
Das berichtet die WirtschaftsWoche. So wollen Transparency International Deutschland der Bund für Umwelt und Naturschutz zusammen mit einigen Mitstreitern eine Liste all jener Standards und Vorschriften erstellen, die in den Verhandlungen mit den USA nicht zur Disposition stehen. Die Vorsitzenden beider Organisationen, Edda Müller und Hubert Weiger, wollen eine solche Liste in der nächsten Sitzung des neu gegründeten TTIP-Beirats beim Bundeswirtschaftsminister vorlegen. „Die Vielfalt des nicht patentierten Saatguts“ gehöre ebenso dazu wie „die kulturelle Vielfalt der Landnutzung“, sagte BUND-Präsident Weiger der WirtschaftsWoche. In Europa sei die Landwirtschaft „bäuerlich geprägt, wir haben hier keine Farm-Strukturen“.
Die Kritik insbesondere von Umwelt- und Verbrauchergruppen an dem Abkommen – Stichwort Chlorhähnchen – hat jetzt vor allem mittelständische Unternehmen, den DIHK und den Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) aufgeschreckt. „Ziel von TTIP ist die Annäherung industrieller Standards und Zollverfahren, nicht aber die Senkung von Verbraucherschutzstandards“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer der WirtschaftsWoche.
Die aktuelle Debatte über das Freihandelsabkommen sei ein klarer Fall von Fehlinformation. Politik, Wirtschaft, Medien und auch die Vertreter der Zivilgesellschaft seien gefragt, die Ziele des Abkommens „klarer zu kommunizieren und so bestehende Verunsicherung bei den Verbrauchern aufzulösen“, so Schweitzer. Viele Menschen wüssten nicht, „wie viele Formalitäten und damit verbundene Kosten deutsche Unternehmen im transatlantischen Handel bewältigen müssen. Die deutsche Wirtschaft und insbesondere der Mittelstand haben daher hohe Erwartungen an TTIP.“
Auch der Außenhandel hat erkannt, dass er stärker in die Debatte eingreifen muss. „Es steht nicht zur Debatte, dass sich die Amerikaner durchsetzen und auf dem Pariser Platz, auf den Champs-Élysées oder auf der Piazza Navona eine Rodeo-Show aufführen“, so BGA-Präsident Anton Börner. Vielmehr gehe es um die prägende Vorherrschaft westlicher Werte, „ob unsere Gesellschaft, die durch Freiheit, Individuum und Persönlichkeitsrechte geprägt ist, künftig die gesellschaftlichen Normen setzt.“ Der Westen müsse mit dem Abkommen ein Zeichen setzen. „Sonst droht die Gefahr, dass totalitär geprägte Gesellschaften die globale Zukunft bestimmen. Diese Chance, eine freiheitliche Weltordnung zu prägen und zu erhalten, sollte man nicht durch kleinliche Debatten über Chlorhühnchen gefährden.“
Gesundheitssektor streitet über Freihandelsabkommen TTIP
Krankenkassen und Ärzte in Deutschland bewerten die Chancen und Risiken des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP völlig unterschiedlich. „Die Verhandlungen sind für unseren Beruf äußerst problematisch“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, der WirtschaftsWoche. Standards für ärztliches Handwerk würden abgesenkt, zudem erwartet er Vorgaben für Behandlungen – zum Beispiel, wie eine Mund-Kiefer-Spalte zu operieren sei. Auch bei der Schönheitschirurgie drohten enge Normen. Unsinn sei es auch, etwa neben den Chirotherapeuten, die Ärzte sein müssen, den Chiropractor als Berufsstand zu etablieren. „Ein arztgleicher Beruf macht keinen Sinn“, sagt Montgomery. Zudem drohe der Ausverkauf des deutschen Gesundheitswesens: „Amerikanische Investoren könnten reihenweise Kliniken, medizinische Versorgungszentren oder Apotheken aufkaufen.“
Die Krankenkassen erwarten dagegen erhebliche Verbesserungen durch eine Liberalisierung. Ihr Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bat bereits EU-Handelskommissar Karel De Gucht in einem Schreiben um Hilfe: Die Prüfverfahren für Implantate, Prothesen und andere Medizinprodukte seien in Europa zu großzügig. Die amerikanische Zulassungsstelle FDA arbeite dagegen vorbildlich. Sie veröffentliche Daten zur Sicherheit etwa von künstlichen Herzklappen oder Stents bei verengten Blutgefäßen. Träten vermehrt Komplikationen auf, würden Einschränkungen verhängt und veröffentlicht. Der GKV-Spitzenverband argumentiert: „Besonders der Marktzugang und die Überwachung sind nach unserer Auffassung in den USA besser und transparenter geregelt als in Europa.“