Unternehmertum Auf der Suche nach der Mittelschicht in Afrika

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Richard Oduro, Entwicklungsplaner in Accra, Ghana

Richard Oduros Eltern waren Polizisten. Beide gehörten in ihren Familien zur ersten Generation, die vom Land in die Stadt drängte: "Nur dort waren die Schulen gut", sagt der 39-Jährige. Seine Eltern wünschten sich eine bessere Zukunft für ihre Kinder, und der Wunsch ging in Erfüllung: Richard Oduro schaffte es auf die Universität, seit fünf Jahren ist er als Entwicklungsplaner in der Stadtverwaltung von Accra beschäftigt. Er hat Frau und zwei kleine Kinder. Etwa 300 Euro verdient er monatlich, aber mit Beraterverträgen für internationale Firmen kommt er auf das Fünffache.

"Ja, wir gehören zur Mittelschicht", sagt er. Seine Definition dieses Teils der Bevölkerung: "Leute, die jede Situation selbst bewältigen können, von massiven Gesundheitsproblemen und den damit verbundenen Kosten vielleicht abgesehen. Sie können das auch deshalb, weil sie Freunde haben und sich immer jemand findet, der im Notfall bei einer Kreditaufnahme behilflich ist." Aber die Zugehörigkeit zur Mittelschicht sei keine lebenslange soziale Standortbestimmung: "Manche schaffen es in die Oberschicht, zum Beispiel durch Korruption, andere stürzen ab." Vor allem für Kinder der Landbevölkerung werde es immer schwieriger, in die Mittelschicht aufzusteigen. Ohne eine gute Schulbildung gebe es kaum Chancen, voranzukommen. Mittelschicht über das Kriterium der Durchlässigkeit nach oben und unten zu definieren: Das scheint mir eine der brauchbarsten Analysen zu sein, die ich während dieser Reise gehört habe.

Eigenes Koordinatensystem

Wer zur afrikanischen Mittelschicht gehört und wer nicht, ist eben keine Frage mehr, die allein von Europa aus beantwortet werden kann. Die Gesellschaften in den Staaten südlich der Sahara haben inzwischen ihr eigenes Koordinatensystem entwickelt. Wir können hinschauen und zuhören. Mit endgültigen Definitionen sollten wir uns zurückhalten. So fürchterlich wichtig finden viele Afrikanerinnen und Afrikaner es ohnehin nicht mehr, was Europa von ihnen hält. Wenn ich auf dieser Reise eine neue Erkenntnis gewonnen habe, dann diese: Wir sind nicht mehr das Maß aller Dinge. Das kann man betrüblich finden. Ich finde es vielversprechend.

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