Türkische Lira Minarette gegen den Währungsverfall

Türkische Lira Quelle: REUTERS

Nicht alle Ursachen des Absturzes der Türkischen Lira sind hausgemacht - doch verschlimmert Erdoğans Politik die Misere. Es droht eine Finanzkrise.

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Egal, wie es um die türkische Wirtschaft steht – Geld für eine neue Moschee scheint immer da zu sein. Am Taksim, dem zentralen Platz Istanbuls und Symbol der säkularen Republik, entsteht gerade ein neues Gotteshaus im Zeitraffer. Das umstrittene Bauprojekt versprach Präsident Erdoğan noch in den Neunzigern, als er Bürgermeister der Stadt war. Gleichzeitig hat der Abriss des Atatürk-Kulturzentrums auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes begonnen.

Aber auch der Bau von Moscheen generiert eben Wirtschaftswachstum. Und die Bauwirtschaft steckt zu einem großen Teil hinter den erstaunlichen 7,4 Prozent, mit denen das türkische BIP 2017 wuchs. 

Für Erdoğan ist das der Beweis, dass es die Türkei unter straffer Führung schaffen kann, jede Krise zu überwinden. Ganz Unrecht hat er nicht: Tatsächlich lobten auch Kritiker zunächst die Wirtschaftspolitik nach den Terroranschlägen und dem Putschversuch 2016. Mittels eines Kreditgarantiefonds wurde Unternehmen Liquidität zur Verfügung gestellt, um die Krise schnell zu überwinden. Nach einigen schwachen Quartalen sprang das Wachstum dann an. 

Doch nicht alles geht, wenn ein vermeintlich starker Mann es will. Zu Wochenbeginn ist die türkische Lira auf ein Rekordtief gesunken. Für einen Euro bekommt man nun erstmals fünf türkische Lira, für einen Dollar vier Lira. Der Feind war für den türkischen Präsidenten schnell ausgemacht: Er sitzt im Ausland. Anfang März stufte die amerikanische Rating-Agentur Moody’s türkische Anleihen auf Ba2 ab, zwei Stufen unter „Investment Grade“.

Moody’s begründete die Entscheidung auch mit den geopolitischen Risiken, die mit dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien verbunden sind. Die türkische Armee geht dort seit Wochen gegen die YPG vor, denen sie enge Verbindung zur kurdischen PKK vorwirft. Tatsächlich ist die militärische Lage dort hochexplosiv: syrische, kurdische, aber vor allem amerikanische und russische Truppen stehen sich dort gegenüber. Erdoğan antwortete darauf, die Türkei würde dann eben bald ihre eigene Rating-Agentur gründen. 

Schwierigkeiten durch die schwache Lira bekommen jetzt türkische Unternehmen, von denen viele Kredite in Dollar aufgenommen haben. Insgesamt liegt deren Schuldenlast bei über 220 Milliarden US-Dollar.

Wer 2013 einen Kredit in Euro oder Dollar aufgenommen hat, muss heute die doppelte Summe in Lira zurückzahlen. Das schafft Probleme: Ferit Sahenk, Inhaber der Dogus-Holding, eines der größten Firmenkonglomerate der Türkei, soll bereits seine Bank um eine Restrukturierung seiner 2,5 Milliarden Kredite in US-Dollar gebeten haben. Bei der Yildiz Holding soll es sogar um sieben Milliarden gehen. 

Schuld gibt Erdoğan auch der türkischen Zentralbank – das erst nicht seit kurzem. Erdoğan wettert gegen eine „internationale Zinslobby“. In einer absurden Verdrehung der Kausalität macht er „westliches Denken“ für die hohe Inflation verantwortlich, die erst durch hohe Zinsen entstehe. Immer wieder fordert er deswegen die Zentralbanker auf, die Zinsen zu senken, was angesichts einer Inflation von über zehn Prozent bar jeglicher ökonomischen Vernunft wäre. Die Währungshüter konnten sich bisher ihre Unabhängigkeit bewahren. Analysten befürchten, das könnte sich ändern, sollte die Zentralbank wie geplant von Ankara nach Istanbul umziehen.

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