Erdogan schießt gegen Deutschland
Ein Jahr nach dem Putschversuch in der Türkei hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ein unnachgiebiges Vorgehen gegen die Putschisten und deren Hintermänner angekündigt. „Sowohl die elenden Putschisten als auch jene, die sie auf uns gehetzt haben, werden von nun an keine Ruhe mehr finden“, sagte Erdogan bei einer Ansprache am Sonntagmorgen vor dem Parlament in Ankara. Er bekräftigte zugleich seine Bereitschaft zur Wiedereinführung der Todesstrafe, wofür eine Verfassungsänderung nötig wäre.
Bei einer Gedenkfeier in Istanbul hatte Erdogan kurz zuvor gesagt, er wisse, wer hinter Terrororganisationen wie der Gülen-Bewegung, der kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stehe. „Diesen Verrätern werden wir zuerst die Köpfe abreißen.“ Es werde „kein Verräter ungestraft“ bleiben. Erdogan macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Gülen weist das zurück.
Parlamentspräsident Ismail Kahraman nannte Gülen einen „geisteskranken Schizophrenen“ und sagte: „Volk, Fahne, Koran, Glaube, Gebetsruf, Freiheit, Unabhängigkeit sind unsere Ehre, unsere Würde. Denjenigen, die unsere Werte angreifen, brechen wir die Hände, schneiden ihnen die Zunge ab und vernichten ihr Leben.“ Kahraman gehört der Regierungspartei AKP an, der Erdogan vorsteht.
Das ist die Gülen-Bewegung
Der heute 75-jährige Prediger Fethullah Gülen hat sich ursprünglich als einflussreicher islamischer Prediger einen Namen gemacht. Bis in die Achtzigerjahre hinein wirkte er als Iman in verschiedenen türkischen Städten. Mit seinen Predigten und Büchern über den Islam, über Bildungs- und Wissenschaftsfragen soziale Gerechtigkeit und interreligiösen Dialog begeisterte Gülen viele Gläubige. Seit 1999 lebt der gesundheitlich angeschlagene Prediger im US-Staat Pennsylvania. Er war nach einer Anklage wegen staatsgefährdender Umtriebe emigriert.
Gülen steht hinter der Bewegung Hizmet („Dienst“). Hizmet sieht einen ihrer Schwerpunkte in der Verbesserung von Bildungschancen.
Für die meisten innenpolitischen Krisen macht Präsident Recep Tayyip Erdogan seit längerem die mächtige Bewegung Gülens mitverantwortlich. Erdogan wirft seinem einstigen Verbündeten vor, einen Staat im Staate errichten zu wollen und seinen Sturz zu betreiben. Die Regierung geht massiv gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vor, die sie vor allem bei der Polizei und in der Justiz vermutet. Die Gülen-Bewegung wurde zur Terrrororganisation erklärt, viele ihrer führende Köpfe stehen auf einer Liste der meistgesuchten Terroristen der Türkei.
Erdogan betonte in Ankara, einem Gesetz zur Wiedereinführung der Todesstrafe würde er sofort zustimmen. „Wenn es ins Parlament kommt - und ich glaube daran, dass es vom Parlament verabschiedet wird - und wenn es vom Parlament verabschiedet wird und zu mir kommt, werde ich das ohne Zögern bewilligen“, sagte er. „Und ich persönlich achte nicht darauf, was Hans und George dazu sagen. Ich achte darauf, was Ahmet, Mehmet, Hasan, Hüseyin, Ayse, Fatma und Hatice sagen.“