Ungarn übernimmt EU-Vorsitz Viktor Orban wird zu Europas neuem Haider

Die Europäische Union hat ein Ungarn-Problem: Regierungschef Viktor Orbán, erst seit letztem Mai im Amt, führt sein Land in erkennbar autoritärem Stil hin zur gelenkten Staatswirtschaft á la Putin. Ausgerechnet der 47-jährige Rechtspopulist, der sich mit markigen Worten gern vom Westen distanziert, führt von nun an für sechs Monate die Ratspräsidentschaft der EU an.

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Im Kreuzfeuer der Kritik: Quelle: dpa

Das Unheil kam mit Ankündigung: Im Sommer entband Orbán das Verfassungsgericht der parlamentarischen Kontrolle, er unterstellte die Zentralbank seiner Regie und besetzte Schlüsselstellen in Politik und Wirtschaft mit Gefolgsleuten. Seit Herbst gängelt er ausländische Investoren mit einer Krisensteuer, kurz vor Weihnachten peitschte er ein Gesetz zur Kontrolle der Medien durch. Mit Hilfe der rechten Fidesz-Partei, die über eine parlamentarische Zwei-Drittel-Mehrheit verfügt, treibt Orbán seine „konservative Revolution“ in atemberaubendem Tempo voran.

Und was treibt Brüssel? Die EU-Offiziellen schweigen. Just an jenem Tag, als das umstrittene Mediengesetz verabschiedet wurde, war der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Budapest. Eine „exzellenten Eindruck“ habe er vom Stand der ungarischen Vorbereitungen auf die EU-Ratspräsidentschaft. Jetzt steht dem blassen Van Rompuy ein kraftstrotzender Orbán zur Seite – doch ganz geheuer ist das Brüssel auch nicht.

Paralysiert vom Aufstieg des neuen Jörg Haider verstecken sich die EU-Bürokraten hinter Floskeln. Dabei ist kaum zu übersehen, dass Orbáns populistische Politik, die ihm zuhause in Ungarn breite Unterstützung einbringt, mit den europäischen Grundsätzen kaum vereinbar ist: Die Belastung der Investoren, die unabhängig von der Ertragslage eine Krisensteuer auf ihre Umsätze abführen müssen, widerspricht offenkundig den Grundsätzen des gemeinsamen Binnenmarkts. Die Verstaatlichung der von Konzernen wie Allianz verwalteten Pensionsfonds weckt Zweifel an der Rechtssicherheit.

In kaum mehr als einem halben Jahr hat es Orbán geschafft, das Vertrauen der Investoren zu verspielen. Mit dem Lebensmittel-Discounter Schlecker bläst bereits das erste deutsche Unternehmen zu Rückzug vom Markt, dessen Margen sich mit der Krisensteuer über Nacht in Luft auflösten. Reihenweise denken deutsche Investoren darüber nach, die Flinte ins Korn zu werfen.

Ausgerechnet Großkonzerne, die je nach politischer Wetterlage gern nach dem Wind pfeifen, erhöhen jetzt den Druck auf die ungarische Regierung: Die CEOs von 13 europäischen Großkonzernen, darunter Eon, RWE, EnBW, Allianz und Deutsche Telekom, fordern die EU-Kommission auf, Sanktionen gegen Ungarn zu erheben. Die Krisensteuern, die insbesondere Banken, Versicherungen, Handel, Energiewirtschaft und Telekom treffen, kosten ausländische Investoren rund 1,3 Milliarden Euro.

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