„Unite to Remain“ Großbritannien: Pro-EU-Politiker schließen Wahlpakt – ohne Labour

Die EU-freundlichen Partien haben sich auf eine Allianz verständigt. LibDems, Grüne und Plaid Cymru graben sich so nicht gegenseitig Wähler ab.

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Die Parteichefin der Liberaldemokraten rückt mit dem Bündnis zur Spitzenkandidatin der „Remainer“ auf. Quelle: Reuters

Mit einer Allianz wollen drei europafreundliche britische Parteien bei der kommenden Parlamentswahl Stimmen für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union sammeln. Liberaldemokraten, Grüne und die walisische Plaid Cymru einigten sich, in 60 Wahlkreisen in England und Wales nicht gegeneinander anzutreten. Vielmehr wollen sie bei der Abstimmung am 12. Dezember gemeinsam den Pro-EU-Kandidaten unterstützen, dem jeweils die besten Chancen gegen die großen Parteien - die Konservativen und Labour - eingeräumt werden.

Die Liberaldemokraten setzen sich vehement für einen Verbleib („Remain“) in der EU ein und wollen ein zweites Referendum erreichen. Ein Wahlpakt gilt als einzige Chance für Parteichefin Jo Swinson, den großen Parteien Paroli zu bieten. Das britische Mehrheitswahlrecht sieht nur Direktmandate vor. In jedem Wahlkreis gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen. Alle andere Stimmen verfallen.

Die drei Pro-EU-Parteien hielten im Unterhaus zuletzt 25 der 650 Sitze. Sie einigten sich darauf, dass die Liberaldemokraten in 43 Wahlkreisen ohne Konkurrenz der Bündnispartner antreten, die Grünen in 10 und Plaid Cymru in 7.

„Dies ist ein bedeutender Moment für alle Menschen, die „Remain“-Kandidaten unterstützen wollen“, sagte Swinson, die Premierministerin werden will. Sie hat angekündigt, weder mit den Konservativen noch mit Labour zu koalieren.

Labour ist nicht Teil der Allianz. Die Sozialdemokraten seien nicht einheitlich für den Verbleib in der EU, sondern wollten selbst einen Brexit-Vertrag aushandeln, sagte die Vorsitzende der überparteilichen Initiative Unite to Remain, Heidi Allen, dem Sender BBC Radio 4. Beobachter wiesen aber darauf hin, dass nun eine Aufspaltung der Stimmen von Brexit-Gegnern zwischen der Allianz und Labour drohe - davon könnte Premierminister Boris Johnson profitieren.

Labour-Chef Jeremy Corbyn geriet erneut wegen Antisemitismus-Vorwürfen unter Druck. Die jüdische Londoner Wochenzeitung „The Jewish Chronicle“ (Freitag) schrieb an nicht-jüdische Briten gerichtet, die überwiegende Mehrheit der Juden im Land halte Corbyn für einen Antisemiten. Das habe eine Umfrage ergeben. Darin habe zudem knapp die Hälfte angegeben, sie wolle im Falle eines Wahlsiegs Corbyns das Land verlassen.

Gegen Labour und Corbyn gibt es seit langem Antisemitismus-Vorwürfe. Der 70-Jährige hat eingeräumt, dass Disziplinarverfahren gegen antisemitische Parteimitglieder zu langsam und zaghaft betrieben worden seien. Kritiker werfen dem Alt-Linken eine einseitige Unterstützung der Palästinenser im Nahostkonflikt vor. Corbyn wehrte sich gegen die Vorwürfe. „Antisemitismus ist ein Gift und ein Übel in unserer Gesellschaft.“ Er bedauere den Beitrag des „Chronicle“; es gebe viele jüdische Mitglieder in der Labour-Partei, die diese Ansichten nicht teilten.

Ärger macht Labour auch der Ex-Abgeordnete Ian Austin, der im Februar wegen einer „Kultur des Extremismus, Antisemitismus und der Intoleranz“ aus der Partei austrat. Austin sagte der BBC, Corbyn sei „ungeeignet“ für das Amt des Premierministers, und rief „anständige patriotische Labour-Wähler“ auf, für die Tories zu stimmen. Zudem muss Corbyn den Abgang des Vize-Parteichefs Tom Watson verkraften. Watson galt als gemäßigter Gegenpol zu Corbyn. Immer wieder gab es offene Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden sozialdemokratischen Politikern.

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