Ukraine-Konflikt Donnergrollen für den Donbass

Trotz vereinbarter Waffenruhe wird in der Ostukraine erneut geschossen. Und der Konflikt mit Russland verschärft sich – durch Meldungen über einen Raketentest der Ukrainer und Waffenlieferungen aus den USA.

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Ein neues Raketensystem soll im Hinterland operierende Waffen der Separatisten ausschalten. Quelle: dpa

Moskau Die Ukraine soll ein neues ballistisches Raketensystem unter dem Namen „Grom-2“ („Donner-2“) ausprobiert haben. Getestet wurde offenbar das Triebwerk des Raketensystems. Bilder vom Start veröffentlichte das Militärportal mil.in.ua, ohne genaue Angaben zu Ort und Zeitpunkt der Aufnahmen zu machen. Obwohl es in Kiew noch keine offizielle Bestätigung der Raketentests gibt, riefen die Aufnahmen im benachbarten Russland schon ein gewaltiges mediales Echo hervor.

Das Projekt „Donner“ basiert auf einer feststoffgetriebenen Boden-Boden-Rakete mit einer Reichweite von maximal 500 Kilometern. Der Komplex kann mehrere Ziele gleichzeitig bekämpfen und gilt wegen seiner hohen Zielgenauigkeit als effektive Waffe gegen im Hinterland operierende Luftabwehrbatterien und Raketenkomplexe, aber auch gegen andere stehende Ziele. Der ukrainische Militärexperte Sergej Sgurez verglich das System mit den russischen Kurzstreckenraketen vom Typ „Iskander“.

Die Entwicklung wird seit 2013 vom bekannten Raketenkonstruktionsbüro „Juschnoje“ in der ostukrainischen Millionenstadt Dnipro (Dnepr, bis 2016 Dnepropetrowsk) betrieben. Das Konstruktionsbüro ist vor allem für seine Trägerraketen im sowjetischen Weltraumprogramm – Zenit, Dnepr, Majak – bekannt. Taktische Kurzstreckenraketen sind für den Konzern allerdings Neuland. Mehrfach mussten die Raketentests deshalb in der Vergangenheit verschoben werden. „Donner“ müsse noch Dutzende Tests durchlaufen, sagte Sgurez, der 2016 als Zeitspanne für eine Serienproduktion „fünf Jahre“ angab. Die jetzt getestete „Donner-2“ ist die fahrbare Variante des Raketenkomplexes.

Finanziert wird der Bau von Saudi-Arabien mit rund 40 Millionen Dollar. Riad hat Interesse daran, die Technologie einzuführen, auch wenn ukrainischen Angaben zufolge die Exportvariante weniger fortgeschritten ist und beispielsweise nur eine Reichweite von 280 Kilometern hat. Interesse hat natürlich auch die ukrainische Armee. Der ehemalige ukrainische Vizegeneralstabschef Igor Romanenko hatte „Donner“ schon im vergangenen Jahr eine wichtige Waffe angesichts der „russischen Aggression“ genannt.

Anlässlich des Raketenstarts griffen russische Medien die Worte auf und erklärten, Kiew wolle das Kräfteverhältnis im Donbass mit den Raketen umkehren. Auch die jüngst von Donald Trump genehmigten Waffenlieferungen an Kiew hatte Moskau als „Grenzüberschreitung“ scharf kritisiert, auch wenn der Wert des Rüstungsgeschäfts mit 47 Millionen Dollar überschaubar bleibt. „Washington versucht sich als „Vermittler“ darzustellen, ist aber kein Vermittler, sondern ein Beihelfer zum Entfachen des Kriegs“, kritisierte das russische Außenministerium.

In der ostukrainischen Region wird weiter gekämpft. Auch die über Neujahr und orthodoxe Weihnacht geschlossene Waffenruhe hält nicht: Das ukrainische Militär berichtete am Mittwoch über sechs Verstöße – auch aus schweren Waffen – gegen die Feuerpause. Zwei Soldaten seien dabei verletzt worden, heißt es.

Die prorussischen Separatisten der so genannten „Luhansker Volksrepublik“ ihrerseits warfen den Kiewer Truppen vor, Artillerie und Panzer entlang der Konfrontationslinie zu stationieren und damit ebenfalls gegen das Minsker Abkommen zu verstoßen.

Zwar versuchten beide Seiten zuletzt – unter Vermittlung des Moskauer Patriarchen Kirill – mithilfe eines Gefangenenaustausches die Spannungen zu verringern und wieder Bewegung in den Verhandlungsprozess zu bringen. Doch das gelang nur unzureichend. Der Austausch war geringer als angekündigt, zudem sitzen auf beiden Seiten weiter viele Kämpfer, aber auch Sympathisanten der Gegenpartei in Haft. Weitere politische Lösungsansätze wurden zuletzt nicht initiiert, so dass der Konflikt weiter schwelt und immer wieder droht, aus dem latenten Zustand in eine akut-heiße Phase überzugehen. Schon bisher hat der Krieg in der Ostukraine UN-Angaben nach rund 10.000 Menschenopfer gefordert.

Für die Ukraine hat der anhaltende Konflikt aber auch wirtschaftliche Konsequenzen: Das zaghafte Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent, das 2016 nach einem gewaltigen BIP-Einbruch von 9,9 Prozent im Jahr 2015 zuvor einsetzte, konnte die Ukraine 2017 voraussichtlich nicht weiter ausbauen. Das Wirtschaftsministerium senkte die Schätzungen für das abgelaufene Jahr zuletzt auf plus 1,8 Prozent ab, wobei die seit Monaten andauernde Handelsblockade der Separatistenregionen durch das ukrainische Militär zur Schmälerung der Wirtschaftsleistung beigetragen hat.

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