Ukraine-Krise Ukrainische Armee greift russischen Hilfskonvoi an

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Nacht und Nebel Aktion


Russische Militärfahrzeuge sind offenbar von Journalisten beim Eindringen auf ukrainisches Territorium beobachtet worden. Wie die britischen Zeitungen „The Guardian“ und „The Telegraph“ berichteten, überquerte ein Konvoi aus 23 gepanzerten Mannschaftstransportwagen gemeinsam mit Tanklastwagen und anderen Versorgungsfahrzeugen am späten Donnerstagabend die Grenze zum Nachbarland. An allen Fahrzeugen seien Kennzeichen des russischen Militärs angebracht gewesen. Der Vorfall ereignete sich demnach in einem von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiet in der Ostukraine.

Vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB, der für den Grenzschutz zuständig ist, wurden diese Berichte allerdings zurückgewiesen. „Die Grenzverwaltung für das Gebiet Rostow bestätigt diese Informationen nicht“, sagte Sprecher Nikolai Sinizyn am Freitag der Staatsagentur Ria Nowosti.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat Medienberichte über eine Verletzung der ukrainischen Grenze durch Russland nun aber bestätigt. „In der vergangenen Nacht haben wir einen russischen Einfall erlebt, eine Überschreitung der ukrainischen Grenze“, sagte Rasmussen nach Nato-Angaben in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen vor Journalisten.
„Dies bestätigt nur die Tatsache, dass wir einen dauernden Fluss von Waffen und Kämpfern aus Russland in die Ostukraine sehen“, erklärte Rasmussen. „Und es ist eine deutliche Demonstration der anhaltenden russischen Beteiligung an der Destabilisierung der Ostukraine.“ Er rief Moskau auf, die Separatisten im Nachbarland nicht weiter zu unterstützen und in den Dialog mit der Regierung in Kiew zu treten.
Die prowestliche Führung in Kiew warf Moskau vor, mit 23 Armeefahrzeugen über die Grenze vorgedrungen zu sein. Auch die Bundesregierung fordert von Moskau dringend Aufklärung der zuerst von den britischen Zeitungen „Guardian“ und „Telegraph“ veröffentlichten Berichte über den Militärkonvoi.
Für die notleidenden Menschen in der umkämpften Region rückt derweil Hilfe näher. Erste ukrainische Regierungs-Lastwagen mit Medikamenten und Lebensmitteln trafen am Donnerstagabend an einem Sammelpunkt nördlich von Lugansk ein. Ob auch der seit drei Tagen anrollende russische Hilfskonvoi die Grenze passieren darf, blieb bisher aber unklar. Nun ist der Streit um Hilfslieferungen für das schwer umkämpfte Lugansk jedoch mehr oder weniger beigelegt. Nach Angaben aus Kiew haben Russland und die Ukraine eine Einigung erzielt. Dank der internationalen Unterstützung sei es gelungen, eine Eskalation zu vermeiden, teilte Präsident Petro Poroschenko am Freitag mit. Auch das finnische Staatsoberhaupt Sauli Niinistö bestätigte nach einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin, dass es eine Einigung zwischen Kiew, Moskau und dem Roten Kreuz gebe. „Wir haben gehört, dass sich der russische Hilfskonvoi bewegt“, sagte er in Sotschi. Die etwa 280 russischen Lastwagen waren an der Grenze wegen Unstimmigkeiten über die Abfertigung zum Stehen gekommen.
Der Hilfstransport ist umstritten, weil die proeuropäische Regierung in Kiew Russland als Aggressor ansieht. Moskau wies Vorwürfe zurück, der Konvoi könnte Waffen für die prorussischen Separatisten enthalten. Auch der Westen beschuldigt Russland seit längerem, die Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen. Moskau bestreitet dies.

Wie der „Guardian“ weiter berichtete, wartete der Armeekonvoi auf russischer Seite den Einbruch der Dunkelheit ab, nutzte dann einen Feldweg und fuhr durch eine Lücke im Grenzzaun in ukrainisches Gebiet. Der Vorfall ereignete sich demnach nahe der russischen Stadt Donezk, die rund 200 Kilometer vom ukrainischen Donezk liegt. Die Separatistenhochburg Lugansk liegt lediglich Dutzende Kilometer entfernt.
Die Region Lugansk soll auch Ziel der Hilfskolonne der ukrainischen Regierung sein. Wie der Sicherheitsrat in Kiew mitteilte, erreichten 26 Fahrzeuge aus Charkow am Abend die Stadt Starobelsk. Mitarbeiter des Roten Kreuzes sichteten die Waren. Insgesamt hat Kiew 75 Lastwagen mit rund 800 Tonnen Hilfsgüter ins Krisengebiet geschickt.
Der russische Konvoi mit 2000 Tonnen Hilfsgütern hat Lugansk als Ziel. Die Fahrzeuge stehen aber wegen mangelnder Absprachen mit dem Roten Kreuz vor der ukrainischen Grenze. Das Rote Kreuz teilte mit, es habe Kontakt aufgenommen, viele Details müssten noch geklärt werden. In Lugansk mit mehr als 200 000 Einwohnern gibt es seit fast zwei Wochen weder Strom noch Wasser.

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