Unternehmertum Auf der Suche nach der Mittelschicht in Afrika

Seite 3/6

Rangmy Ridua, Verwaltungsangestellter und Chemielehrer in Pemba, Mosambik

Aus Afrika stammt diese Quelle: dpa/dpaweb

Rangmy Ridua ist im öffentlichen Dienst im Transportwesen beschäftigt. Freiberuflich arbeitet er als "clearing agent", ist also Privatkunden behilflich, Importgüter durch den Zoll zu bringen. Er erledigt ‧Formalitäten und Behördengänge. Ich möchte ihm nicht unrecht tun, ganz bestimmt ist er ein honoriger Mann. Aber sollte er das nicht sein: Gäbe es für jemanden, der bereit wäre, sich an Korruption zu beteiligen, eine bessere Gelegenheit als diese beiden Tätigkeiten auszuüben? Die Frage offen auszusprechen wäre eine Frechheit. Schließlich ist das, was Ridua tut, völlig legal. Der 32-Jährige unterrichtet außerdem an einer Schule als Chemielehrer. Seine Befähigung dafür ist begrenzt. Er lernt immer vor der nächsten Stunde die Lektion aus dem Lehrbuch, die drankommen soll. Und sagt selbst: „Die Regierung baut überall Schulen, aber die Qualifikation der Lehrer hält damit nicht Schritt.“ In fast allen Ländern, in denen lange Krieg herrschte – wie in Mosambik –, sind die Mängel des Bildungswesens eines der Probleme, deren Bewältigung viele Jahre dauert. Eine ganze Generation konnte nur unregelmäßig oder gar nicht zur Schule gehen – wo sollten da die Lehrer herkommen? In einer mosambikanischen Grundschulklasse sitzen derzeit durchschnittlich 70 Kinder.

Ridua braucht jeden Cent

Ridua braucht jeden Cent, den er verdienen kann. Auf der Abendschule absolviert er derzeit eine Ausbildung zum Bilanzbuchhalter. Dafür muss er umgerechnet mehr als 100 Euro monatlich bezahlen. Für seine Tätigkeit im öffentlichen Dienst bekommt er kaum mehr als das, nur knapp 150 Euro. Teuer ist auch das Familienleben: Fünf Söhne im Alter zwischen zwei und acht Jahren wollen ernährt und gekleidet werden. Der Vater würde gerne in die etwas weiter südlich gelegene Stadt Nampula ziehen, in das wirtschaftliche Zentrum von Nordmosambik: "Alles Geld fließt nach Maputo, in die Hauptstadt. Ein bisschen was kommt auch noch in Nampula an – aber dann ist Schluss. Weiter rauf in den Norden kommt so gut wie nichts."

Ist Rangmy Ridua ein Angehöriger der Mittelschicht? Er selbst bejaht die Frage einschränkungslos: "Die Mittelschicht, das sind Leute, die nicht reich sind, die aber auch nicht auf Hilfe angewiesen sind." So wie er eben. Er kann sich sogar ein Auto leisten, einen alten Landcruiser, und er hat einen Fernseher im Wohnzimmer stehen. Und bei manchen Themen redet er so, dass ich mich nach Deutschland versetzt fühle. "Die Leute, die jetzt herkommen – das sind nicht alles Kriegsflüchtlinge." Sondern? "Wirtschaftsflüchtlinge."

Wer in einem vergleichbar großen Ort in Deutschland wohnt, würde Rangmy Ridua fraglos als arm bezeichnen. Fünf Kinder, ungesicherte Einkommensverhältnisse, keine Rücklagen – und das soll ein Angehöriger der Mittelschicht sein? Ridua würde eine andere Rechnung aufmachen. Er kann seine Familie aus eigener Kraft ernähren und: Er kann sein Leben planen, er hat gute Gründe, auf eine bessere Zukunft zu hoffen, er verfügt über ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit. Niemand zwingt ihn, einen großen Teil seines Einkommens für den Besuch einer Abendschule auszugeben. Und niemand hindert ihn.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%