Türkei und Reza Zarrab Brisanter Prozess in New York sorgt für Nervosität in Ankara

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Rapider Wertverlust der türkischen Lira

Analysten sahen in dem aktuellen Fall schon vor Prozessbeginn einen der Gründe für den rapiden Wertverlust der Türkischen Lira. Das Verfahren droht aber nicht nur die türkische Wirtschaft zu belasten, sondern auch die bereits angespannten politischen Beziehungen zu den USA. Die Regierung in Ankara feuert aus allen Rohren, um den Prozess zu diskreditieren, den sie für „eine klare Verschwörung gegen die Türkei“ hält. Sie vermutet dahinter den Einfluss der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 verantwortlich macht.

Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag sagte dem Sender Kanal24 am Montag: „Es ist ein absolut politischer Prozess.“ Eigentliches Ziel sei es, die Türkei als „Sanktionsbrecher“ zu verunglimpfen und Strafmaßnahmen gegen sie zu verhängen. „Und durch diese Sanktionen soll die Wirtschaft der Türkei zusammenbrechen.“ Bozdag führt die Wandlung Zarrabs vom Angeklagten zum Zeugen der Anklage auf Druck zurück - und erklärt das US-System so: „Entweder bleibst du im Gefängnis, bis du stirbst, oder du setzt deine Unterschrift unter das, was wir gesagt haben, und du gehst“, sagte Bozdag. „Er wird also nicht zum Geständnis gezwungen, sondern zur Verleumdung.“

Die Vorwürfe, die nun in New York verhandelt werden, sind nicht neu - viele Türken dürften ein Déjà-vu-Erlebnis haben: Ende 2013 geriet Erdogans Regierung bereits durch türkische Korruptionsermittlungen unter Druck, bei denen Zarrab eine zentrale Rolle spielte. Bei einer Razzia am 17. Dezember wurden Zarrab, Söhne von Caglayan und weiteren Ministern sowie der damalige Halkbank-Chef Süleyman Aslan festgenommen, der nun in New York in Abwesenheit angeklagt wird.

In regierungskritischen türkischen Medien sorgte damals nicht nur der Fund von Millionen Dollar in Schuhkartons in Aslans Wohnung für Schlagzeilen, sondern auch die Luxus-Uhr des Wirtschaftsministers im Wert von mehreren Hunderttausend Euro, die er von Zarrab erhalten haben soll. Erdogan bildete das Kabinett um, Caglayan und drei weitere Minister mussten ihren Hut nehmen. Etliche Polizisten und Staatsanwälte wurden entlassen oder versetzt, darunter auch die, die die Korruptionsermittlungen führten.

Dass diese Ermittlungen von Gülen-Anhängern in Polizei und Justiz lanciert wurden, um Erdogan zu stürzen, wird auch von der Opposition nicht in Frage gestellt. Die Haltung der Regierung, dass durch die Gülen-Involvierung die Korruptionsvorwürfe insgesamt haltlos sind, teilte die Opposition weder damals noch heute.

Zarrab und weitere Verdächtige wurden im Februar 2014 aus der Untersuchungshaft entlassen. Im Januar 2015 stimmte das Parlament mit der Mehrheit von Erdogans AKP gegen einen Prozess gegen die vier betroffenen Minister. Damit schien der Fall abgeschlossen - bis zur Neuauflage nun in New York, Tausende Kilometer von Ankara entfernt.

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