
Breslau Nach der umstrittenen Inhaftierung der Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko hat Bundespräsident Christian Wulff der Ukraine mit einem Stopp des Annäherungsprozesses an die EU gedroht. „Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind unverzichtbar in der Partnerschaft der Europäischen Union mit der Ukraine“, stellte Wulff im polnischen Breslau (Wroclaw) klar.
Bei einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Viktor Janukowitsch forderte Wulff unmissverständlich ein rechtsstaatliches Verfahren im Fall Timoschenko. Ein Kiewer Gericht hatte die Ex-Regierungschefin im Oktober zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil sie beim Abschluss eines für die Ukraine ungünstigen Gas-Liefervertrags mit Russland ihr Amt missbraucht haben soll. Die EU spricht von einem politisch motivierten Verfahren und macht eine Freilassung Timoschenkos zur Voraussetzung für den Abschluss eines Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der Ukraine.
„Politische Auseinandersetzungen müssen im Parlament und dürfen nicht vor Gerichten geführt werden. Die Opposition darf nicht mundtot gemacht werden“, forderte der Bundespräsident nach dem Treffen mit Janukowitsch in Breslau. An dem Sechs-Augen-Gespräch nahm auch Polens Staatspräsident Bronislaw Komorowski teil.
Janukowitsch war wegen schlechten Wetters erst verspätet in Wroclaw eingetroffen. In Anspielung darauf sagte der Bundespräsident bei einem Festakt zum 200-jährigen Bestehen der Staatlichen Universität Breslaus, er hoffe, dass sich auch der politische Nebel über der Ukraine lichtet. Das von der wechselvollen deutsch-polnischen Geschichte geprägte Breslau profitiere „unermesslich von der Offenheit, Freizügigkeit, Pluralität und
dem Minderheitenschutz. Denn in einer solchen Gesellschaft gedeihen die besten Ergebnisse“, sagte der Bundespräsident. „Wir wünschen der Ukraine eine solche Entwicklung. Alle würden profitieren“, fügte Wulff hinzu.
Vor dem Festakt hatten Wulff und Komorowski in Breslau gemeinsam der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung gedacht. Beide legten Blumen an einem Denkmal für polnische Professoren aus Lemberg nieder, die ebenso wie Gelehrte aus Krakau Opfer der Nazis wurden. Die Stadt Lemberg (Lwiw) gehört seit 1945 zur Ukraine.
Der Bundespräsident traf in der polnischen Stadt außerdem Vertreter der deutschen Minderheit. Diese sei „ein großer Schatz“ für Polen und Deutschland, der gepflegt werden müsse. „Europa braucht Brücken der Kulturen“, betonte Wulff. Die deutsche Minderheit in Polen, zu der Schätzungen zufolge derzeit über 200.000 Personen gehören, könne jetzt aber auf eine Erfolgsgeschichte zurückschauen.