Ukraine-Premier tritt zurück Der gescheiterte Pharisäer Jazenjuk

"Revolutionsführer" Arsenij Jazenjuk ist als Premier der Ukraine gescheitert – und wirft hin. Der Schritt ist richtig, kommt aber zu spät. Und ob das neue Regierungspersonal die Reform-Blockade lösen kann, bleibt offen.

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Der bisherige ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk Quelle: dpa

Ach, was fabulierte Arsenij Jazenjuk einst von europäischen Werten, um die Ukrainer von sich zu überzeugen: Unter dem Sternenbanner der EU führte der Ökonom die „Revolution der Würde“ auf dem Kiewer Maidan. Allerlei Freiheiten versprach er seinen Landsleuten, eine blühende Wirtschaft ohne Korruption und Vetternwirtschaft. Doch am Ende ging es auch ihm nur um eines: um Macht.

Am Sonntag gab Arsenij Jazenjuk seinen Rücktritt als Premierminister der Ukraine bekannt. Endlich, muss man sagen. Denn damit neigt sich eine Regierungskrise dem Ende, die Anfang Februar mit der Fahnenflucht dreier reformwilliger Minister begonnen hatte. Hätte Jazenjuk früher die Konsequenzen seines Misserfolgs gezogen, wäre der Ukraine der wochenlanger Reform-Stillstand erspart geblieben.

Die Reformen sind gescheitert

In den Niederungen der Tagespolitik ist Arsenij Jazenjuk kläglich gescheitert, wie so viele Möchtegern-Reformer vor ihm. Die Ukraine bleibt ein Land mit großem ökonomischem Potenzial, einer vitalen Zivilgesellschaft, jeder Menge Humankapital – und einer politischen Elite, die sich an den Interessen der Oligarchen orientiert und ansonsten vor allem am eigenen Wohl interessiert ist. Der Frust der Ukrainer, deren Erwartungen dieser Pharisäer bitter enttäuschte, sitzt tiefer denn je.

Im Kampf gegen Korruption kam die Maidan-Regierung kaum voran. Das Justizsystem ist so verfilzt und käuflich wie vor jener „Revolution“, die Ende 2014 zigtausende auf die Straßen trieb. Die Regierung hat es nicht vermocht, die Wirtschaft für Investoren herauszuputzen – auch wenn die Standortvorteile ohne Lupe zu erkennen sind: Bei einem Brutto-Stundenlohn von zwei Euro ist das Land als Beschaffungsmarkt durchaus sexy. Das Bruttoinlandsprodukt wächst seit dem letzten Quartal vergangenen Jahres auch wieder, nachdem die Wirtschaft seit 2014 um 16 Prozent geschrumpft war.

Jazenjuks einziges Talent war die Rhetorik

Indes ist es nicht so, dass es keine Reformideen gegeben hätte: Finanzministerin Natalie Jaresko ist daran, das Steuer- und Zollsystem rigoros auf Effizienz und Transparenz zu trimmen. Wirtschaftsminister Aivaras Abramovicius räumte Hürden für Investoren aus dem Weg. Jazenjuk aber stellte sich allenfalls verbal hinter die Reformer und tat wenig, um deren Ideen durchzusetzen und die Blockade der Oligarchen zu lösen.

Das Talent des Hoffnungsträges beschränkte sich auf die Rhetorik: In martialischen Worten beschrieb er gern die „russische Aggression“ in der Ost-Ukraine. Auf den Stellvertreterkrieg Moskaus verwies, um im Ausland für Hilfsgelder zu werben und sich Zeit für Reformen im Inland zu erkaufen. Noch leidenschaftlich trug er nur den Machtkampf mit Präsident Petro Poroschenko aus, hinter dessen Lager andere Oligarchen stehen. So hatte er irgendwann jeden Kredit im In- und Ausland verspielt.

Höchste Zeit, dass eine neue Regierung übernimmt. Ob dies das Land auf Reformkurs hält, bleibt fraglich: Einerseits gilt der designierte Nachfolger Wladimir Groismann als Vertrauter des Präsidenten, sodass vorerst mit den Grabenkämpfen Schluss sein sollte. Andererseits ist auch der bisherige Parlamentspräsident und frühere Bürgermeister des westukrainischen Winniza Teil des Machtsystems, das sich auf undurchschaubare informelle Beziehungen und Interessen des Großkapital stützt.

Für die Ukrainer bleibt zu hoffen, dass der neue Premier seinen persönlichen Machtanspruch hintanstellt – und jene Reformen voranbringt, die die Menschen verdient haben.

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