Im Gegensatz dazu ist die Produktion von Schwermetall und Maschinenbau eingeknickt, vor allem in dem Konfliktgebiet um Donezk und Lugansk. Langsam, aber sicher zeichnet sich ein Strukturwandel in der ukrainischen Wirtschaft ab, sowohl geographisch, als auch industriell: weg von der Schwerindustrie im Osten, hin zur Leichtindustrie in der Mitte und im Westen. Ein Grund dafür liegt auch in der verschiedenen Industriekultur. Im Westen und im Zentrum der Ukraine besteht die Industrie eher aus kleineren Unternehmen mit geringerem Einfluss von Oligarchen und stärkerem Engagement von ausländischen Investoren.
Von deutschen Unternehmen beteiligen sich vor allem Automobilzulieferer an dem neuen Wirtschaftsmodell der Ukraine. Im Westen wurden in den letzten Jahren rund 20.000 Arbeitsplätze durch deutsche Mittelständler geschaffen, schätzt Alexander Markus. Er ist Delegierter der Deutschen Wirtschaft in der Ukraine.
Allein der Kabelhersteller Leoni aus Nürnberg beschäftigt in seinem Werk mehr als 6000 Mitarbeiter. Bei allem politischen Risiko profitieren die deutschen Firmen mit ihren Exporten aus der Ukraine derzeit von dem niedrigen Wechselkurs: Die ukrainische Griwna liegt immer noch ein Drittel unter ihrem Vorjahreskurs im Vergleich zum Euro.
Spürbare wirtschaftliche Verbesserungen erwartet die Mehrheit der deutschen Unternehmer zwar erst in den kommenden beiden Jahren, aber Kromberg & Schubert, Bordnetzspezialist aus Renningen bei Stuttgart, erweitert schon jetzt sein Engagement in der Ukraine und baut derzeit ein neues Werk in Schytomyr, westlich von Kiew.
Alexander Markus weiß, dass die neuen Industriezweige den Einbruch der alten Industrie noch nicht wettmachen können. Aber neulich hat er den Wandel selbst gespürt: Ende Juni organisierte die deutsche Wirtschaftsdelegation eine Info-Veranstaltung für ukrainische Unternehmer. Das Thema: Markteintritt nach Deutschland und in die EU. „Es kamen fast 200 Leute, das hat unsere Erwartungen total übertroffen“, sagt Markus.
Bei allen negativen Entwicklungen im Hinblick auf die Gefechte in der Ostukraine muss man sehen, dass der größte Teil des Landes nicht direkt von der Situation betroffen ist. Außerdem zeigt der Willen des IWF, weitere Kredite zu geben, dass die Regierung schon einige Reformen umgesetzt hat. „Die wirtschaftliche Lage hat sich zuletzt stabilisiert, der Tiefpunkt ist überschritten“, sagt Robert Kirchner. Er arbeitet für die Deutsche Beratergruppe Ukraine. Das Analystenkollektiv berät seit 1994 die ukrainische Regierung bei wirtschaftlichen Reformen. Seit 2006 steht das Beratungsunternehmen Berlin Economics hinter dem Think Tank, der vom Wirtschaftsministerium finanziert wird.