Umstrittene Thesen HSBC, der Klimawandel und der nackte Kaiser

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„Was, wenn die Regulierungen die Wirtschaft im Namen des Klimaschutzes am Ende töten?“

Vor diesem Hintergrund sei selbst die vom IPCC für den ungünstigsten Fall errechnete Wachstumseinbuße durch den Klimawandel von fünf Prozent nicht mehr als ein „Fliegenschiss“, schreibt Cochran in seinem Blog. Die klimabedingten Einkommenseinbußen seien angesichts des allgemeinen Einkommenszuwachses so gering, dass sie kaum jemand wahrnehmen werde. Sie machten gerade einmal ein Achtel der Einkommenseinbußen durch die Eurosklerose aus. Diese durch die Reformunwilligkeit auf dem alten Kontinent ausgelöste Wachstumsschwäche – das Pro-Kopf-Einkommen auf dem alten Kontinent liegt um 40 Prozent unter demjenigen in den USA – sei die wahre Katastrophe, unter der Europa leide. 

Kirk bezeichnet es in seinem Vortrag als „Tragödie“, dass die Menschen zu viel Geld in die Vermeidung des Klimawandels, aber zu wenig in die Anpassung an diesen investierten. Als Vermögensverwalter müssten er und seine Kollegen sich mit einem wachsenden Ballast gesetzlicher Anlagevorschriften zur Bekämpfung des Klimawandels herumschlagen. Dabei sähe sich die Welt derzeit durch drängendere Probleme als den Klimawandel herausgefordert, darunter die aus dem Ruder laufende Inflation und die Gefahr einer neuen Immobilienkrise. Die zeitlichen und personellen Ressourcen, die die Klima-Regulierung im Finanzsektor binde, stünden in keinem gesunden Verhältnis zur faktischen Dringlichkeit des Problems, moniert Kirk. 

„Was, wenn die Regulierungen die Wirtschaft im Namen des Klimaschutzes am Ende töten“, fragt Cochran daher ketzerisch in seinem Blog. Unter den Menschen herrsche weitgehend Einigkeit, dass das Wetter höchstselbst keine finanziellen Katastrophen auslöse. Daher habe man die Debatte auf den Finanzsektor verschoben und dort eine Diskussion über Transformationsrisiken vom Zaun gebrochen, schreibt Cochran. 

Frisierte Klimastresstests der Zentralbanken

Hart geht Kirk in seinem Vortrag mit den Zentralbanken ins Gericht. Deren Verhalten sei besonders irritierend. Statt sich intensiv mit der Inflation und der Frage zu beschäftigen, warum diese außer Kontrolle geraten ist, hätten die Zentralbanker „zu viel Zeit mit Klimarisiken verbracht“, kritisiert der Banker.

Schlimmer noch. Die Zentralbanken hätten ihre Rechenmodelle, mit denen sie die Folgen des Klimawandels für die Bankbilanzen abzugreifen versuchen, absichtlich so hingebogen, dass sie hohe Klimarisiken für den Finanzsektor ausweisen, kritisiert Kirk. So hätten etwa die Bank von England und die niederländische Zentralbank in ihren Klimastresstests einen Zinsschock eingebaut, weil sie ohne diesen keine nennenswerten negativen Reaktionen der Bankbilanzen auf den Klimawandel hätten feststellen können. 

Kirk habe die Zentralbanken dabei erwischt, wie sie ihre Klimastresstests „frisiert haben“, schreibt Cochran. Schon der in den Rechenmodellen unterstellte mehrjährige Rückgang der Wirtschaftsleistung durch die Einführung einer CO²-Steuer sei fragwürdig. Geradezu abstrus sei es, wenn die Zentralbanken in ihren Klimasimulationen davon ausgehen, dass die Zinsen trotz rückläufiger Wirtschaftsleistung steigen. Die Erkenntnisse der Geldpolitik legten das Gegenteil nahe. „Bei einem fünf Jahre in Folge schrumpfenden Bruttoinlandsprodukt würden die Zinsen sinken, nicht steigen“, schreibt Cochran. 

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Furcht vor woken Investoren

Süffisant fragt der Stanford-Ökonom, welche Belohnung Kirk von seinem Arbeitgeber wohl für seinen Vortrag erhalten haben, in dem er zeigt, dass „der Kaiser keine Kleider trägt“. Habe die Bank ihren „mutigen Analysten für sein eigenständiges Denken, das die Anleger davor bewahrt, in überbewertete Wertpapiere zu investieren, belohnt?“ Nein. Die Bank hat ihren Asset-Manager auf der Stelle entlassen, weil „der Kaiser, seine Lakaien und seine Berater nicht wollen, dass man auf ihre Nacktheit hinweist“, klärt Cochran die Leser seines Blogs auf.

Warum die Führungsetage von HSBC derart schnell eingeknickt sei, fragt Cochran. „War es die Angst vor woken Investoren oder die Furcht vor Gegenschlägen durch die Regulierungsbehörden?“ Kirk sei ein „exzellenter Denker, der sich an Fakten orientiert und bereit ist, gegen den Strom zu schwimmen“ lobt der Stanford-Professor den britischen Banker. Die Schnelligkeit, mit der er nun einen neuen Job finde, werde zeigen, „ob es unter den Großbanken im Finanzsektor überhaupt noch Wettbewerb gibt“, resümiert Cochrane. 

Sie wird wohl auch zeigen, wie groß in westlichen Gesellschaften noch die Wertschätzung für kritisches Denken und Redefreiheit ist.

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