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"Unverständlich und inakzeptabel" Moskau verweigert Kritiker die Einreise

Der CDU-Politiker Wellmann hat sich oft kritisch über Russlands Vorgehen im Ukraine-Krieg geäußert. Jetzt verweigert ihm Moskau die Einreise. Die Bundesregierung protestiert. Gibt es eine russische Sanktionsliste?

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Die Putin-Versteher
Helmut Schmidt (SPD), Ex-BundeskanzlerAltkanzler Helmut Schmidt hat sich für mehr Verständnis für Russland und Präsident Wladimir Putin ausgesprochen. Andernfalls sei „nicht völlig ausgeschlossen“, dass aus dem Konflikt um die Ukraine „sogar ein heißer Krieg wird“, sagte Schmidt. Die großen Sorgen Putins gälten weniger der Ukraine, Polen oder Litauen, sondern den Nachbarn China, Pakistan und ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken, sagte Schmidt. Angesichts dieser Lage sei Putin die Zukunft der Ukraine „weniger wichtig“. Russland sei von den Beschlüssen der EU zur Ost-Erweiterung Anfang der Neunziger Jahre in einer „Wild-West-Periode“ unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin überrascht worden. „Das rächt sich heute“, sagte Schmidt, denn Jelzins Nachfolger Putin habe Russland wieder internationale Beachtung verschafft. „Putins Politik muss uns nicht gefallen. Aber wir müssen sie aus der Geschichte verstehen und ernst nehmen.“ Quelle: dpa
Dietmar Bartsch, die LinkeIn Anne Wills Sendung zum Mord an Putin-Kritiker Boris Nemzow sagte Dietmar Bartsch von den Linken, dass das „Oberlehrertum" Deutschlands gegenüber Russland den Deutschen nicht zustehe und erinnerte an den Zweiten Weltkrieg. In Bezug auf die Entfremdung zwischen Russland und dem restlichen Europa fragte Bartsch, ob „wir“ dazu nicht einen Beitrag geleistet und antwortete sogleich mit: „Ich glaube schon.“ Weiter sagte er zur Annexion der Krim und den Krieg in der Ostukraine, Putin habe schon Gründe für sein Handeln, vielleicht fühle sich Russland mit gutem Grund bedroht und greife präventiv die Ukraine an. Auch gegen Wirtschaftssanktionen sprach er sich aus. Quelle: dpa
Siemens-Chef Joe Kaeser Alle reden über Sanktionen gegen Russland – und Siemens-Chef Joe Kaeser pflegt Kundenkontakte. Er besuchte Russlands Präsident Wladimir Putin und traf in dessen Residenz nahe Moskau auch den Chef der russischen Eisenbahn, Wladimir Yakunin. Dass der auf der Sanktionsliste der USA steht, seitdem Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte, störte Kaeser nicht weiter.  Im ZDF-„heute journal“ sagte er dazu: „Wir schließen nicht Geschäfte mit Menschen ab, die zufällig ein Unternehmen leiten, sondern mit den Unternehmen als Ganzes. Und das sind Einzelpersonen in aller Regel zweitrangig.“ Auch sonst fand der Siemens-Chef nichts dabei, in der derzeitigen angespannten Lage, nach Russland zu reisen und Putin zu treffen. Kaeser betonte, „(…)dass wir uns von kurzfristigen Turbulenzen in unserer langfristigen Planung nicht übermäßig leiten lassen“. Und er fügte hinzu: „Wenn ich die Kommentare so mancher Altbundeskanzler bewerte, fühlt man sich nicht besonders allein. (…)“ Gemeint sind Gerhard Schröder und Helmut Schmidt, die beide Verständnis für Putins Vorgehen in der Krim-Krise geäußert hatten. Quelle: dpa
Peter Gauweiler, CSU-VizeDer stellvertretende CSU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler kritisierte den Kurs der Regierung Merkel in der Krim-Krise scharf. Im „Stern sagte der 64-Jährige, Washington und Brüssel, die EU, hätten „uns in eine gefährliche Drohungseskalation gebracht“. Dass Kanzlerin Angela Merkel wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland wolle und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine größere Truppenpräsenz an der Ostgrenze der Nato forderte, bezeichnete er als „Säbelrasseln“ und „gefährliche Kraftmeierei“. Man dürfte nicht ignorieren, dass Russlands Präsident Wladimir Putin in der Krim-Frage die Mehrheit der Russen hinter sich habe und dem Volk seinen Stolz zurückgegeben habe. Drohungen würden hier nicht weiterhelfen. Die Entsendung von Jagdbombern und Kampfjets der Nato nach Polen und Litauen war in den Augen von Gauweiler der falsche Weg. „Solche militärischen Spiele müssen sofort aufhören. Ein militärisches Vorgehen ist keine Option. Oder wollen die ein neues 1914?“ Quelle: dpa
Gerhard Schröder (SPD), Ex-BundeskanzlerGerhard Schröder gilt als Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Sozialdemokrat ist seit seinem Ausscheiden aus der Politik Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG, bei der der russische Staatskonzern Gazprom die Mehrheit der Anteile hält. Schröder lehnt es ab, Putin wegen seines völkerrechtswidrigen Handelns auf der Krim mit erhobenem Zeigefinger gegenüberzutreten. Er begründet dies damit, dass er selbst das Völkerrecht gebrochen habe, als es um die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg gegen Serbien während seiner Regierungszeit gegangen sei. Quelle: AP
Gregor Gysi, LinksfraktionschefLinken-Fraktionschef Gregor Gysi kritisiert zwar den Griff Russlands nach der Krim. Für nicht akzeptabel hält er allerdings, dass mit der Ostausdehnung der Nato nach dem Kalten Krieg russische Sicherheitsinteressen massiv verletzt wurden. Kanzlerin Angela Merkel hält er zudem vor, beim Völkerrecht mit zweierlei Maß zu rechnen. Auch die Abtrennung des Kosovo von Serbien sei ein Rechtsbruch gewesen. Außerdem arbeite die Bundesregierung mit der Übergangsregierung in Kiew zusammen, an der Faschisten beteiligt seien. Die Strafaktionen gegen Russland lehnte er ab. Quelle: dpa
Sahra Wagenknecht, LinksparteivizeDer Westen sollte sich nach den Worten der stellvertretenden Linkspartei-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht mit einer möglichen Angliederung der Krim an Russland abfinden. „Es gibt machtpolitische Gegebenheiten, die man akzeptieren muss.“ Wirtschaftssanktionen gegen Russland lehnt sie ab. Kritisch sieht sie die jetzige Regierung in Kiew, in der „Neofaschisten“ und „Antisemiten“ säßen. „Insofern ist das eine Reaktion auf eine Fehlentwicklung“, sagte sie. Der Bundesregierung hält Wagenknecht eine „zutiefst heuchlerische Außenpolitik“ vor. „Die USA und die Bundesrepublik haben jedes Recht verwirkt, Völkerrechtsbrüche zu kritisieren, weil sie selber so viele begangen haben.“ Quelle: dpa

Die durch den Ukraine-Konflikt angespannten deutsch-russischen Beziehungen werden durch einen neuen Vorfall belastet: Dem CDU-Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann wurde am Sonntagabend auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo die Einreise verwehrt. Das Auswärtige Amt bezeichnete den Vorfall als "unverständlich und inakzeptabel". Der Botschafter in Moskau sei unverzüglich im russischen Außenministerium vorstellig geworden. Wellmann vermutet, dass er auf einer Liste mit Gegensanktionen zu den EU-Strafmaßnahmen steht, die wegen des Konfliktes in der Ukraine verhängt wurden.

Wellmann ist Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe und Russland-Berichterstatter seiner Fraktion. Er sei Sonntag um 21.30 Uhr auf dem Flughafen angekommen, sagte Wellmann Reuters TV. An der Passkontrolle sei er dann festgehalten worden. "Und nach zweieinhalb Stunden hat man mir erklärt, ich dürfe bis 2019 nicht einreisen und müsse das nächste Flugzeug, was am nächsten Morgen um sieben ging, zurück nehmen."

Fünf Folgen der Wirtschaftskrise in Russland

Eine Begründung dafür habe es nicht gegeben. "Ich bin ja nicht persönlich gemeint", sagte Wellmann. "Es ist das Mitglied der Regierungskoalition gemeint und letztlich wahrscheinlich die Bundesregierung als solche. (...) Und deshalb ist dieser Vorgang schon gravierend." Der CDU-Politiker wollte sich in Moskau nach eigenen Angaben unter anderem mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat treffen.

Wellmann hatte Russland maßgeblich für den Ukraine-Konflikt verantwortlich gemacht. "Russland ist der Kriegstreiber in der Region, weil es die Separatisten mit schweren Waffen, logistischer Hilfe und Treibstoff versorgt", sagte Wellmann im Januar der Nachrichtenagentur Reuters. Mitte Februar sagte er im ZDF: „Es ist ein russischer Krieg, der dort geführt wird. Die Separatisten sind Werkzeuge der Russen.“ Es gebe in der Ostukraine einen „permanenten Zufluss von Munition, von Waffen, von Kämpfern, von Logistik aus Russland."

Wie Muskelprotz Putin sich fit hält
In Sotschi ließ sich Sportfan Wladimir Putin nicht nur auf den Tribünen blicken. Hier posiert er mit Teilnehmern der Paralympischen Spiele. Quelle: dpa
Mit schicker Sonnenbrille... Quelle: rtr
...verfolgte er die Wettkämpfe auf den Pisten von Krasnaya Polyana. An seiner Seite: der russische Sportminister Vitaly Mutko. Quelle: dpa
Hier geht es im Sessellift mit Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew (Mitte) auf den Berg – zur nächsten Abfahrt. Quelle: rtr
Um ein wenig Muskeln aufzubauen, hat Wladimir Putin als schmächtiger Junge den Nutzen von Judo erlebt. 2005 stieg er zu Showzwecken noch einmal auf die Matte. Quelle: AP
Mit seinen Kampfsportkenntnissen – die er hier bei einer Trainingsstunde in St. Peterburg noch einmal vorführte – konnte sich der als schwächlich beschriebene „Wolodja“ in seiner Heimatstadt gegen stärkere Nachbarjungs verteidigen. Quelle: REUTERS
Legendär sind die Aufnahmen, die Putin in freier Wildbahn zeigen. Hier als Indiana-Jones-Double in Sibirien... Quelle: AP

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Montag, der deutsche Botschafter Rüdiger Freiherr von Fritsch sei „in der Sache unverzüglich im russischen Außenministerium vorstellig geworden“. Die Bundesregierung habe „in Moskau wie auch gegenüber der russischen Botschaft in Berlin gegen die Einreiseverweigerung protestiert“. Auch das Kanzleramt sei involviert, sagte Wellmann zu „Focus Online“.

Wie er dem „Berliner Kurier“ schilderte, wurde ihm nach seiner Landung auf dem Flughafen Moskau-Scheremetjewo mitgeteilt, dass er ein Einreiseverbot bis 2019 erhalte. Er wurde aufgefordert, den nächsten Flug zurück nach Deutschland zu nehmen, und verbrachte die Nacht im Airport-Transitraum.

„Ich habe kein Verständnis und keine Erklärung für dieses Vorgehen“, sagte Wellmann dem „Kurier“. „Ich hatte eine hochrangige Einladung und war in Moskau zu Gesprächen verabredet, bei denen es um die Zukunft der Ukraine - gerade ausdrücklich unter Einbeziehung der Russen - gehen sollte.“ So wollte er mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat zusammentreffen.

Putin spricht...

„Wir vermuten, dass es eine Gegensanktionsliste auf russischer Seite zu den Sanktionen der EU gibt“, sagte Wellmann zu „Focus Online“. „Und auf dieser bin ich als Berichterstatter meiner Fraktion für Russland wohl gelandet. Weil diese Liste nicht öffentlich ist, merkt man erst in der Einreisehalle, dass man darauf steht.“ Dem Vernehmen nach sind der Bundesregierung aber keine Listen mit Personen bekannt, denen die Einreise nach Russland untersagt wäre.

Auf einer EU-Sanktionsliste im Zusammenhang mit der Krim- und der Ukraine-Krise stehen vor allem russische Unternehmer. Im Gegenzug wurde die deutsche Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms im September an der Einreise nach Russland gehindert. Der im Vorjahr gestorbene CDU-Politiker Andreas Schockenhoff war als Koordinator für die Zusammenarbeit mit Russland wegen scharfer Kritik an Moskau in Ungnade gefallen. Zuletzt hatte Moskau gegen das Einreiseverbot für die kremlnahe Rockergruppe „Nachtwölfe“ protestiert.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, sagte zum Fall Wellmann: „Russische und deutsche Abgeordnete müssen sich sowohl in Brüssel, Berlin oder Moskau treffen und unterhalten können. Einreiseverbote sind kontraproduktiv.“

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