




Eine politische Einigung im Griechenland-Konflikt scheint gefunden, der griechische Premier Alexis Tsipras hat sich den Bedingungen der Gläubiger für ein neues Hilfspaket gefügt. In Europa kehrt trotzdem keine Ruhe ein. Für viele ist es die deutsche Bundesregierung, die mit ihrer harten Haltung die Krise in Europa verschärft und Griechenland ein unmögliches Spardiktat aufgedrückt hat. Nicht nur internationale Medien kritisieren die deutsche Position. Auch Twitter-Nutzer aus ganz Europa meinen: Deutschland ist Schuld an der Krise in Europa – und fordern nun den Boykott deutscher Produkte. Das Hashtag „BoycottGermany“ wurde auch in Deutschland zum Toptrend.
Diese Reformvorschläge bietet Griechenland an
Die griechische Regierung verspricht, sich an Ziele für den Primärüberschuss zu halten: ein Prozent in diesem Jahr, zwei Prozent im Jahr 2016, drei und 3,5 Prozent für 2017 beziehungsweise 2018.
Die Vorschläge aus Athen beinhalten eine Reihe von Steuererhöhungen, darunter eine Mehrwertsteuer für Restaurant und weitere Gastronomiebetriebe von 23 Prozent, ermäßigte 13 Prozent für Grundnahrungsmittel, Energie, Hotels, Wasser und eine sogenannte superermäßigte Rate von sechs Prozent auf Dinge wie Arzneimittel, Bücher und Theatervorführungen - vielleicht ist das angemessen für ein Land, das in Sachen Drama Pionierarbeit geleistet hat. Die neuen Steuerstufen sind ab diesem Oktober gültig.
Darüber hinaus wird den Steuervergünstigungen für die bei Touristen beliebten Inseln des Landes weitgehend ein Ende bereitet: Nur die entferntesten Inseln sollen die begehrten finanziellen Erleichterungen behalten.
Für das Militär will Griechenland in diesem Jahr 100 Millionen Euro weniger ausgeben, diese Kürzung soll 2016 verdoppelt werden. Die Körperschaftssteuer wird von 26 auf 28 Prozent erhöht. Bauern werden ihre Steuervorzüge und Benzinsubventionen verlieren.
Die Regierung will deutlich härter gegen Steuerhinterzieher durchgreifen. Die wichtige Schiffsindustrie des Landes muss sich auf Steuererhöhungen für ihre Tonnage einstellen, die Steuervorteile für die Industrie an sich werden phasenweise zurückgefahren. Eine Luxussteuer wird auf Freizeitfahrzeuge mit einer Länge von mehr als fünf Metern ausgeweitet, die Rate steigt von zehn auf 13 Prozent.
Die Regierung erwägt Reformen, die dauerhafte Einsparungen von 0,25 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr und ein Prozent ab 2016 bringen würden. Um dies zu erreichen, soll die Zahl der Frührentner sinken und das Renteneintrittsalter im Jahr 2022 auf 67 vereinheitlicht werden. Eine Ausnahme stellen besonders harte körperliche Arbeiten dar sowie Mütter, die Kinder mit Behinderungen großziehen.
Gesetzliche Renten werden zielgerichteter, während Zusatzversorgungskassen durch Arbeitnehmeranteile finanziert werden sollen. Sozialleistungen wie ein Solidaritätszuschlag laufen phasenweise aus. Krankenbeiträge für Rentner steigen im Durchschnitt von vier auf sechs Prozent. Weitere Reformen sollen anlaufen, um das Rentensystem nachhaltiger zu machen. Dazu soll eine Überholung der Rentenbeiträge für Selbstständige sein.
Die Behörden werden die Löhne von Staatsbediensteten umformen, um sicherzustellen, dass sie 2019 rückläufig sind und „den Fähigkeiten, Leistungen und Verantwortlichkeiten“ des Personals entsprechen. Leistungen wie bezahlten Urlaub und Reiseerlaubnisse werden an die EU-Normen angepasst.
Ein Plan ist auf dem Weg, demzufolge Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes leichter auf Posten eingesetzt werden können, auf denen sie gebraucht werden. Ende Juli soll zudem ein Strategiepapier zum Kampf gegen Korruption fertig sein. Gleichzeitig sollen neue Gesetze für mehr Transparenz bei der Finanzierung politischer Parteien sorgen. Ermittlungen wegen finanzieller Vergehen sollen vor politischer Einflussnahme geschützt werden.
Die Regierung will eine unabhängige Steueraufsicht einsetzen. Reformen zur Modernisierung der Steuererhebung, zur Verfolgung von Steuerbetrug sowie zum Kampf gegen Kraftstoffschmuggel sollen ebenfalls auf den Weg gebracht werden.
Korrekturen der Insolvenzgesetze sollen dafür sorgen, dass Schuldner ihre Verbindlichkeiten bezahlen. Berater werden in der Frage helfen, wie mit faulen Krediten umgegangen wird. Es werden außerdem Schritte ergriffen, um Investoren aus dem Ausland dazu zu bewegen, ihr Geld in griechische Banken fließen zu lassen.
Die Regierung will Beschränkungen für Berufsgruppen wie diejenigen von Ingenieuren, Notaren und Gerichtsvollziehern öffnen. Unnötige Bürokratie soll abgeschafft werden. Durch Gesetze soll es einfacher werden, Geschäftslizenzen zu bekommen. Auch der Gasmarkt soll reformiert werden.
Die linke Regierung will Staatseigentum verkaufen und eine Privatisierung des Stromversorgungskonzerns auf den Weg bringen. Auch regionale Flughäfen und Häfen wie jene in Piräus und Thessaloniki sollen möglicherweise privatisiert werden.
Wenn es um Deutschland geht, ist der Nazi-Vergleich nicht weit. Das durfte schon Wolfgang Schäuble erfahren, der in einer griechischer Zeitschrift als KZ-Aufseher karikiert wurde. Und auch beim Boykott-Aufruf darf das Bild vom Nazi-Deutschen nicht fehlen. Nutzer @NewsCoverup fordert die Rückzahlung der deutschen Kriegsschuld, bebildert Kanzlerin und Finanzminister vor Wehrmacht-Kulisse – und verweist auf den Hashtag #ThisIsACoup vom Wochenende, unter dem Twitter-Nutzer die EU-Sparmaßnahmen mit einem Staatsstreich gleichsetzten:
Auch Nutzer @Vicky68 zieht den Vergleich zu den Weltkriegen: Den Ersten hätte Deutschland mit Gewehren geführt, den Zweiten mit Panzern und den Dritten führe das Land mit Banken:
Wer sich nicht sicher ist, welche Produkte von jetzt an boykottiert werden sollten, dem hilft Nutzer @chrisbrulak mit einem Beispiel:
@Philiponus geht davon aus, dass sich der Boykottaufruf auf Produkte, nicht aber auf Milliardenhilfen beziehe:
Versöhnlich gibt sich Nutzerin @LeeloooDallas. Sie bedauert, dass auf Twitter nun Nazi-Parolen aufkommen. Und weist daraufhin, dass nicht alle Griechen diese Haltung unterstützen:
@Marktzyniker findet, dass sich keiner wirklich über den Boykott-Aufruf wundern könne und bezieht sich auf die „Bild“-Titelseite, die die Kanzlerin mit Pickelhaube und der Forderung „Heute brauchen wir die eiserne Kanzlerin!“ zeigte. Auch Nutzer @TheHelldrick meint: Aber auch die Politik hält sich aus der Boykott-Debatte nicht heraus. Der griechische Verteidigungsminister retweetet zumindest mit: