




Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat dem Westen vorgeworfen, Putschisten und Terrorismus zu unterstützen. „Die von denen wir dachten, sie seien unsere Freunde, schlagen sich leider auf die Seite der Putschisten und Terroristen“, sagte Erdogan am Dienstag vor Wirtschaftsvertretern in Ankara. Der Putschversuch vom 15. Juli sei nicht nur in der Türkei, sondern auch im Ausland geplant worden.
Die türkische Führung macht den in den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch verantwortlich. „Und ich muss klar und deutlich sagen, dass hinter dieser Putschbewegung, die gegen uns gerichtet war, Kräfte stecken, die den Aufschwung der Türkei ohnehin nicht ertragen können“, sagte Erdogan mit Blick auf den Westen. Der Putsch sei in der Türkei versucht worden, das „Szenario“ jedoch sei im Ausland geschrieben worden.
Edogan warf Deutschland erneut vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen. Während PKK-Anführer auf vergangenen Demonstrationen per Video zugeschaltet werden durften, sei ihm selbst bei der Kundgebung in Köln eine solche Live-Zuschaltung verweigert worden.
Wie wirkt der Ausnahmezustand in der Türkei über die Grenzen hinaus?
Zehntausende Soldaten und Staatsdiener sind in der Türkei bereits entlassen oder verhaftet worden. Jetzt ist der Ausnahmezustand auch offiziell verkündet. Die Situation nach dem gescheiterten Putschversuch könnte auch hierzulande spürbar werden.
Die Bundesregierung beobachtet die Vorgänge in der Türkei mit zunehmender Besorgnis. Das rigorose Vorgehen der türkischen Regierung nach dem gescheiterten Putschversuch „übersteigt eine angemessene und verhältnismäßige Antwort“, sagte Innenminister Thomas de Maizière am Donnerstag. Eine Fluchtbewegung von Oppositionellen gibt es zwar noch nicht, das kann sich aber ändern.
Quelle: dpa
Jeder, der sich politisch verfolgt fühlt, kann Asyl in Deutschland beantragen. Die Zahl der asylsuchenden Türken war bisher relativ gering. Im ersten Quartal 2016 gingen bei den Behörden gerade mal 456 Anträge ein. Das ist Platz 20 in der Rangliste der Herkunftsländer. Die Anerkennungsquote lag im vergangenen Jahr bei 1,9 Prozent und damit höher als der Durchschnitt aller Länder von 0,7 Prozent.
Das mag sein, generell kann man das aber nicht sagen. Letztlich kommt es auf den Einzelfall an - zum Beispiel ob jemand nachweisen kann, dass Freunde oder Verwandte bereits verhaftet worden sind. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl geht davon aus, dass die Behörden in Deutschland angesichts der unübersichtlichen Lage in der Türkei Entscheidungen über Asylanträge von dort zunächst zurückstellen. Das werde bei Putschversuchen oder gerade ausbrechenden Bürgerkriegen meistens so gemacht, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl.
Die Türkei hat sich dazu verpflichtet, Flüchtlinge zurückzunehmen, die versuchen, über die Ägäis nach Griechenland zu kommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht davon aus, dass die Vereinbarungen von den Ereignissen in der Türkei nicht berührt werden. Grundlage des Abkommens bleibe, „dass wir Sicherheiten haben für die Menschen, die von Griechenland zurückgeschickt werden in die Türkei“, sagte sie am Mittwochabend. „Ich habe bis jetzt keinerlei Anzeichen, dass die Türkei an dieser Stelle nicht zu den Verpflichtungen steht.“ Die Entwicklung werde aber sehr intensiv beobachtet.
Das wird nicht in Zweifel gezogen. Die Türkei ist 1952 der Nato beigetreten und damit noch vor der Bundesrepublik Deutschland. Alle drei Militärputsche in der Türkei - 1960, 1971 und 1980 - hatten keinen Einfluss auf die Nato-Mitgliedschaft. Aus Nato-Sicht ist entscheidend, dass die Türkei ihre Verpflichtungen im Verteidigungsbündnis erfüllt. Das ist bisher der Fall. Allerdings versteht sich die Nato auch als politisches Bündnis. Deswegen können auch ihr Verstöße gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit nicht egal sein.
Bisher macht die Bundesregierung keinerlei Anstalten, die 240 auf der Luftwaffenbasis Incirlik stationierten deutschen Soldaten abzuziehen. Sie sind mit „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug an den Angriffen auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beteiligt. Die Soldaten bekommen von der Lage im Land nur wenig mit, verlassen ihren Stützpunkt nur selten zu dienstlichen Zwecken. Die Zusammenarbeit mit der Türkei im Kampf gegen den IS funktioniert und wird bisher auch nicht in Frage gestellt.
Die EU hat eine rote Linie gezogen: Wird die Todesstrafe wieder eingeführt, ist für die Türkei kein Platz in der Europäischen Union. Aber auch unabhängig davon ist ein Beitritt derzeit unrealistischer denn je. Zu weit ist die Türkei von den Standards entfernt, die von der EU beim Thema Rechtsstaatlichkeit verlangt werden.
Das Grundgesetz sah ursprünglich keinen Ausnahmezustand oder Notstand vor. 1968 setzte die damalige große Koalition mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit gegen den erbitterten Widerstand der selbsternannten außerparlamentarischen Opposition (APO) 28 Grundgesetzänderungen durch, die so genannten Notstandsgesetze. Danach dürfen bei einer existenziellen Bedrohung des Bundes oder eines Landes oder bei einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung per Gesetz - also nur mit Zustimmung des Bundestages - die Freizügigkeit sowie das Brief- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt werden. Zudem darf die Bundeswehr im Inneren unter bestimmten Bedingungen eingesetzt werden.
Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Terrororganisation. Seit dem Putschversuch wurden Gülen-Einrichtungen geschlossen und Tausende Menschen verhaftet, entlassen oder suspendiert, denen Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wird.
Der Parlamentspräsident Ibrahim Kahraman forderte am Dienstag vor Journalisten in Ankara, es müsse auch weltweit gegen Aktivitäten der Gülen-Bewegung vorgegangen werden. Außerdem müsse die Bewegung in den Ländern, in denen sie aktiv sei, zur Terrororganisation erklärt werden.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte Pakistan am Dienstag dazu aufgefordert, gegen Schulen des Predigers Gülen in Pakistan vorzugehen. Dort gibt es laut Medienrichten landesweit 21 Gülen-„Eliteschulen“. Ein offizielle Stellungnahme von pakistanischer Seite gab es dazu zunächst nicht.
Indonesien - das bevölkerungsreichste muslimische Land - widersetzte sich am Dienstag der türkischen Aufforderung, neun mutmaßliche Gülen-Schulen zu schließen. „Die genannten Schulen haben seit 2015 keine türkischen Verbindungen mehr“, teilte das Außenministerium in Jakarta am Dienstag mit. „Alle Schulen unterliegen indonesischen Vorschriften.“
Unterdessen gingen die Behörden in der Türkei weiter gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vor. Die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, 50 Mitarbeiter der medizinischen Militärakademie in Ankara seien festgenommen worden. Aus Regierungskreisen hieß es, nach 98 weiteren werde gefahndet, darunter seien Militärärzte. Es bestehe der Verdacht, dass Ärzte Gesundheitsberichte zugunsten von Gülen nahestehenden Soldaten manipuliert hätten, hieß es.