Ungarn übernimmt EU-Vorsitz Viktor Orban wird zu Europas neuem Haider

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Der feurige Appell der Wirtschaftsfürsten liegt auf dem Schreibtisch von Steuerkommissar Algirdas Šemeta. Bei der EU-Kommission heißt es derweil nur: „Wir prüfen das.“ So wie auch das Mediengesetz derzeit geprüft wird – in der Hoffnung, dass zum Schluss alles nicht ganz so schlimm kommt wie es scheint.

Wie kann Europa auf das Ungarn-Problem reagieren? In Brüssel herrscht Ratlosigkeit, denn die EU steckt in einem dreifachen Dilemma.

Erstenswill es sich Brüssel nicht mit der Regierung Orbán verscherzen: Während der ungarischen Ratspräsident muss der Euro-Rettungsschirm zum Krisenreaktionsmechanismus umgebaut werden, der Ausbau des Energiebinnenmarktes steht auf der Agenda und mit Kroatien klopft ein neuer Beitrittskandidat an. Diese Aufgaben lassen sich nicht ohne den Ratspräsidenten Orbán lösen.Zweitenshaben sich die EU-Bürokraten schon einmal die Finger mit Sanktionen verbrannt. Das war im Jahr 2000, als sich Brüssel über die Aufnahme des Rechtspopulisten Jörg Haider in die österreichische Regierung mokierte. Haider war aber in sauberen Wahlen gewählt worden, die Sanktionen verliefen im Sande – und endeten für Brüssel in einer bitteren Blamage, die die Kopf- und Zahnlosigkeit des EU-Konstrukts bei politischen Streitfällen offenbarte.Drittens sind die Vorwürfe gegen Ungarn juristisch wenig griffig: Normativ mag ein Angriff auf die Pressefreiheit bedenklich sein – formaljuristisch steht dahinter ein Gesetz, das ein frei gewähltes Parlament verabschiedet hat. Dass sich ausgerechnet eine Europäische Union darüber entrüstet, die ihr eigenes Demokratiedefizit kaum rechtfertigen kann, scheint unglaubwürdig. Zumal mächtige EU-Regierungschefs wie Italiens Silvio Berlusconi mit Verve in die Presselandschaft eingreifen.

Insofern ist aus Brüssel wenig Widerstand gegen den orbánschen Populismus zu erwarten. Die Hoffnung der Großkonzerne ruht darauf, dass die nationalen Regierungen ihr kollaborierendes Schweigen brechen und den Druck auf Ungarn erhöhen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat bereits versprochen, die Angelegenheit aufmerksam zu verfolgen. Das ist ein erster Schritt.

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