
Es sind keine ortsansässigen Freiheitskämpfer, die in der Ost-Ukraine für ihr legitimes Recht auf Mitsprache in Kiew kämpfen – sondern Verbrecher und Asoziale, der Abschaum der Gesellschaft. Falls jemand daran jemals Zweifel hatte, dürften die Bilder vom Wochenende sie entkräftet haben: Besoffene Kämpfer stapfen mit Kippe im Mundwinkel und Kalaschnikow über den Schultern zwischen Leichenbergen umher. Die 298 Opfer wurden erst fünf Tagen zur Autopsie freigegeben, unabhängigen Experten wird bis heute nur eingeschränkt Zugang zum Absturzort ermöglicht.
Viele Details sind noch nicht erwiesen, aber alle Indizien sprechen gegen die Separatisten, die im Osten der Ukraine mit dem Militär des Landes kämpfen. Mit einem Buk-Flugabwehrsystem, das vermutlich aus russischen Beständen stammt, schossen sie das Passagierflugzeug in zehn Kilometern Höhe vom Himmel. Vermutlich kostete eine Verwechslung mit einer ukrainischen Militärmaschine vom Typ Antonow-24 die Fluggäste das Leben. Damit hatte zuvor einer der Separatistenführer in sozialen Medien geprahlt; über die Überstellung des sowjetischen Buk-Raketenwerfers hatten russische Internetportale berichtet.
Fragen und Antworten zum Absturz von MH17
Nein. Der OSZE-Forderung, nichts an der Absturzstelle zu verändern, wurde nach Angaben einer Sprecherin zumindest nicht gänzlich nachgekommen. So seien Gepäckstücke von Flugzeuginsassen fein säuberlich aufgereiht worden. Ein anderer OSZE-Vertreter berichtete, am Samstag seien Leichen von Passagieren des Flugs MH17 von Unbekannten in Plastiksäcke gepackt und an den Straßenrand gebracht worden, ohne dass die OSZE-Experten Erklärungen dafür erhielten.
Nein. Sowohl die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als auch die ukrainische Regierung haben sich auch am zweiten Tag nach der Katastrophe beschwert, dass die prorussischen Separatisten die Arbeit der Experten massiv behindern, die bereits jetzt vor Ort sind. Die Ermittler können sich nach den Angaben nicht völlig frei bewegen und stehen unter Aufsicht schwer bewaffneter Rebellen. Inzwischen sollen die Aufständischen nach ukrainischen Angaben immerhin einer „Sicherheitszone“ rund um die Absturzstelle zugestimmt haben.
Das ukrainische Innenministerium hat in Charkow für Angehörige und Hinterbliebene der Opfer Hunderte Hotelzimmer reserviert. In der Großstadt stünden auch Übersetzer und Psychologen bereit. Noch ist es nach Angaben der Fluggesellschaft Malaysia Airlines nicht in allen Fällen möglich gewesen, Familienangehörige ausfindig zu machen.
Noch sind längst nicht alle 298 bei dem Absturz getöteten Insassen der malaysischen Passagiermaschine entdeckt worden. Zudem herrschen in dem Gebiet Temperaturen von um die 30 Grad. Nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums wurden die sterblichen Überreste der Passagiere und Besatzungsmitglieder nach Charkow gebracht, weit weg von den Gefechten. In der etwa 300 Kilometer von der Absturzstelle entfernten Stadt werde ein Labor zur Identifizierung eingerichtet, hieß es. Separatisten wiederum kündigten an, die Leichen würden in Mariupol identifiziert.
Das ist noch immer nicht definitiv geklärt. Viele Länder, die Opfer zu beklagen haben, schicken eigene Experten in die Ukraine. Dort ist die Lage aber nach Angaben des Bundeskriminalamtes recht unübersichtlich. Sowohl der genaue Einsatzort als auch die Führung der Mission müssten noch geklärt werden, sagte ein Sprecher. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schlug in einem Brief an die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) die Einsetzung einer aus mehreren Nationen besetzten Untersuchungskommission vor. Deutschland biete für einen Einsatz unter der Leitung der ICAO die Unterstützung der Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung an, sagte Dobrindt „Focus Online“.
Das Gebiet östlich von Donezk, in dem die Trümmer der abgestürzten Maschine liegen, ist riesig. Die Wrackteile sind nach Angaben des ukrainischen Rettungsdienstes über eine Fläche von etwa 25 Quadratkilometern verstreut. Das entspricht in etwa der Größe der ostfriesischen Insel Norderney. Wo die Flugschreiber sind, ist weiterhin nicht definitiv geklärt. Sie könnten in den Händen der Aufständischen sein. Separatistenanführer Alexander Borodaj sagte, die Black Boxes könnten dem Internationalen Roten Kreuz übergeben werden.
In jedem Fall steigt der Druck auf den Kreml massiv: Die Opfer der Passagiere werden Erklärungen fordern – und sich nicht mit Verschwörungstheorien der Separatisten abspeisen lassen, wonach an Bord Leichen gewesen seien und die USA oder Ukrainer den Flieger abgeschossen hätten.
Am Dienstag beraten zudem die EU-Außenminister über weitere Sanktionen gegen Russland, denn deren Unterstützung der Terroristen lässt sich nicht leugnen. Natürlich wird Präsident Wladimir Putin behaupten, er habe keinen Zugriff auf die Separatisten. Was angesichts der fürchterlichen Eigendynamik des Bürgerkriegs zum Teil stimmt. Druck ausüben kann er dennoch. Und zwar so:
Erstens kann sich Russland klar von den Separatisten distanzieren, die in der Ost-Ukraine weithin unkontrollierbar ihr Unwesen treiben. Eine deutliche Positionierung Putins würde ihnen die Moral für weitere Kämpfe und auch mögliche Söldner aus Tschetschenien oder anderen Teilen des Landes am Grenzübertritt hindern.
Zweitens muss der Kreml die Medienmaschine stoppen, die rund um die Uhr nichts als Lügen und Verschwörungstheorien über die Ukraine und den Krieg im Osten verbreitet. Die staatlichen Medien unterstehen den Weisungen einer Abteilung der russischen Präsidialverwaltung. Von dort kann eine entsprechende Direktive an die Redaktionen kommen, die stets im Sinne des Kremls berichten.
Drittens sind einige der Befehlshaber der Separatisten Inhaber russischer Pässe, die meisten standen oder stehen in Diensten des russischen Militärs oder der Geheimdienste. Letzterer wird in der Lage sein, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und den Marsch zu blasen. Zudem könnte man ihnen die Staatsbürgerschaft entziehen.
Viertens muss Russland die Grenze zur Ukraine sichern, über die offenbar Waffen sickern. Eine direkte Lieferung offizieller Stellen ist unwahrscheinlich, eher schon sind Waffenhändler am Werk. Aber die Russen haben moderne Überwachungstechniken, um die Grenzen zu sichern – auch Tadschikistan hatte Moskau immer wieder Hilfe beim Grenzschutz angeboten, um den Drogenschmuggel aus Afghanistan zu stoppen. An der Grenze zur Ukraine ist das ebenso möglich.
Fünftens muss die russische Seite dazu beitragen, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Im ersten Schritt muss eine Kontaktgruppe zwischen Kiew und den Separatisten tagen können, in einem zweiten Schritt wird wohl eine Beobachtermission von OSZE oder UNO notwendig sein, um den Frieden zu sichern. Ohne Unterstützung geht das nicht – und ohne Beteiligung Russlands wird dies ebenso nicht funktionieren.
Es wird Zeit, dass Russland Verantwortung übernimmt!