Umstrittene Thesen HSBC, der Klimawandel und der nackte Kaiser

HSBC in London Quelle: REUTERS

Die Großbank HSBC entlässt ihren Chef-Assetmanager, weil er in einem Vortrag vor übertriebenem Klima-Alarmismus gewarnt hat. Jetzt springt ihm einer der weltweit führenden Makroökonomen zur Seite. 

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Westliche Gesellschaften betrachten sich gern als Gralshüter bürgerlicher Freiheitsrechte. Zu diesen zählt die Redefreiheit. In der vergangenen Woche musste der britische Top-Banker Stuart Kirk, Leiter für verantwortungsbewusste Geldanlagen bei der britisch-asiatischen Großbank HSBC, jedoch am eigenen Leib erfahren, dass allzu freisinniges Reden auch in vermeintlich freien Gesellschaften bittere Konsequenzen haben kann. 

In einem Vortrag auf einer von der britischen Zeitung Financial Times ausgerichteten Konferenz stellte Kirk das in weiten Teilen der öffentlichen Diskussion fest verankerte Narrativ von der zerstörerischen Wirkung des Klimawandels in Frage. „Substanzlose, schrille, parteiische, eigennützige, apokalyptische Warnungen sind immer falsch“, schrieb Kirk auf eine Folie seiner Präsentation. Darunter listete er die  Klima-Warnungen der UN, des Weltwirtschaftsforums, der Bank von England sowie von deren ehemaligem Chef Mark Carney auf. Kirks Vortrag – er war ein offener Affront gegen das gesamte Klimaschutz-Establishment. 

Dabei ist Kirk beileibe nicht, was Klimaschützer gern verächtlich einen Klimaleugner nennen. Im Gegenteil. Kirk unterstützt eine angemessene Transformation zugunsten klimaschonender Technologien, wie er in seinem Vortrag betont. Allein schon, weil diese viele gute Investitionsmöglichkeiten bietet. Was er allerdings kritisiert, ist die Hysterie, mit der landauf, landab von interessierter Seite vor den Risiken für Wachstum und Wohlstand durch den Klimawandel gewarnt wird.

Der technische Fortschritt wird unterschätzt

Die zum Teil alarmistischen Prognosen der Klimaschutz-Lobby blendeten die Innovations- und Anpassungsfähigkeit der Menschen aus, erklärt Kirk. So sei die Geschichte der Menschheit geprägt von apokalyptischen Vorhersagen über das Ende der Welt. Keine davon habe sich jedoch bewahrheitet. Der Grund: Die Warner hätten immerzu den technischen Fortschritt unterschätzt, der mit seinen wirkmächtigen Innovationen den Menschen jene Flexibilität verleiht, die sie benötigen, um sich an unvermeidliche Veränderungen anzupassen. Daher sei es auch beim Klimawandel ratsam, auf den technischen Fortschritt zu setzen, statt durch Panikmache dazu beizutragen, dass knappe Ressourcen in falsche Verwendungen gelenkt werden, so Kirk.  

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Nachdem der Vortrag bekannt wurde, entlud sich in den sozialen Medien ein Shitstorm über Kirk und seiner Bank. Umwelt- und Klimagruppen forderten Kirks Entlassung. Die Führungsetage von HSBC hielt dem Druck nicht stand. Obwohl Kirks Vortrag nach Berichten der Financial Times vor der Konferenz intern abgesegnet worden war, schasste die Bank ihren Chef-Assetmanager. 

Nun aber erhält Kirk Unterstützung von John Cochrane. Der Professor von der US-Eliteuni Stanford ist einer der weltweit führenden Makroökonomen. Er nahm den Trubel um Kirk zum Anlass, das Video von dessen Vortrag in seinem vielbeachteten Blog „The Grumpy Economist“ zu verlinken und Kirks Aussagen zu kommentieren. Kirk habe eine „eloquente kurze Rede“ gehalten, deren Kernaussagen „den Lesern dieses Blogs bekannt sein dürften“, lobte Cochrane den Banker. Dabei habe er die Argumente so „kunstvoll zusammengestellt“, dass jedermann zu empfehlen sei, sich das Video anzuschauen.

Die Menschen werden reicher – trotz Klimawandel

Was sind die Argumente und Fakten, die Kirk zur Untermauerung seiner Thesen vorbringt? Um zu zeigen, dass der Klimawandel anders als häufig behauptet nicht das größte Problem der Menschheit ist, präsentiert Kirk seinen Zuhörern ein Schaubild. Es zeigt, dass die Aktienkurse an den Börsen seit Jahren trotz der anschwellenden Medienberichte über eine angeblich drohende Klimakatastrophe im Trend weiter munter steigen. „Ein guter Punkt“, findet Cochrane. „Die Märkte preisen nicht das Ende der Welt ein“. Dass sie sich irren und die Klimaapokalyptiker Recht behalten könnten, sei zwar nicht auszuschließen, aber sehr unwahrscheinlich, erklärt Kirk in seinem Vortrag.

Den Grund für die Gelassenheit der Finanzmärkte sieht der Banker in den Wachstumsprognosen des Weltklimarats (IPCC) höchstselbst. Diese zeigten, dass der Klimawandel nur einen vernachlässigbaren Effekt auf die Weltwirtschaft habe. So komme der IPCC zu dem Ergebnis, dass selbst ein starker Temperaturanstieg von 3,6 Grad bis zum Jahr 2100 das weltweite Bruttoinlandsprodukt nur um 2,6 Prozent schmälere. Im schlimmsten Fall könnten es fünf Prozent sein.

Was der Weltklimarat in seinen Analysen nicht erwähne, sei die Tatsache, dass die Weltwirtschaft weiterhin wachsen werde. Bei jährlichen Wachstumsraten zwischen zwei und drei Prozent in den nächsten Jahrzehnten werden die Menschen im Jahr 2100 um 500 bis 1000 Prozent reicher sein als heute, rechnet Kirk seinen Zuhörern vor. Und das trotz des Klimawandels.

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