Türkei Erdogan wirft dem Westen Unterstützung von Putschisten vor

Die Türkei geht im eigenen Land gnadenlos gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vor, die hinter dem Putschversuch stecken sollen. Nun fordert sie auch das Ausland dazu auf. Erdogan vermutet sogar, dass der Westen mit den Putschisten unter einer Decke steckt.

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Scharfe Töne aus Deutschland
Elmar BrokDer CDU-Europapolitiker Elmar Brok hält die Forderungen der Türkei zur Einführung der Visumfreiheit für legitim. „Die Türkei hat bislang ihren Teil im Flüchtlingsdeal erfüllt. Jetzt mahnt sie an, dass die EU auch ihren Teil erfüllt. Das ist legitim“, sagte Brok der Online-Zeitung „Huffington Post“. Fakt sei aber auch, dass die EU keine Visumfreiheit geben könne, wenn die Türkei gegen Grundrechte verstoße. „Wir sollten die übrigen zwei Monate nutzen, mit der Türkei in Ruhe zu verhandeln“, sagte Brok. Ohne das Abkommen mit Ankara kämen wieder Millionen Flüchtlinge nach Europa. Quelle: dpa
Frank-Walter SteinmeierBundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier will mit der Türkei über Visumfreiheit erst sprechen, wenn die Regierung alle Auflagen dafür erfülle. „Es gibt Bedingungen für die Visafreiheit, und diese sind allen Seiten bekannt“, sagte der SPD-Politiker der „Rheinische Post“ (Dienstagsausgabe). Die Türkei habe sich verpflichtet, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um diese Bedingungen zu erfüllen. „Das ist momentan allerdings noch nicht der Fall und die Türkei hat da noch Arbeit vor sich.“ Quelle: AP
Katrin Göring-EckardtDie Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat sich für ein Aussetzen der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara ausgesprochen. „Solange die Türkei sich im Ausnahmezustand befindet, kann es definitiv keine weiteren Beitrittsverhandlungen geben“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). „Auch das EU-Türkei-Abkommen steht zur Disposition“, sagte sie mit Blick auf den Flüchtlingspakt. Die Bundesregierung dürfe nicht „kurzfristige Interessen in der Flüchtlingsfrage über das Wohl von 80 Millionen“ Türken stellen, sagte Göring-Eckardt. Kanzlerin Angela Merkel müsse das direkte Gespräch mit Präsident Recep Tayyip Erdogan sowie der Opposition suchen und Ankara deutlich machen, dass der Rechtsstaat umgehend wieder hergestellt werden müsse. Quelle: dpa
Sevim DagdelenDie Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen forderte erneut Sanktionen gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. „Wir brauchen wegen seiner brutalen Verfolgungspolitik mit Folter und Massenverhaftungen in der Türkei endlich Sanktionen gegen Erdogan. Seine Konten müssen gesperrt werden“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Quelle: dpa
Sigmar GabrielDas harsche Vorgehen der türkischen Regierung gegen ihre Gegner nach dem Putschversuch reißt immer tiefere Gräben zu Europa auf. In einer gereizten Atmosphäre stellte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Montag den Flüchtlingspakt zwischen der EU und seinem Land infrage und forderte ultimativ die versprochene Visumfreiheit für Türken. Die Antwort kam prompt: „In keinem Fall darf sich Deutschland oder Europa erpressen lassen“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Ähnlich äußerte sich auch CDU-Vize Thomas Strobl. „So haben Staaten nicht miteinander umzugehen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). Quelle: dpa
Mevlut CavusogluDie türkische Regierung hat Befürchtungen in der EU genährt, dass sie den Flüchtlingspakt mit der Union aufkündigen und damit eine neue Zuwanderungswelle nach Europa auslösen könnte. Außenminister Mevlut Cavusoglu setzte der Europäischen Union am Sonntag ein Ultimatum zur Aufhebung der Visumspflicht. Das Flüchtlingsabkommen funktioniere, weil sein Land "sehr ernsthafte Maßnahmen" ergriffen habe, etwa gegen Menschenschmuggler, sagte Cavusoglu der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Montagausgabe) nach einer Vorabmitteilung. "Aber all das ist abhängig von der Aufhebung der Visumpflicht für unsere Bürger, die ebenfalls Gegenstand der Vereinbarung vom 18. März ist", sagte er. Quelle: AP

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat dem Westen vorgeworfen, Putschisten und Terrorismus zu unterstützen. „Die von denen wir dachten, sie seien unsere Freunde, schlagen sich leider auf die Seite der Putschisten und Terroristen“, sagte Erdogan am Dienstag vor Wirtschaftsvertretern in Ankara. Der Putschversuch vom 15. Juli sei nicht nur in der Türkei, sondern auch im Ausland geplant worden.

Die türkische Führung macht den in den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch verantwortlich. „Und ich muss klar und deutlich sagen, dass hinter dieser Putschbewegung, die gegen uns gerichtet war, Kräfte stecken, die den Aufschwung der Türkei ohnehin nicht ertragen können“, sagte Erdogan mit Blick auf den Westen. Der Putsch sei in der Türkei versucht worden, das „Szenario“ jedoch sei im Ausland geschrieben worden.

Edogan warf Deutschland erneut vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen. Während PKK-Anführer auf vergangenen Demonstrationen per Video zugeschaltet werden durften, sei ihm selbst bei der Kundgebung in Köln eine solche Live-Zuschaltung verweigert worden.

Wie wirkt der Ausnahmezustand in der Türkei über die Grenzen hinaus?

Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Terrororganisation. Seit dem Putschversuch wurden Gülen-Einrichtungen geschlossen und Tausende Menschen verhaftet, entlassen oder suspendiert, denen Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wird.

Der Parlamentspräsident Ibrahim Kahraman forderte am Dienstag vor Journalisten in Ankara, es müsse auch weltweit gegen Aktivitäten der Gülen-Bewegung vorgegangen werden. Außerdem müsse die Bewegung in den Ländern, in denen sie aktiv sei, zur Terrororganisation erklärt werden.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte Pakistan am Dienstag dazu aufgefordert, gegen Schulen des Predigers Gülen in Pakistan vorzugehen. Dort gibt es laut Medienrichten landesweit 21 Gülen-„Eliteschulen“. Ein offizielle Stellungnahme von pakistanischer Seite gab es dazu zunächst nicht.

Indonesien - das bevölkerungsreichste muslimische Land - widersetzte sich am Dienstag der türkischen Aufforderung, neun mutmaßliche Gülen-Schulen zu schließen. „Die genannten Schulen haben seit 2015 keine türkischen Verbindungen mehr“, teilte das Außenministerium in Jakarta am Dienstag mit. „Alle Schulen unterliegen indonesischen Vorschriften.“

Unterdessen gingen die Behörden in der Türkei weiter gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vor. Die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, 50 Mitarbeiter der medizinischen Militärakademie in Ankara seien festgenommen worden. Aus Regierungskreisen hieß es, nach 98 weiteren werde gefahndet, darunter seien Militärärzte. Es bestehe der Verdacht, dass Ärzte Gesundheitsberichte zugunsten von Gülen nahestehenden Soldaten manipuliert hätten, hieß es.

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