Türkische Oppositionszeitung „Zaman“ macht in Deutschland weiter

In der Türkei ist die Zeitung „Zaman“ unter staatliche Aufsicht gestellt worden. Die Redakteure der Deutschland-Ausgabe bekommen die Folgen ebenfalls zu spüren, Angestellte und Leser sind ernsthaft besorgt.

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Die Zeitung war Anfang März unter staatliche Aufsicht gestellt worden. Quelle: dpa

Berlin Die Deutschland-Ausgabe der türkischen Oppositionszeitung „Zaman“ soll auch nach der Übernahme des Istanbuler Blatts durch regierungsnahe Treuhänder erscheinen. „Sie schreiben weiterhin meinungsstark und kritisch über die Türkei, versicherten sie uns“, berichtete Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), nach einem Besuch der Redaktionsräume in Berlin am Freitag. Über die Hälfte der bislang aus der Mutterredaktion bezogenen Texte würden aber wegfallen. Angestellte und Leser seien ernsthaft besorgt.

Die Zeitung war Anfang März unter staatliche Aufsicht gestellt worden. Etwa 60 Prozent der bisherigen Texte könnten aufgrund der Zensur nun nicht mehr aus der Türkei übernommen werden, so Überall. „Man erscheint mit reduziertem Umfang beziehungsweise macht einiges von Deutschland aus selber.“

Das Erscheinen sei weiterhin möglich, weil es sich um ein Franchise-System handele. Erste vertriebliche Konsequenzen seien aber bereits zu spüren: Die Auflage sei runtergegangen. Es habe Bedrängungen gegeben, dass Anzeigenkunden nicht mehr in dem Blatt inserieren sollen.

Ein weiteres Problem sei die in Deutschland lebende Leserschaft: „Weil dieses Medienunternehmen vom Staat als terroristische Organisation dargestellt wird, wird wohl auch in vielen türkischen Familien diskutiert, ob man dieses Blatt noch lesen soll“, so der DJV-Bundesvorsitzende. Probleme beim Einreisen in die Türkei würden befürchtet für jene, die etwa auf Abo-Listen stehen oder eine Ausgabe im Gepäck haben. „(Zaman) finanziert sich aber ausschließlich über Anzeigen und Abonnements, was jetzt natürlich schwieriger wird.“

Auch für die Angestellten sei die Situation eine „enorme persönliche Herausforderung“, sagte Überall. Einige machten sich Sorgen, ob sie ihre Verwandtschaft in der Türkei überhaupt noch besuchen können, „weil sie Angst vor Repressalien haben“. Zudem gebe es die Besorgnis, dass man den Anspruch auf Arbeitslosen- und Krankenversicherung verlieren könnte, weil das Angestelltenverhältnis unklar ist. „Einige Kollegen schweben in völliger Unsicherheit.“

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