere Überlegungen eine Rolle spielen.


Vehikel für Bruch mit Iran-Abkommen

Trump sieht im Iran einen seiner Hauptgegner auf der Weltbühne. Bereits im Wahlkampf machte er deutlich, dass er das Regime in Teheran wegen dessen Unterstützung für Terrororganisationen wie die libanesische Hisbollah für eine existenzielle Bedrohung der Stabilität im Nahen Osten hält. An dieser Haltung hat sich nichts geändert. Es ist eine der wenigen Konstanten in Trumps bisheriger Außenpolitik.

Während sein Vorgänger Obama häufig den Ausgleich mit dem iranischen Regime suchte, setzt Trump auf Konfrontation. Bereits im vergangenen Frühjahr sagte er den sunnitischen Staaten wie Saudi-Arabien seine Unterstützung in der Auseinandersetzung mit dem Iran zu. Dieser Kurs wird auch von Israel unterstützt, dem engsten Verbündeten der USA in der Region.

Angesichts dieser Ausgangslage kann den USA eine durch innere Konflikte geschwächte Regierung in Teheran nur recht sein. Auch könnte die brutale Reaktion des iranischen Regimes auf die Demonstrationen, die bereits mehr als 20 Menschen das Leben kostete, Trump das Erreichen eines weiteren Ziels erleichtern: die Aufkündigung des Atomdeals.

Die Gelegenheit dafür bietet sich bereits in wenigen Tagen. Nachdem Trump im Oktober darauf verzichtet hatte, das Abkommen zu bestätigen, läuft in der kommenden Woche eine Frist ab, in der die US-Regierung den weiteren Verzicht auf Iran-Sanktionen beschließen muss. Tut sie es nicht, treten derzeit aufgeschobene Strafmaßnahmen gegen Teheran in Kraft. Es wäre das Ende des Deals.

Beobachter halten es durchaus für möglich, dass Trump dieses Risiko eingeht. Der Präsident werde nicht weiter Geld an Diktatoren fließen lassen, während die Bevölkerung auf den Straßen protestiert, so Richard Goldberg vom Think Tank „Foundation for Defence of Democracies“ gegenüber dem US-Medium „Politico“. Unterstützer des Deals hoffen hingegen, dass Trump auf diesen letzten Schritt verzichtet.

Dass sich der Iran der Internationalen Energiebehörde zu Folge an die Parameter des Atomabkommens hält, scheint in der Kalkulation des US-Präsidenten hingegen keine Rolle zu spielen. Schon als er eine weitere Bestätigung des Deals ablehnte, bezog sich Trump vor allem darauf, dass Teheran gegen den „Geist“ des Abkommens verstoße.

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