Nachdem Deutschland im Jahr 1889 die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt hatte, folgten in den anschließenden Jahrzehnten praktisch alle Nachbarländer mit ähnlichen Versicherungssystemen nach. Die umlagefinanzierte Rentenversicherung sozialisierte die Schaffenskraft der Kinder, denn die Beiträge der Kinder standen nicht speziell den eigenen Eltern zur Verfügung, sondern wurden unter allen alten Menschen unabhängig von der Kinderzahl verteilt.
Sie war eine kulturelle und soziale Errungenschaft, weil sie einer Versicherung gegen ungewollte Kinderlosigkeit gleichkam und privates Unglück vermied, wie es in China Eltern ohne männliche Nachkommen erleiden. Indes wurde dadurch der Kinderwunsch allmählich vom Motiv der Alterssicherung entkoppelt.
Leben auf Kosten fremder Kinder
Diese Entkoppelung gelang so perfekt, dass heutzutage kein junges Paar bei der Entscheidung für oder gegen Kinder an die eigene Altersversorgung denkt – obwohl dessen Rente allein durch die Gesamtheit der Kinder und späteren Beitragszahler gesichert wird. Von Generation zu Generation merkten immer mehr Menschen, dass man im Leben ganz gut zurecht kommt, wenn man selbst keine Kinder hat und sich im Alter von den Kindern anderer Leute ernähren lässt. So erodierte, unterstützt durch die Multiplikatoren in den Medien und der Politik, die traditionelle Familie.
Auch China hat vor 14 Jahren eine Rentenversicherung für die Stadtbevölkerung eingeführt. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass Peking es nun wagt, das Kinderverbot zu lockern.
Der Vergleich zwischen China und Europa zeigt, dass man die Kinderzahl auf zweierlei Weg reduzieren kann: durch Kinder-Verbote bei Aufrechterhaltung des Kinderwunsches oder auf dem Wege der Eliminierung des Kinderwunsches durch die Sozialisierung der Schaffenskraft der Kinder. Wie die zitierten Zahlen zeigen, ist der in Europa eingeschlagene Weg der Sozialisierung viel wirksamer als alle chinesischen Verbote.
Europa verfolgt die Ein-Kind-Politik mithin viel rigoroser als China.