Tschechien Ministerpräsident stellt nach Betrugsvorwürfen die Vertrauensfrage

Bei der Vertrauensabstimmung steuert der tschechische Ministerpräsident Babis in eine sichere Niederlage. Wegen Betrugsvorwürfen will niemand mit ihm in eine Koalition gehen. Nun wurde die Entscheidung erstmal vertagt.

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Der tschechische Ministerpräsident hat die Vertrauensfrage gestellt. Quelle: Reuters

Prag Inmitten eines Betrugsskandals hat der neue tschechische Ministerpräsident Andrej Babis die Vertrauensfrage gestellt. Der Gründer der liberal-populistischen ANO-Partei verteidigte am Mittwoch vor dem Abgeordnetenhaus seine Entscheidung, ein Minderheitskabinett ohne Partner zu bilden. „Wir haben uns entschlossen, keine Zeit zu verlieren und zu arbeiten“, sagte der 63 Jahre alte Multimilliardär.

Nach einem achtstündigen Redemarathon wurde die Entscheidung auf kommende Woche vertagt. Die Debatte vor der Vertrauensabstimmung soll am Dienstagnachmittag fortgesetzt werden. Beobachter gingen übereinstimmend davon aus, dass Babis im ersten Anlauf scheitert, aber kommissarisch weiter im Amt bleibt.

Keine der übrigen acht Parteien will die Alleinregierung der populistischen ANO-Bewegung unterstützen - weil die Polizei gegen Babis wegen des Verdachts des Betrugs bei EU-Subventionen ermittelt. Die ANO-Partei verfügt seit der Parlamentswahl von Ende Oktober über 78 der 200 Sitze.

In einer Rede vor dem Parlament sicherte Präsident Milos Zeman indes dem Kabinett seine Unterstützung zu. Er nahm Babis gegen die strafrechtlichen Vorwürfe in Schutz. „Seit den Zeiten der alten Römer gilt das Prinzip der Unschuldsvermutung“, sagte der 73-Jährige. Zeman bekräftigte, dass er dem ANO-Gründer im Falle des Misstrauens eine zweite Chance zur Regierungsbildung geben werde. Der Präsident stellt sich in wenigen Tagen selbst zur Wiederwahl durch das Volk. Seine fünfjährige Amtszeit endet im März.

Oppositionspolitiker kritisierten die Rolle des Präsidenten. „Ein Lügner empfiehlt uns einen Lügner und mutmaßlichen Dieb“, sagte Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek von der konservativen Partei TOP09. Von einem „Diktat der ANO“ sprach der Chef der Sozialdemokraten, der frühere Innenminister Milan Chovanec.

Die Polizei wirft Babis vor, als Großunternehmer vor zehn Jahren EU-Subventionen für sein Wellness-Resort „Storchennest“ südlich von Prag erschlichen zu haben. Auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) hatte jüngst „Unregelmäßigkeiten“ festgestellt. Das Parlament muss demnächst über die Aufhebung der Straffreiheit des Regierungschefs entscheiden.

In seiner Rede zum Regierungsprogramm bekräftigte Babis die Entschlossenheit seines Kabinetts, gegen die EU-Quoten zur Umverteilung von Asylbewerbern zu kämpfen. „Wir wollen in Europa zu sehen sein und werden unsere Interessen verteidigen“, sagte er. Zudem versprach er kostenlose Bahnfahrten für Senioren, Schüler und Studenten sowie eine Reform des staatlichen Rentensystems.

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