Trumps Rede zur Lage der Nation „Ich hoffe, Sie genießen es“

In seiner ersten Rede zur Lage der Nation will der US-Präsident seine Erfolge feiern. Doch Donald Trump trifft auf ein zunehmend feindseliges Publikum. Wie die Demokraten im Kongress dagegen halten wollen.

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Donald Trump zur Lage der Nation: „Hoffe, Sie genießen es“ Quelle: AP

Washington Einen Tag vor seinem großen Auftritt schraubte Donald Trump die Erwartungen noch einmal in die Höhe. Er werde eine „wichtige Rede“ halten, sagte er am Montag mit Blick auf seinen ersten Bericht zur Lage der Nation. Trump kündigte einen Appell an Demokraten und Republikaner an, etwa in der Einwanderungspolitik mehr zusammenzuarbeiten. Auch wolle er die Erfolge seiner bisherigen Amtszeit unterstreichen. „Ich hoffe, Sie genießen es“, so der US-Präsident.

Damit erhöhte Trump nur Stunden vor seinem Auftritt vor beiden Kammern des US-Kongresses noch einmal den Druck auf seine Mitarbeiter. Der ist allerdings ohnehin schon groß genug. Schließlich gehört die jährliche Rede zur Lage der Nation zu den wichtigsten Ritualen im Kalender der US-Hauptstadt.

Es ist bereits das zweite Mal, dass Trump eine Rede im Kapitol hält. Schon im vergangenen Jahr wandte er sich an die Mitglieder des Repräsentantenhauses und des Senats. Offiziell galt dieser Auftritt jedoch nicht als Rede zur Lage der Nation. Diesen in der Verfassung verankerten Titel bekommt traditionell erst der zweite Auftritt eines neuen Präsidenten vor dem Kongress.

Das Interesse an der Rede ist riesig. Für gut eine Stunde schauen Millionen Menschen auf der ganzen Welt nach Washington, um die Politikschwerpunkte der US-Regierung zu erfahren. Auch im Land ist die Aufmerksamkeit groß. Trumps erste Rede vor Senat und Repräsentantenhaus hatten mehr als 47 Millionen Amerikaner am Fernseher verfolgt.

Damit bei Trumps Rede auch wirklich jeder Satz sitzt, feilt sein Mitarbeiterstab bis zur letzten Minute intensiv an der endgültigen Fassung. In der vergangenen Woche ging eine erste Version zur Abstimmung an Mitglieder des Kabinetts und an Trumps wichtigste Berater. Der Präsident selbst gab bis in diese Woche hinein Anmerkungen und Änderungswünsche an seinen Redenschreiber Stephen Miller.

Es ist nicht das erste Mal, dass Millers Arbeit unter besonderer Beobachtung steht. Er schrieb federführend auch die Rede für Trumps Auftritt vor dem Kongress im vergangenen Jahr, sowie die viel kritisierte Antrittsrede des Präsidenten. Damals zeichnete Trump ein düsteres Bild der Gesellschaft, sprach vom „amerikanischen Gemetzel“, das er beenden werde. Die Verantwortung für diesen negativen Ton wurde vor allem Miller zugeschrieben, der eng mit Trumps Ex-Chefstrategen Stephen Bannon zusammengearbeitet hatte und bis heute zu den einflussreichsten Beratern des Präsidenten zählt.

Dieser negative Ton soll sich allerdings nicht wiederholen. Man plane eine optimistische Rede, ließ das Weiße Haus am Wochenende streuen. Oberthema soll der Aufbau eines „sicheren, starken und stolzen Amerikas“ sein, heißt es in einer E-Mail, die an Trumps konservative Mitstreiter verschickt wurde. Der Präsident werde über sein erfolgreiches erstes Jahr sprechen – und darüber, wie seine Politik das Leben aller Amerikaner verbessere.


Gäste der Demokraten sollen Trump aus dem Konzept bringen

Um diese Botschaft zu unterstreichen, hat das Weiße Haus auch in diesem Jahr wieder Gäste eingeladen, die während der Rede zusammen mit First Lady Melania Trump auf der Ehrentribüne des Kapitols platznehmen werden. Auch das gehört seit Jahrzehnten zu den Ritualen rund um die Rede zur Lage der Nation.

Unter Trumps Gästen befinden sich diesmal mehrere Katastrophenhelfer, die etwa während der Stürme in Texas oder der Waldbrände in Kalifornien zahlreichen Menschen das Leben retteten, verdiente Soldaten, die durch besonderen Einsatz aufgefallen sind, aber auch die Eltern von zwei Mädchen, die von einer gewalttätigen Gang umgebracht wurden und einige Geschäftsleute, die von Trumps Steuerreform profitieren. Auch ein Polizist, der das Baby von Opioid süchtigen Eltern adoptierte, wird auf der Tribüne sitzen.

Wenn Trump über das Leben dieser Amerikaner spricht, ist ihm der Applaus des gesamten Kongresses sicher. Ansonsten dürfte er es schwer haben, die oppositionellen Demokraten auf seine Seite zu ziehen. Denn der Graben zwischen den Parteien in Washington ist derzeit sehr tief.

Die inhaltlichen Unterschiede zur Regierung wird der Abgeordnete Joe Kennedy herausstellen. Er hält die traditionelle Gegenrede der Oppositionspartei, die im Anschluss an Trumps Auftritt im Fernsehen ausgestrahlt wird. Doch die Demokraten wollen Trump auch im Kapitol zeigen, dass sie mit seinen Politikzielen und seiner Amtsführung nicht einverstanden sind.

Mehrere Kongressabgeordnete haben bereits angekündigt, der Rede fernzubleiben. Zahlreiche weitere wollen in Schwarz gekleidet kommen, um Solidarität mit den Opfern sexueller Übergriffe zu demonstrieren. Auch haben mehrere Demokraten Vertreter von Opfervereinigungen als ihre Gäste eingeladen. Präsident Trump wurde von mindestens 19 Frauen wegen sexueller Übergriffe beschuldigt.

Auch andere Gäste der Demokraten scheinen gezielt ausgewählt, um Trump aus dem Konzept zu bringen. Senatorin Kirstin Gillibrand etwa wird die Rede in Begleitung von Yulín Cruz hören, der Bürgermeisterin von San Juan in Puerto Rico. Cruz hatte Trumps Krisenmanagement kritisiert, nachdem ein Tropensturm Puerto Rico verwüstete. Der Präsident hatte sie daraufhin bei Twitter beschimpft. Auch Gillibrand wurde von ihm bereits auf dem Kurznachrichtendienst herabgewürdigt.

Dass die Demokraten Trump jedoch tatsächlich provozieren können, ist eher unwahrscheinlich. Der Präsident ist durchaus in der Lage, eine Rede vom Teleprompter abzulesen. Das bewies er zuletzt bei seinem Auftritt in Davos, aber auch bei seiner ersten Kongressansprache vor einem Jahr. Nach den ersten chaotischen Wochen seiner Präsidentschaft sagten Beobachter damals voraus, dass Trump doch noch zu einem relativ herkömmlichen Staatsoberhaupt werden könnte. Lange hielt diese Hoffnung allerdings nicht an.

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