




Grauenhaftes Gefühl, wenn Fernsehen und Internet einem Bilder von einem Ort präsentieren, den man gut kennt und in guter Erinnerung hat – und das ist jetzt ein Tatort, an dem Menschen ermordet worden sind, Menschen wie man selber. Vor gut einem Vierteljahr war ich im Nationalmuseum von Tunis, genau da, wo jetzt die Touristen ermordet wurden. Ein besonders schöner und friedlicher Ort in einer auch sonst an vielen Stellen schönen und fast überall friedlichen arabischen Metropole – bisher.
„Ich möchte, dass das tunesische Volk versteht, dass wir im Krieg gegen die Terroristen sind“, hat der greise Präsident Béji Caid Essebsi verkündet, eine durchaus zivil wirkende Figur, demokratisch gewählt voriges Jahr gegen eine durchaus loyale und friedliche islamistische Figur. Das ist eine politische Konstellation, die Dschihadisten hassen. Und wenn sie ihren Hass in die Tat umsetzen wollen, finden sie schnell mordbereite Aktivisten unter den vielen jungen Arbeitslosen im Land, unter den gutgläubigen Anhängern bösgläubiger Prediger, denen der sanfte Islamismus der parlamentarischen Opposition viel zu lasch ist. Tunesiens Demokratie ist extrem bedroht, solange der wirtschaftliche Niedergang weitergeht, der in den Revolutionswirren vor drei Jahren begann. Das Fatale: Durch den Mordanschlag ausgerechnet auf ein Ziel wie das nebenbei fantastische musée Bardo schrecken ein paar Terroristen Hunderttausende potenzielle Touristen ab. Das könnte den Ruin des Landes bedeuten.
Trauer um die Opfer von Tunis
Da mag es nebensächlich sein, ob die Attentäter aus einer kleinen selbstgesteuerten Gruppe kamen, von Al Qaeda rekrutiert worden oder vom so genannten Islamischen Staat. Al Qaedas nordafrikanischer Ableger „Al Qaeda im Maghreb“ (AQIM) unterhält in abgelegenen Gebieten Tunesiens Untergruppen, die sich bisher durch Bombenanschläge auf Armeekolonnen bemerkbar machten, aber auch durch Mordanschläge auf unliebsame tunesische Politiker. Ein dem Museums-Anschlag vergleichbares Verbrechen liegt schon 13 Jahre zurück: 2002 brachte Al Qaeda durch einen Bombenanschlag gegen die berühmte Al-Ghriba-Synagoge auf der Insel Djerba 21 Touristen um. Damals ließen sich Schädigung der Tourismusbranche und Antisemitismus elegant verbinden, heute geht es ebenfalls gegen den Tourismus, daneben gegen die Demokratie und vielleicht auch gegen die im Bardo-Museum ausgestellte vorislamische Kunst. Das erinnert ein wenig an die barbarische Kulturpolitik der IS-Horden in Syrien und im Irak.





Denen hatten sich nach Erkenntnis des tunesischen Innenministeriums 3800 Tunesier angeschlossen, und viele von denen sind jetzt auf dem Rückweg nach Westen sein, zumeist in Tunesiens Nachbarland Libyen, das derzeit im Bürgerkrieg zwischen Islamisten und weltlich orientierten Milizen versinkt. In Libyen, meint das Innenministerium, gibt es 1500 IS-Kämpfer, und die haben nach Informationen der in London erscheinenden arabischen Zeitung „Al-Hayat“ enge Kontakte zu der bislang AQIM ergebenen tunesischen Terrorgruppe „Ansar al-scharia“.
Der libysche Bürgerkrieg bringt den Terror nach Tunis, hält die Touristen und ihr Geld fern und spült immer mehr meist mittellose libysche Flüchtlinge ins Land. Denen muss geholfen werden – nach Aussortierung der eingeschlichenen Terroristen, wenn das denn geht. „Ich will“, sagt Präsident Caid Essebsi, „dass sich das tunesische Volk sicher ist, dass die Verräter“ – er meint die Mörder vom Museum – „vernichtet werden“. Ohne Hilfe von außen wird der tunesische Staat das nicht schaffen. Und die kann jeder leisten, wenn er allen Bedrohungen zum Trotz nach Tunesien reist und ein bisschen Geld ausgibt. Das Bardo-Museum ist wirklich sehenswert.