Urteil zum Brexit Drei Richter gegen Theresa May

Der Londoner High Court hat in der Brexit-Frage zu Ungunsten von Theresa May entschieden. Sie braucht nun den Parlamentsbeschluss, um den EU-Austritt in Gang zu setzen. Das letzte Wort hat aber der Oberste Gerichtshof.

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Eine Abstimmung der Abgeordneten in der Brexit-Frage lehnt die Premierministerin ab- Quelle: dpa

London Viel haben die drei Richter nicht preisgegeben – von einer kleinen Bemerkung am letzten der drei Verhandlungstage abgesehen. Er sei reichlich verblüfft angesichts dieser Argumentation, entfuhr es einem der Richter bei dem stundenlangen Vortrag der Rechtsanwälte, die die britische Regierung vertraten. Diesen Kommentar wiederholte der Mann kurze Zeit später noch einmal. Prozessbeobachter haben daraus geschlossen: Die Chancen stünden schlecht für Großbritanniens Premierministerin Theresa May, diesen Fall zu gewinnen.

Sie lagen mit dieser Einschätzung richtig. Der Londoner High Court, die erste Instanz für gewichtige Streitfälle, entschied am Donnerstag in einer äußerst bedeutenden Brexit-Schicksalsfrage gegen May. Sie dürfe den Austritt aus der EU nach Artikel 50 des Vertrages von Lissabon nicht, wie bisher geplant, auf eigene Faust in Gang setzen. Stattdessen sei ein offizieller Parlamentsbeschluss dafür notwendig.

Damit entschied das Londoner Gericht ganz anders als ein nordirisches Gericht. Dieses hat eine ähnliche Klage Ende Oktober zurückgewiesen. Das letzte Wort in diesen Auseinandersetzungen wird aber voraussichtlich der Oberste Gerichtshof haben. Die jeweils unterlegene Seite hat bereits in beiden Fällen signalisiert, vor den Supreme Court zu ziehen. Dieser hat nach Angaben der beteiligten Juristen schon zwei Tage in der ersten Dezemberhälfte für eine Anhörung reserviert. Mit einer Entscheidung rechnen Experten bis Ende Januar.

May will bis Ende März die offiziellen Austrittsgesprächen mit Brüssel aufnehmen, die sich nach bisherigen Vorgaben über zwei Jahre erstrecken dürften. Entscheidet aber der Supreme Court ebenfalls zu Ungunsten von May und hält damit die Entscheidung des Londoner High Courts aufrecht, dürfte das die Dinge verkomplizieren und Mays Brexit-Zeitplan deutlich in die Länge ziehen.

Diejenigen, die für Artikel 50 eine Abstimmung im Parlament als erforderlich ansehen, verbinden damit vor allem eine Hoffnung: Dass die Chancen auf einen so genannten harten Brexit, bei dem Großbritannien den vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt verliert und den May vorzuziehen scheint, sinken. Denn die Mehrheit der Abgeordneten gilt als europafreundlich. Vor allem Investoren erwarten daher, dass es eine wirtschaftsfreundliche Austrittslösung gibt, wenn das Parlament eine größere Rolle in der Brexit-Debatte spielt.


Brexit vom Brexit bleibt unwahrscheinlich

Die Hoffnung einiger Briten, dass die Abgeordneten den Abschied aus der EU am Ende möglicherweise ganz verhindern und sich so dem Brexit-Votum von Ende Juni entgegenstellen, gilt dagegen als äußerst gering. Ende Juni haben 52 Prozent der Briten für einen Austritt gestimmt.

Die Kläger in London, darunter die Fondsmanagerin Gina Miller und andere Brexit-Gegner, argumentieren: Es braucht einen Parlamentsbeschluss, um Artikel 50 und damit den EU-Austritt in Gang zu setzen, denn ansonsten würden „fundamentale Rechte“ der Briten verletzt, sagt Lord David Pannick, der Gina Miller vor Gericht vertritt. Die gerichtliche Auseinandersetzung sei daher von grundlegender Bedeutung für die Verfassung des Landes. Auf diese Weise würden die Grenzen der Macht der Regierung ausgelotet.

Sie stützten ihre Argumentation auch damit, dass der Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Anfang der 70-er Jahre ebenfalls mit Hilfe eines Parlamentsbeschlusses über die Bühne ging. Diesen Schritt wieder rückgängig zu machen, ginge daher nur mit einer Entscheidung der Abgeordneten.

Premierminister May hat zwar nach Druck aus der Opposition und aus ihrer eigenen Partei dem Parlament die Möglichkeit eingeräumt, über den Brexit zu debattieren. Eine Abstimmung der Abgeordneten lehnt sie aber ab. Sie begründet das mit den Hoheitsrechten, die einst von der Krone auf die Regierung übertragen wurden und auswärtige Angelegenheiten regeln, darunter auch die Beziehungen zu EU. Das gebe ihr das Recht, in dem Fall auch ohne Erlaubnis des Parlaments zu handeln.

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