
Weder die USA noch die Europäische Union (EU) verfolgen im Konflikt mit Russland um die Krim und die Ostukraine realistische Ziele. Strategische Interessen der USA in der Ukraine lassen sich unterstellen mit Blick auf eine mögliche Ausweitung der Nato, der Energieinfrastruktur und die Erdgasreserven im Osten des Landes. Rational nachvollziehbar sind diese natürlich nicht. Sehr nebulös wirken auch die außenpolitischen Ambitionen der EU. Ursprünglich hatte Brüssel nur das Mandat, mit der Ukraine Gespräche über neue Handelsbeziehungen zu führen. Im Zuge der Verhandlungen zu einem Assoziationsabkommen haben die in außenpolitischen Dingen unerfahrenen Brüsseler Technokraten um den damaligen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso der Ukraine dann plötzlich die Pistole auf die Brust gesetzt und vor die Wahl gestellt - entweder Russland oder die EU. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wurde dabei umgangen und der Kreml herausgefordert. Die im Juni unterzeichneten Assoziationsabkommen der EU mit Georgien und der Republik Moldau waren die nächsten Provokationen. Deeskalation funktioniert anders. Wie in der Ukraine könnte die EU auch mit diesen Assoziationsabkommen die Vorreiterrolle für die Nato übernommen haben. Im US-Kongress zumindest werden bereits Stimmen laut, die eine Kontrolle von Moldawien und Georgien durch die Nato fordern.
Je weiter Russlands Einfluss im Osten der Ukraine zurückgedrängt wird, um so größer wird die Gefahr, dass Moskau bei weiteren Avancen der Nato in Osteuropa auch in anderen Ländern einen Konflikt vom Zaun bricht. So könnte der Grenzstreit zwischen dem mit Russland liierten Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach mit Hilfe Moskaus friedlich beigelegt werden - oder eben nicht. 1994 wurde dort noch geschossen.
Geplante neue EU-Sanktionen gegen Russland
Wenn Firmen und milliardenschwere Oligarchen zur Destabilisierung der Ukraine beitragen, können sie auf eine schwarze Liste kommen.
Von Sanktionen betroffene Unternehmen dürfen keine Geschäfte mit EU-Firmen machen und können nicht mehr über Vermögenswerte in der EU verfügen. Anzahl und Namen der Unternehmen sind aber bisher offen.
Bis Ende Juli soll über eine erste Liste von Unternehmen entschieden werden, für die neuen Sanktionen gelten sollen.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll die Unterzeichnung neuer Finanzierungsmaßnahmen in Russland aussetzen. Zudem wird die EU-Kommission aufgefordert, die Programme für die Zusammenarbeit mit Russland gegebenenfalls auszusetzen. Projekte aber, die auf die Zivilgesellschaft ausgerichtet seien, sollen aufrechterhalten werden.
Der EU-Gipfel vom 27. Juni hatte Russland aufgefordert, bis zum 30. Juni unter anderem für die Freilassung von OSZE-Geiseln zu sorgen und an Friedensverhandlungen teilzunehmen. Auf ausbleibende Fortschritte reagierte der EU-Ministerrat am 11. Juli mit elf weiteren Einreiseverboten und Kontensperrungen. Zudem wird als ein Grund für die Ausweitung eine mangelhafte Grenzkontrolle genannt.
Die EU und die Ukraine haben am 27. Juni ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen unterzeichnet. Es soll den EU-Markt für die Ukraine öffnen und zugleich demokratische Reformen im Land unterstützen. Außerdem hat die EU eine Zahlungsbilanzhilfe in Höhe von 1,6 Milliarden Euro zugesagt. In den nächsten Jahren sollen auch EU-Hilfsmaßnahmen mit einem Volumen von elf Milliarden Euro greifen.
Die politischen Eliten in den USA haben sich mit der Dämonisierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin völlig verrannt. Offensichtlich wird die Russlandpolitik der USA mehr geprägt von den im November anstehenden Kongresswahlen als von Rationalität. Vielleicht werfen auch schon die Präsidentschaftswahlen in gut zwei Jahren ihren Schatten voraus. Wie es langfristig in Europa weitergeht, scheint in Washington nicht so wichtig zu sein. Die Ukraine droht zu einer erweiterten Spielwiese amerikanischer Wahlkämpfe zu werden, in deren Mittelpunkt die Sanktionspolitik steht. Die von den USA initiierte letzte Sanktionsrunde sollte Russland für seine Rolle im Zusammenhang mit dem Absturz des malaysischen Passagierflugzeuges bestrafen. Die EU dackelte brav hinterher. Damit wird jede von den amerikanischen Vorverurteilungen abweichende Erkenntnis zu spät kommen.
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Die Sanktionspolitik führt in eine Sackgasse. Untersuchungen von Gary Clyde Hufbauer vom Peterson Institute for International Economics in Washington zeigen, dass seit 1914 Sanktionen zur Beendigung kleinerer militärischer Auseinandersetzungen nur in einem von fünf Fällen zum Erfolg geführt haben. Auch scheint die EU von den russischen Gegensanktionen überrascht worden zu sein. So lassen sich zumindest die offiziellen Reaktionen deuten. Hermann Van Rompuy könnte noch sein blaues Wunder erleben. Der EU-Ratspräsident geht nämlich davon aus, dass die Sanktionen zwar einen starken Einfluss auf die russische Wirtschaft haben, aber nur moderat auf die Volkswirtschaften der EU durchschlagen. Nach den Reaktionen der Finanzmärkte zu urteilen verhält es sich eher umgekehrt.
In Washington hat man bis heute nicht erkannt, dass auch Wladimir Putin unter einem hohen innenpolitischen Druck steht. Der Bundesnachrichtendienst BND berichtet etwa über einen Machtkampf, der im Kreml zwischen den Hardlinern und den Führern der großen russischen Unternehmen toben soll. Das Verhalten Russlands lässt sich damit zwar nicht entschuldigen, aber im Vergleich zu anderen Figuren in der politischen Landschaft des Landes ist Putin wohl eher noch ein moderater Vertreter. Die USA sollten sich also genau überlegen, ob ein „Regime-Wechsel“ in Russland tatsächlich im Interesse des Westens wäre. Gegenüber der ultranationalistischen Ideologie eines Alexander Dugin ist der amtierende Kreml-Chef eindeutig das geringere Übel.