TV-Debatte in Frankreich Konservative scheuen den harten Schlagabtausch

Bei der ersten Debatte der konservativen Bewerber für die Präsidentschaftsvorwahl geht es steif und wenig anspruchsvoll zu – Ex-Premier Juppé diagnostiziert der Wirtschaft den „Hirntod“, Konkurrent Sarkozy arbeitet sich am Burkini ab.

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Sieben Kandidaten antworteten auf die Fragen von drei Journalisten: Im Mittelpunkt bei der ersten Debatte zur Vorwahl der Konservativen Frankreich standen vor allem Ex-Präsident Sarkozy und Ex-Premier Juppé. Quelle: dpa

Paris Sieben Kandidaten, eine Premiere und nur ein Ziel: bei der ersten Debatte zur Vorwahl des konservativen Präsidentschaftskandidaten eine gute Figur zu machen. Eine Frau und sechs Männer (Nathalie Kosciusko-Morizet, Alain Juppé, Nicolas Sarkozy, François Fillon, Bruno Le Maire, Jean-François Copé und Jean-Frédéric Poisson), alle Mitglieder der konservativen „Republikaner“, haben sich für die Vorwahl qualifiziert, die den Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühling bestimmen soll. Es ist die erste in der Geschichte der französischen Konservativen. Am Donnerstagabend stellten sie sich im Fernsehen den Fragen von drei Journalisten.

Auch wenn es sieben Teilnehmer waren, im Grunde ging es nur um zwei von ihnen: Juppé, der in allen Umfragen vorn liegt, kontra Sarkozy, dem nur noch gut vier Wochen bleiben, um aufzuschließen. Am 20. November findet die erste Runde der Primärwahl statt. Die anderen fünf Kandidaten liegen in den Umfragen weit abgeschlagen zurück.

Es hätte also ein spannendes Duell werden können, werden müssen. Doch sowohl Ex-Präsident Sarkozy wie auch Ex-Premier Juppé vermieden jede Schärfe. Die Urwahl und das Format der großen Debatte sind für die Konservativen noch so neu, dass alle auf Nummer sicher gingen und einfach nur nett wirken wollten.

Sarkozy allerdings erweckte dabei ständig den Eindruck, er müsse sich selber an der Leine halten, um nicht loszupreschen. Juppé hingegen wirkte lange nicht so entschlossen wie sein Gegenüber, der eine Gabe für knappe, treffende Formulierungen hat. Manche seiner eigenen Vorschläge musste Juppé vom Blatt ablesen.

Eine echte Diskussion kam schon deshalb nicht auf, weil das Forum wie eine Schulstunde organisiert war, bei der von der Wirtschaftspolitik bis zur Zuwanderung die Programme der Kandidaten abgefragt wurden. Wortwechsel oder Auseinandersetzungen zwischen den Kandidaten gab es fast nicht. Steifer geht es kaum.

Von einem Sieger oder Verlierer kann man nach zweieinhalb Stunden Fragerunde deshalb nicht sprechen. Die Fernsehzuschauer haben die Programme der Kandidaten besser kennengelernt – falls sie dazu in der Lage waren, die zum Teil filigranen Feinheiten bei Steuersenkungen, Arbeitszeit oder Verschärfung der Sicherheitsgesetze zu erkennen und nachträglich noch richtig zuzuordnen.

Die größten Risiken ging der unbekannteste Kandidat ein, Poisson, ein eher rechter Christdemokrat. Als einziger schwamm er gegen den konservativen Mainstream der sechs anderen, die den französischen Laizismus einsetzten, um den Islam als Fremdkörper und Störenfried in der französischen Gesellschaft darzustellen. „Der Laizismus garantiert die Freiheit der Religionsausübung, ohne Unterschied, die Religion kann sich auch in der Kleidung ausdrücken - ich werde nicht der Präsident sein, der eine Kleiderpolizei einführt“, wagte er in die Runde zu sagen.

Eilfertig hielt Sarkozy dagegen: „Der Burkini ist viel gefährlicher, als man denkt. Er verteufelt die Frau.“ Diesen Schwimmanzug will er verbieten, „und jeder Frau, die eine Burka trägt, werden sämtliche Sozialleistungen gestrichen“.

Juppé ist anderer Ansicht als Sarkozy, zog es aber am Donnerstag vor, sich bei diesem Thema zurückzuhalten. Das wirkte etwas ängstlich für jemanden, der so viel Erfahrung hat und klar in Führung liegt. Aber der 72-Jährige hat die Sorge, der harte Kern der Konservativen könnte ihn als zu liberal ansehen – da hält man lieber den Mund, wenn es brenzlig wird. Bei den Republikanern stehen schärfere Sicherheitsgesetze bis hin zur Schutzhaft für Gefährder und Druck auf Muslime hoch im Kurs.

In seinem Eingangsstatement suchte Juppé eine Balance zu halten zwischen Law and Order und Liberalität: Er wolle die „Autorität des Staates und die Würde des Amtes wiederherstellen“, sagte er einerseits und kündigte gleichzeitig an, Hürden für die Schaffung von Unternehmen und Arbeitsplätzen zu beseitigen. „Jeder Franzose soll gleiche Chancen haben, sein Leben zum Erfolg zu führen“, sagte Juppé.

Nur durch die deutlich jüngere Kosciusko-Morizet von Juppé getrennt, versuchte Sarkozy zweieinhalb Stunden lang, schon durch seine Körpersprache Entschlossenheit auszudrücken. Sehr ernst, die Lippen zusammengepresst, die Hände vor dem Bauch verschränkt, blickte er ständig starr geradeaus. Ab und zu wippte er auf den Fußspitzen.

Juppé dagegen stand lässig hinter seinem Pult und drehte sich zu seinen Mitdiskutanten. „Der politische Wechsel muss stark und schnell sein“, gab Sarkozy in einer Art Kommandoton von sich. Nur unter dieser Voraussetzung gebe es „eine Chance, gegen Frankreichs Abstieg zu kämpfen.“ Nicht gerade eine positive Botschaft.


Wenig hoffnungsvolle Aussagen

Sarkozys früherer Premier Fillon klang aber noch deprimierender: „Ich habe schon 2007 gesagt, dass Frankreich pleite ist“, eröffnete er den Zuschauern, heute sei die „französische Wirtschaft hirntod“. Gut, dass diese Sendung nicht ins Ausland übertragen wurde – ausländische Investoren würden sich ein Engagement in Frankreich nach dieser Diagnose wohl dreimal überlegen.

Wenig hoffnungsvoll, vor allem auch für Frankreichs EU-Partner, waren die Aussagen der Konservativen zum Defizitziel der EU - den berühmten drei Prozent der Wirtschaftsleistung aus dem Maastrichtvertrag, die Frankreich als eines von wenigen Euroländern noch immer nicht einhält. Ob die Kandidaten alles daran setzen würden, die Grenze einzuhalten, fragten die Moderatoren.

Le Maire war der Einzige, der eine klare Antwort gab: „Natürlich.“ Juppé redete sich damit heraus, dass er erst einmal abwarten wolle, wie die Anfangsbilanz aussehe. Sarkozy relativierte das Ziel mit einer Frage: „Ist das die erste Sorge der Franzosen? Nein.“ Priorität habe eine Ausgabenquote von weniger als 50 Prozent. Poisson will sich ganz frei machen vom EU-Recht: „Ich halte nichts vom Maastrichtvertrag, der muss völlig platt gemacht werden. Die drei Prozent sind nicht legitim.“

Wer Kritik oder Protest von den anderen erwartete, schließlich geht es hier um geltende Gesetze, wurde enttäuscht. „Maastricht plattmachen“ scheint bei den Konservativen eine akzeptable Position geworden zu sein. Das liegt vor allem daran, dass praktisch alle Kandidaten hohe zweistellige Milliardenbeträge als Steuersenkung versprechen, obwohl sich das Land schon heute nicht an Maastricht hält.

Eine echte Kontroverse gab es nur bei der Frage, ob ein Kandidat oder Minister abtreten müsse, wenn er angeklagt werde. Das zielte auf Sarkozy ab, gegen den ein Verfahren wegen illegaler Wahlkampffinanzierung läuft.

Coppé sagte klipp und klar: „Jeder Kandidat muss das selber entscheiden, aber wer unter Anklage steht, muss meiner Ansicht nach zurücktreten.“ Den Gefallen wird ihm Sarkozy nicht tun, denn er sieht sich als Mann mit einer Mission: „Ich glaube an die Größe Frankreichs. Ich will der Sprecher der schweigenden Mehrheit sein, der Präsident der Aktion.“

Diese Sätze sind symptomatisch für das Niveau dieser ersten Debatte. Neue Arbeitswelt, Digitalisierung der Industrie – die reale Welt von 2016 mit ihren Herausforderungen kam nicht vor. Die Konservativen arbeiten sich lieber an „Frankreichs Identität“ und am Burkini ab. Man kann nur hoffen, dass die folgende Diskussion in der Form weniger steif und im Inhalt anspruchsvoller wird.

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