Die Reaktion in den kurdisch besiedelten Gebieten erfolgte prompt. In den Morgenstunden explodierte eine Autobombe vor einer Polizeistation in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir. Letzter Stand: Acht Tote und über 100 Verletzte.
Während seine Anhänger in Erdoğan den starken Mann sehen, breitet sich bei seinen Gegnern Resignation aus. Interviews zu bekommen, ist schwierig geworden - kaum jemand traut sich mehr, sich mit seinem Namen kritisch zu äußern.
Probleme im deutsch-türkischen Verhältnis
Im Juni 2016 beschließt der Bundestag eine Resolution, die die Gräuel an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als Völkermord einstuft. Die Türkei reagiert erbost und unter anderem mit dem Besuchsverbot für Incirlik. Kanzlerin Angela Merkel erklärt Anfang September, die Resolution sei rechtlich nicht bindend - aus Sicht Ankaras die geforderte Distanzierung von dem Beschluss. Das Besuchsverbot wird aufgehoben, doch vergessen ist die Resolution nicht.
Die Türkei hat sich verärgert darüber gezeigt, dass sich nach dem gescheiterten Putsch keine hochrangigen Mitglieder der Bundesregierung zum Solidaritätsbesuch haben blicken lassen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) plant zwar einen Besuch, der aber immer noch nicht stattgefunden hat. Der türkische EU-Minister Ömer Celik kritisiert, stattdessen seien aus Deutschland vor allem Mahnungen zur Verhältnismäßigkeit gekommen: „Bei hundert Sätzen ist einer Solidarität mit der Türkei, 99 sind Kritik.“
Ankara droht immer wieder damit, die Zusammenarbeit mit der EU in der Flüchtlingskrise aufzukündigen. Hintergrund ist unter anderem eine EU-Forderung, die Türkei müsse Anti-Terror-Gesetze reformieren, damit diese nicht politisch missbraucht werden. Ohne diese Reform will die EU die Visumpflicht für Türken nicht aufheben - ohne Visumfreiheit aber fühlt sich Erdogan nicht an die Flüchtlingsabkommen gebunden.
Auf Betreiben Erdogans beschließt das türkische Parlament, vielen Abgeordneten die Immunität zu entziehen. Betroffen ist vor allem die pro-kurdische HDP, die Erdogan für den verlängerten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK hält. Parlamentariern droht Strafverfolgung - für Merkel „Grund tiefer Besorgnis“. Apropos PKK: Ankara fordert ein härteres Vorgehen gegen PKK-Anhänger in der Bundesrepublik, wo die Organisation ebenfalls verboten ist.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem Putschversuch und dem anschließend verhängten Ausnahmezustand auf Platz 151 von 180 Staaten. Seitdem sind Dutzende weitere Medien geschlossen worden. Für Aufregung sorgt zudem, dass der türkische Sportminister Ende September die Aufnahme eines Interviews mit der Deutschen Welle konfiszieren lässt. Die Deutsche Welle klagt auf Herausgabe.
Ankara fordert von Deutschland die Auslieferung türkischer Anhänger des Predigers Fethullah Gülen, den die Regierung für den Putschversuch von Mitte Juli verantwortlich macht. Neuer Streit ist damit programmiert.
Wirtschaftlich wird der Schaden immer spürbarer: Die Lira fällt - zwar langsam, aber stetig. Ein Euro ist jetzt knapp 3,5 türkische Lira wert. 2012 waren es noch 2,5 Lira. Auch der türkische Leitindex notierte am Freitagmittag mit 2,5 Prozent im Minus.
Für die Investitionsentscheidungen großer Dax-Konzerne sind die aktuellen Entwicklungen nicht ausschlaggebend. Wohl aber überlegen sich Mittelständler und kleinere Unternehmen, ob sie in ein Land investieren wollen, dass Gefahr läuft, gerade in eine Diktatur umgebaut zu werden.
Helena Schönbaum ist Vorsitzende des Business-Networks Antalya und hat den Tourismus im Blick. Sie ist besorgt über die Entwicklungen - nicht für deutsche Touristikunternehmen: "Die Stimmung unter den Unternehmern ist natürlich schlecht. Gerade wenn sich die Lage wieder zu beruhigen scheint, passiert wieder etwas. Die Arbeitslosigkeit liegt in manchen Regionen bei 40 Prozent. Auch das Wintergeschäft bricht weg: Letztes Jahr kamen so gut wie alle deutschen Bundesliga-Mannschaften zum Trainingslager. Für diese Saison haben alle abgesagt."
Schönbaum hat den Eindruck, dass es der türkischen Führung mittlerweile egal geworden ist, welche wirtschaftlichen Auswirkungen ihre Politik hat. "Es sieht nicht aus, als ob es besser werden würde", sagt ein Manager eines deutschen Unternehmens, namentlich genannt werden möchte er nicht.
Erdoğan kümmert sich mittlerweile weder um die Reaktionen aus dem Ausland, noch um die Konsequenzen seiner Politik im Inland. Das Land isoliert sich.