Türkische Lira Minarette gegen den Währungsverfall

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„Bei deutschen Unternehmen in der Türkei herrscht große Zurückhaltung“

Doch nicht alle Probleme sind hausgemacht: Tatsächlich geraten gerade viele Währungen aus Schwellenländern unter Druck. Seitdem sich der Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, der USA und China, zuspitzt, verlieren die Währungen von Schwellenländern an Wert. Zu ähnlich hohen Verluste kam es in den vergangenen Tagen auch beim südafrikanische Rand und dem russischen Rubel. Der Trend dürfte sich mit steigenden Zinsen in der westlichen Welt verschärfen. Denn jahrelang profitierten diese Länder vom billigen Geld, das auf der Suche nach Rendite war. Dieses Kapital fließt nun langsam wieder zurück in seine Heimatländer. 

Die Türkei trifft das besonders hart. Aufgrund der hohen Energieimporte, die in US-Dollar bezahlt werden müssen, ist das Leistungsbilanzdefizit hoch. Die Sparquote ist niedrig. Und so ist das Land auf Kapital von außen angewiesen, um sein Wachstum zu finanzieren. „Bei diesem exorbitanten Wachstum bedeutet das: Das Land muss sich noch mehr Geld leihen“, schrieb der Ökonom Guven Sak in der Zeitung Hurriyet am vergangenen Samstag. 

Eine Zeitlang mag es funktionieren, das Wachstum mit Geld aus Katar oder Russland zu finanzieren. Nachhaltig ist es nicht. Nötig wären im Land ausländische Direktinvestitionen, die Ausbildung und Wirtschaftsstruktur fördern. Für exportorientierte Unternehmen wie Automobilzulieferer kann die schwache Lira sogar positiv sein.

Doch das politische Klima hat Investition vorerst unwahrscheinlich gemacht. „Bei deutschen Unternehmen in der Türkei herrscht trotz teils sehr guter Geschäfte eine große Zurückhaltung, was Neuinvestitionen betrifft“, sagt Jan Noether von der deutschen Handelskammer in Istanbul. Viele Geschäftsführer vor Ort könnten momentan ihr Hauptquartier in Deutschland nicht davon überzeugen, in der Türkei zu investieren, selbst wenn es ökonomisch sinnvoll wäre. Zu beschädigt ist das Image des Landes. 

Grundsätzlich ist die Türkei dabei noch immer ein attraktiver Markt. Die Staatsverschuldung ist niedrig, die Bevölkerung jung und dynamisch. 

Die Regierung aber manövriert das Land in eine immer schwieriger werdende Lage. Für Erdoğan zählen im Moment nur die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Für den Wahlkampf will er vor allem ein starkes Wirtschaftswachstum vorweisen, finanzielle Stabilität ist zweitrangig. 

Ein gefährliches Spiel. Die Probleme, die daraus entstehen, werden sich auch mit dem Bau neuer Moscheen nicht mehr lösen lassen. 

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