Türkei Erdogan kündigt unnachgiebige Härte an

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50.000 Verdächtige sitzen in der Türkei Untersuchungshaft

Mit „Hans und George“ spielt Erdogan auf EU-Staaten wie Deutschland und Großbritannien an. Die EU hat deutlich gemacht, dass eine Wiedereinführung der Todesstrafe das Ende des Beitrittsprozesses bedeuten würde. Erdogan übte in einer dritten Ansprache nach dem Morgengebet in Ankara scharfe Kritik an der EU, der er vorwarf, die Türkei seit 54 Jahren vor der Türe stehen zu lassen. „Immer noch machen sie sich über uns lustig“, sagte Erdogan. „Die Versprechen, die sie gegeben haben, halten sie nicht.“

Erdogan kündigte an, dass Untersuchungshäftlinge, die der Beteiligung am Putschversuch beschuldigt werden, künftig Uniformen ähnlich derer der Insassen im US-Gefangenenlager in Guantanamo tragen sollten, wenn sie vor Gericht erscheinen. „Ich sage, ziehen wie denen nun, so wie in Guantanamo, eine spezielle Kleidung an und so sollen sie dann auch vor Gericht erscheinen. Herausgeputzt vor Gericht zu erscheinen, so etwas kann es nicht geben.“

Im Zusammenhang mit dem Putschversuch sitzen derzeit mehr als 50.000 Verdächtige in Untersuchungshaft. Rund 150.000 Staatsbedienstete wurden seit dem Putschversuch entlassen oder suspendiert. Erdogan forderte die Bürger dazu auf, mutmaßliche Gülen-Anhänger den Sicherheitskräften zu melden. „Jeder soll sagen, was er weiß“, sagte er. „Niemand soll sich davor scheuen, deren Namen zu nennen.“

Am Samstag war das Parlament zu einer Sondersitzung zum Gedenken an die Niederschlagung des Putsches zusammengekommen. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kritisierte die Regierung dabei scharf. „Die Justiz wurde zerstört“, sagte der Chef der kemalistischen CHP. „Statt einer schnellen Normalisierung haben sie einen bleibenden Ausnahmezustand erschaffen.“

Erdogan kündigte am Sonntagmorgen an, der Ausnahmezustand werde kommende Woche ein viertes Mal verlängert. Er erhob zugleich schwere Vorwürfe gegen Kilicdaroglu, dem er unter anderem vorwarf, gemeinsame sache mit Putschisten zu machen.

An der nächtlichen Veranstaltung vor dem Parlament in Ankara nahmen die beiden größten Oppositionsparteien - die CHP und die pro-kurdische HDP - nicht teil. In der ganzen Türkei wird am Wochenende an die Niederschlagung des blutigen Putsches vor einem Jahr erinnert. Die Gedenkveranstaltungen sollen bis Mitternacht in der Nacht zu Montag andauern.

Putschversuch in der Türkei - ein Jahr später

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