US-Konjunktur Fed-Chefin Janet Yellen verschleppt die Zinswende

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Politiker schüren Angst vor dem Abschwung

Eine Berufsgruppe hält dies freilich nicht davon ab, die Sorgen und Ängste der Bürger vor einem Abschwung zu schüren: US-Politiker. Demokraten und Republikaner stecken mitten im Wahlkampf. Sie überbieten sich mit wirtschaftlichen Horrorprognosen und zweifelhaften Rezepten, um die scheinbare Krise abzuwenden. So haben beide Parteien den Freihandel zum Feind ausgerufen. „Ich war von Beginn an gegen das transpazifische Freihandelsabkommen – und ich bin gegen das TTIP-Abkommen mit Europa“, sagt etwa Bernie Sanders, Linksaußen-Kandidat der Demokraten. Sein republikanischer Gegenspieler Donald Trump sieht den Welthandel gar als globales „Schlachtfeld“, auf dem Amerikaner stetig verlieren. Das will Trump ändern, indem er bei Handelsvereinbarungen in Zukunft streng einem Freund-Feind-Denken folge. Sogar Demokraten-Hoffnung Hillary Clinton will von Freihandel nur noch wenig wissen.

Das ist vor allem für Deutschland eine schlechte Nachricht. Kanzlerin Angela Merkel hat lange für TTIP geworben, das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA für niedrigere Zölle und gemeinsame Standards. Die Christdemokratin weiß: Ihr Land würde von einem Abkommen mit den Vereinigten Staaten besonders profitieren. Deutsche Unternehmen könnten ihre starke Position auf dem amerikanischen Markt so weiter ausbauen.

Angst vor selbsterfüllenden Prophezeiungen

Doch TTIP hat in den USA nur noch wenige Fans. Und auch sonst wachsen die Zweifel an einer Koalition der ökonomischen Vernunft in den USA. „Wir müssen aufpassen, dass falsche Politikvorschläge und das Gerede von einer Krise nicht zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen werden“, sagt Handelskammer-Präsident Caroll Neubauer. Immer neue Diskussionen über eine Anhebung des US-Mindestlohnes – Bernie Sanders will die Lohnuntergrenze auf bis zu 15 Dollar die Stunde hochsetzen – oder neue Spekulationen der Notenbank über ein Abflauen der Konjunktur könnten Bürger und Arbeitgeber von Investitionen abhalten und so erst recht eine Krise auslösen, sagt Neubauer.

Zumindest bei Getriebehersteller Wittenstein überwiegt aber weiterhin der Optimismus. Derzeit überlegt die Geschäftsführung, wie sie die Produktion in Bartlett, Illinois, weiter ausdehnen kann, eine zweite Produktionshalle soll her. Geschäftsführer Riehle würde auch gerne dieses Jahr bis zu zehn neue Mitarbeiter einstellen. Doch bislang hat er schlicht nicht genug qualifizierte Mitarbeiter gefunden, der Arbeitsmarkt scheint wie leer gefegt. „Wir versuchen selber auszubilden, wollen aber mit der deutschen Industrie- und Handelskammer auch eine Art duales System aufbauen“, sagt Riehle. Das aber braucht Zeit. Bis dahin müssen seine Stammangestellten im Werk in Illinois weiterhin die zahlreichen Aufträge abarbeiten, auch am Feiertag.

Ein besseres Beschäftigungsprogramm gegen den Krisen-Blues kann es kaum geben.

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