Türkei Menschenrechtler und deutscher Referent festgenommen

Kurz vor Erdogans Abreise nach Deutschland nimmt die türkische Polizei erneut einen Deutschen in Gewahrsam. Zugang zu dem Festgenommenen wurde 28 Stunden lang verweigert. Die Grünen werten das als gezielte Provokation.

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Deutsche Politiker vermuten hinter den Verhaftungen „glasklare Provokation“ von Erdogan gegen Merkel. Quelle: dpa

Istanbul Die türkische Polizei hat bei einem Workshop für Menschenrechtler einen Deutschen und zehn weitere Menschen festgenommen und damit große Empörung ausgelöst. Wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Donnerstag mitteilte, handelt es sich bei den Festgenommenen um die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty, Idil Eser, sieben Menschenrechtsanwälte, sowie einen Deutschen und einen schwedischen Staatsbürger, die beide als Referenten eingeladen worden waren. Zudem sei der Direktor des Hotels, in dem der Workshop stattfand vorübergehend festgesetzt worden. Er ist inzwischen aber wieder auf freiem Fuß.

Die Polizei führte die Aktivisten am Mittwoch auf der Istanbul vorgelagerten Insel Büyükada ab, wie der türkische Menschenrechtsverein (IHD) und mehrere Medien übereinstimmend berichteten. Der IHD teilte mit, er habe nur zufällig von den Festnahmen erfahren. Thema der Konferenz war nach Angaben von Amnesty „Digitale Sicherheit und Informationsmanagement“.

Der Türkei-Experte der Organisation, Andrew Gardner, sagte der Deutschen Presse-Agentur, den Anwälten sei mehr als 28 Stunden lang der Zugang zu den Festgenommenen verweigert worden. Erst am Donnerstagnachmittag sei ihnen der Aufenthaltsort mitgeteilt worden.

Der Generalsekretär von Amnesty, Salil Shetty, sagte, die Festnahmen „werfen ein Schlaglicht auf die prekäre Situation von Menschenrechtsaktivistin im Land“. Er appellierte an die Teilnehmer des G20-Gipfels, den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Hamburg aufzufordern, alle Menschenrechtsverteidiger freizulassen.

Der Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl, Cem Özdemir, sagte, er erwarte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) , dass sie den „Willkürakt“ beim Treffen mit Erdogan am Donnerstagabend ansprechen und sich für die Freilassung der Aktivisten einsetze. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth wertete die Festnahme eines weiteren Deutschen in der Türkei als „glasklare Provokation“ von Erdogan gegen Merkel.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es: „Unsere Vertretungen in der Türkei haben Kontakt zu den türkischen Behörden aufgenommen, um gegebenenfalls eine Bestätigung der Festnahme des deutschen Staatsangehörigen zu erhalten.“ Seit dem Putschversuch im vergangenen Juli sind in der Türkei acht Deutsche inhaftiert worden. Vier von ihnen sind Doppelstaatler wie der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel, vier sind ausschließlich deutsche Staatsbürger. Der nun festgenommene Deutsche hat keinen türkischen Pass.

Anfang Juni war bereits der Leiter der türkischen Amnesty-Sektion zusammen mit einem Dutzend weiterer Anwälte in Untersuchungshaft genommen worden. Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 hatte Erdogan in der Türkei den Ausnahmezustand ausgerufen. In der Folge wurden mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen per Notstandsdekret geschlossen. Zehntausende wurden verhaftet.

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