US-Justizminister Sessions wagt riskanten Balanceakt

Jeff Sessions steht unter Druck: Er muss die Unabhängigkeit seines Amtes wahren, darf aber auch den Präsidenten nicht zu sehr verärgern. Die Republikaner fordern nun, dass er gegen Hillary Clinton ermittelt.

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USA: Jeff Sessions wagt riskanten Balanceakt Quelle: AP

Washington Einerseits hat er die Rufe nach einem Sonderermittler zurückgewiesen. Doch andererseits ließ US-Justizminister Jeff Sessions verkünden, dass hochrangige Staatsanwälte die Sache nun in seinem Auftrag prüften. Es könnte ein Versuch sein, den Boss im Weißen Haus zu besänftigen - und damit den eigenen Job zu retten. Gleichzeitig hat die Taktik den Vorteil, dass er die Untersuchung über eine mögliche Verfehlung von Hillary Clinton anderen überlässt. Würde er selbst allzu aktiv, sähe es ohnehin nur wie ein Ablenkungsmanöver aus.

Mit einem Schreiben des Justizministeriums wurde Anfang der Woche veranlasst, „bestimmten Themen“ nachzugehen, die von republikanischen Abgeordneten vorgebracht worden seien. Geprüft werden soll unter anderem, ob ein umstrittenes Uran-Geschäft während der Regierungszeit von Barack Obama das Einsetzen eines zweiten Sonderermittlers erforderlich mache, hieß es. Kritiker - allen voran US-Präsident Donald Trump - werfen der Clinton-Stiftung vor, damals von dem Deal mit einem russischen Staatsunternehmen profitiert zu haben.

Je mehr sich der Verdacht einer Zusammenarbeit des Wahlkampfteams von Trump mit Moskau erhärtet, desto vehementer fordert der Präsident rechtliche Schritte gegen seine einstige Rivalin. Eigentlich steht es dem Weißen Haus nicht zu, Einfluss darauf zu nehmen, welchen Fällen Sessions Ministerium nachgeht und welchen nicht. Und auch wenn ein Teil des dortigen Führungspersonals politisch besetzt ist, wird über Ermittlungen in der Regel eher hinter den Kulissen entschieden.

Aber Sessions steht massiv unter Druck. Gegenüber der Öffentlichkeit muss er zeigen, dass er sich in seiner Arbeit nicht von machtpolitischen oder gar persönlichen Überlegungen leiten lässt und damit sein Amt korrumpiert. Und gegenüber Trump muss er beweisen, dass er trotz allem loyal ist. Denn seit der Minister in der Russland-Affäre das Einsetzen des Sonderermittlers Robert Mueller ermöglichte, indem er sich selbst für befangen erklärte, ist der Präsident mehr als verärgert.

Beim Thema Clinton kommt Sessions dem Weißen Haus und anderen Kritikern in der eigenen Partei jetzt entgegen. Und sollte die Staatsanwaltschaft schließlich doch befinden, dass die Vorwürfe gegen Clinton nicht haltbar seien, kann dies zumindest nicht direkt als Nachlässigkeit des Ministeriums gewertet werden. Wer an den Untersuchungen beteiligt sein wird, ist noch unklar. Es ist aber davon auszugehen, dass sie unabhängigen Juristen in die Hände gelegt werden. Sollte Sessions ausgerechnet diesen Fall einem von Trump eingesetzten Beamten anvertrauen, hätte das ganze Verfahren kaum die gewünschte Glaubwürdigkeit.

Bei einer Anhörung im Justizausschuss des Repräsentantenhauses wurde am Dienstag deutlich, dass Sessions bisher nur wenige seiner Kritiker besänftigt hat. Von Seiten der Demokraten wird schon der Auftrag an die Staatsanwaltschaft als klarer Hinweis darauf gewertet, dass sich die Justiz vom Präsidenten instrumentalisieren lässt. Zumal sich Trump öffentlich darüber beklagt hat, dass sein direkter Einfluss auf die zuständigen Behörden so gering sei.

Einige Republikaner beanstanden dagegen, dass Sessions nicht schon längst konkrete Ermittlungen gegen Clinton veranlasst hat. „Wenn Sie es erst jetzt bloß in Erwägung ziehen, was soll denn dann dabei herauskommen?“, fragte der Abgeordnete Jim Jordan den Minister während einer fünfstündigen Sitzung. Es sehe doch so aus, als gebe es bereits genügend Beweise, um einen Sonderermittler einzusetzen, sagte Jordan. „Erforderlich wäre eine faktische Grundlage“, entgegnete Sessions. „'Es sieht so aus' ist keine ausreichende Grundlage, um einen Sonderermittler zu berufen.“

Der in dem Ausschuss ranghöchste demokratische Abgeordnete John Conyers warf die Frage auf, ob Sessions nicht in unzulässiger Weise von Trump beeinflusst werde. Mehrfach wiederholte der Justizminister, dass jede Untersuchung der Vorgänge mit Bezug auf Clinton frei von politischen Erwägungen sein werde. „Ich bin nicht unrechtmäßig beeinflusst worden und ich werde mich auch nicht unrechtmäßig beeinflussen lassen“, betonte Sessions. Der Präsident sage, was er denke, sei forsch und direkt. „Ungeachtet dessen erledigen wir jeden Tag unsere Pflicht, auf Grundlage von Gesetzen und Fakten.“

In den vergangenen Jahrzehnten legten alle US-Präsidenten stets großen Wert darauf, nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie sich in Angelegenheiten des Justizministeriums einmischen würden. Wenn überhaupt, ließen sie vereinzelt ihre Meinung durchblicken. So hatte Obama etwa während laufender Ermittlungen des FBI einmal die Steuerbehörde IRS in Schutz genommen oder geäußert, die Nutzung eines privaten E-Mail-Accounts durch Clinton habe nicht die nationale Sicherheit gefährdet.

Trump dagegen zeigt angesichts der traditionellen Grenze zwischen Weißem Haus und Justiz kaum Hemmungen. Erst in der vergangenen Woche schrieb er bei Twitter, dass die Leute wütend seien. „Irgendwann müssen das Justizministerium und das FBI das tun, was richtig und angemessen ist. Das amerikanische Volk verdient es!“

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