Umstrittenes Gesetz verabschiedet China will die totale Cyber-Kontrolle

Peking verschärft die Aufsicht über das Internet: Firmen können gezwungen werden, Quellcodes rauszugeben und chinesische Cyber-Produkte zu nutzen. Europäische und US-amerikanische Unternehmen schlagen Alarm.

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A man holds his new iPhone 7 at an Apple store in Beijing, China, September 16, 2016. REUTERS/Thomas Peter Quelle: Reuters

Peking Chinas Internetfirmen gehören zu den innovativsten der Welt. Alibaba definiert den Onlinehandel neu. Tencent ist mit seinem Messanger WeChat dem US-Pendant WhatsApp in der Funktionalität weit voraus. Und die Kooperation mit europäischen Firmen soll das „Internet 4.0“ in die Volksrepublik bringen. Doch ein neues Cybergesetz könnte diese Entwicklung hemmen oder sogar stoppen. Der deutsche Botschafter in China, Michael Clauss, warnte am Dienstag davor, dass sich das Gesetz zu einer Innovationsbremse entwickeln könne.

Er steht damit nicht allein da: Europäische und US-amerikanische Unternehmen schlagen Alarm, nachdem Chinas Volkskongress das umstrittene Gesetz zur Verschärfung der Cybersicherheit verabschiedet hat. Das Gesetz werde das Geschäft internationaler Firmen stark beschränken und eine Kooperation bei Themen wie Industrie 4.0 hemmen. Zudem warnen sie, dass es auch die Innovationskraft chinesischer Firmen beschädigen wird.

„Die fehlende Transparenz über das letzte Jahr zu diesem wichtigen und weitreichenden Gesetz hat viel Unsicherheit und negative Stimmung in der Geschäftswelt verursacht“, kritisierte die Europäische Handelskammer in Peking.

Und die US-Amerikaner gingen sogar noch weiter. James Zimmerman, Chairman der US-Handelskammer in China, wertete das Gesetz als fehlgeleitet. Es sei verständlich, dass Peking ein höheres Maß an Cybersicherheit gewährleisten wolle. Doch das leiste das Gesetz überhaupt nicht. Stattdessen stelle es „eine Barriere für Handel und Innovation“ dar, klagte Zimmermann.

Die strengen Auflagen für den grenzüberschreitenden Datenverkehr brächten keinen Zuwachs an Sicherheit, aber dafür neue Schranken für den Handel. Schlimmer noch: Die verpflichtende Weitergabe von Informationen an Behörden werde „unnötigerweise die Sicherheit schwächen und möglicherweise persönliche Daten offenlegen“, so der Chairman der US-Handelskammer weiter.

Das Gesetz sei zwar im Vergleich zum ersten Entwurf geringfügig verbessert worden, berge jedoch noch immer große Risiken, sagte Botschafter Clauss. „Wir beobachten im Jahr 2016 bereits einen massiven Rückgang der Investitionen der EU in China im Vergleich zum Vorjahr. Um dies umzukehren, sind dringend deutliche Öffnungsschritte Chinas erforderlich“, forderte der Botschafter.

Eine Zusammenarbeit im Bereich Industrie 4.0 erfordere Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und hinreichende Cyber-Offenheit, hob Clauss hervor. Das neue Gesetz leiste dazu jedoch keinen Beitrag. Der Botschafter äußerte die Hoffnung, dass die Regeln vor Inkrafttreten im Sommer 2017 noch angepasst werden könnten.

Ab Juni kommenden Jahres genießen Behörden weitreichende Kontrollmöglichkeiten für alles, was als „kritische Infrastruktur“ gezählt wird. Dazu zählen etwa auch Unternehmen, die Hard- und Software-Lösungen an die Betreiber von Kommunikationswesen, Energie, Transport, Wasserversorgung und Finanzwesen liefern.

Beim Zwang zur lokalen Datenspeicherung und der staatlichen Sicherheitsprüfung von Produkten habe sich Peking auf keinen Kompromiss eingelassen, sagt Nabil Alsabah vom Berliner China-Forschungsinstitut Merics. Doch Firmen könnten sich wehren. „So hat Apple nach eigenen Angaben die Aufforderung der chinesischen Regierung abgelehnt, Quellcodes seiner Software-Produkte offenzulegen – bis jetzt ohne negative Auswirkungen auf das Unternehmen“, so Alsabah.

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