
Über die Erklärungen aus Moskau könnte man schmunzeln, wenn sie nicht so zynisch wären. Als russische Soldaten am Mittwoch in der Ukraine festgenommen wurden, hieß es, sie seien "aus Versehen" über die Grenze marschiert. Am Donnerstag sagte Separatistenführer Andrej Sachartschenko, seine Rebellen würden von 3000 bis 4000 "Freiwilligen" aus Russland unterstützt. Darunter seien viele professionelle Soldaten, die sich Urlaub genommen hätten. Sie zögen es vor, ihre Freizeit nicht am Strand, sondern an der Front zu verbringen.
Die Wahrheit lässt sich nicht leugnen, kleinreden oder relativieren: Russland unterstützt den Krieg der pro-russischen Separatisten gegen die Ukraine mit Personal und Material. Es gibt Aufnahmen von Waffentransporten, Video-Aussagen von russischen Gefangenen, plötzlich verstorbene Elite-Soldaten mit Gräbern auf dem Friedhof von Pskow – und Augenzeugen, die die Beteiligung der Russen bereits in Slowjansk gegenüber der WirtschaftsWoche bestätigen.

Somit ist das Riesenreich des Ostens zur Kriegspartei in der Ukraine geworden. Präsident Wladimir Putin führt einen Angriffskrieg, ohne je eine Kriegserklärung abgegeben zu haben. Das verwirrt den Westen, das paralysiert dessen Entscheider. Wie weit wird Putin gehen?
Wer Zweifel an der Beteiligung der Russen hat, sollte mal nach Slowjansk fahren. Die Stadt im westlichen Teil der Ost-Ukraine war vier Monate Rebellenhochburg; hier hatte die selbst ernannte „Volksrepublik Donezk“ ihren Sitz. In der Isolatoren-Fabrik im Zentrum quartierten sich 600 Separatisten ein, wie Inhaber Wladimir Krawtschenko erzählt. „Mitte Mai kamen russische Soldaten mit neuen Kamaz-Lkw“, erzählt er weiter, er habe sie am Akzent und an den Uniformen erkannt. „Es wurden immer mehr Russen, zum Schluss müssen es 600 bis 700 Mann gewesen sein.“ Am 16. Juni, sagt Krawtschenko, sei er aus der Fabrik geflohen, die er bis dato täglich besucht hatte – um seine Anlagen vor den Separatisten zu schützen.