US-Notenbank Riskantes Abwarten der Fed

Seit Langem sprechen die nackten Zahlen für eine Zinserhöhung in den USA. Doch Fed-Chefin Janet Yellen hat bislang gezögert. Wartet sie noch länger, könnte es bald zu spät sein.

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US-Notenbank: Riskantes Abwarten der Fed Quelle: REUTERS

Verfolgt man den US-Wahlkampf, könnte man schnell den Eindruck bekommen, die USA steckten tief in der Krise. Donald Trump beschwört regelrecht die Schwächen des Landes, fabuliert von hoher Arbeitslosigkeit, leugnet die offiziellen Zahlen, und führt verbittert aus, wie andere Staaten angeblich an seiner Heimat vorbeigezogen sind.

Die Realität sieht weitaus freundlicher aus. Die USA wachsen beständig, die Arbeitslosigkeit kennt seit Jahren nur eine Richtung: nach unten, und selbst die Neuverschuldung hat US-Präsident Barack Obama zuletzt in den Griff bekommen. Die Inflation ist über die Zielmarke von zwei Prozent geklettert und Unternehmen sind positiv gestimmt, gehen von guten Geschäften auch in den kommenden Monaten aus und suchen – zum Teil verzweifelt – Arbeitskräfte.

Dass die Chefin der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) mit ihrer im vergangenen Jahr angekündigten Zinswende noch immer nicht ernst macht und die Zentralbank zuletzt weitere Zinserhöhungen abgelehnt hat, ist immer weniger nachvollziehbar. Ja, die Weltkonjunktur schwächelt. Ja, die US-Wirtschaft könnte deutlicher anziehen. Doch eine moderate Zinserhöhung würde weder die heimische Konjunktur abwürgen und für höhere Arbeitslosenzahlen sorgen, noch Weltwirtschaft und Finanzmärkte in Aufruhr versetzen. Das scheint auch die Fed-Chefin zunehmend zu glauben.

Die wichtigsten Fakten zur niedrigen Inflation

Bei einer viel erwarteten Rede auf der jährlichen Tagung von Notenbankern aus aller Welt in Jackson Hole, Wyoming, hat Janet Yellen durchblicken lassen, dass weitere Erhöhungen der Leitzinsen in den USA nur noch eine Frage der Zeit sind. „Im Lichte der fortgesetzten soliden Situation auf dem Arbeitsmarkt und unseren Prognosen für die volkswirtschaftliche Aktivität und die Inflation glaube ich, dass die Argumente für eine Erhöhung der Leitzinsen stärker geworden sind“, sagte Yellen.

Die Notenbankchefin betonte, die Federal Reserve werde sich in ihren geldpolitischen Entscheidungen von den tatsächlichen Wirtschaftsdaten und nicht von Prognosen leiten lassen. Das Wirtschaftswachstum in den USA hinkt derzeit hinter den Prognosen leicht zurück. Am Freitag hatte das Wirtschaftsministerium ein auf das laufende Jahr hochgerechnetes Wachstum von 1,1 Prozent bekanntgegeben. Arbeitsmarkt und Inflation tendierten jedoch in Richtung der Zielvorgaben, sagte Yellen.

Die Federal Reserve hatte ihren Leitzins zuletzt im Dezember vergangenen Jahres erhöht. Er liegt derzeit auf einem Zielniveau von 0,25 bis 0,5 Prozent. Zuvor hatte ihn die Zentralbank im Zuge der Finanzkrise jahrelang bei praktisch Null belassen. Die Fed hatte für das Jahr 2016 bis zu vier Zinserhöhungen angedeutet, jedoch bislang keine realisiert. Die nächste Möglichkeit dazu bestünde bei der Sitzung des Offenmarktausschusses am 21. September.

Der Zeitpunkt bietet sich an, finden doch am 8. November die Präsidentschaftswahlen statt. Ein Sieg Donald Trumps könnten aufgrund seiner erstaunlichen Aussagen – eventuelle Neuverhandlung der Schulden, Aufkündigung von Freihandelsverträgen, umfassende Steuererleichterungen – die Märkte in Aufruhr versetzen. Die Notenbank wäre gut beraten – ähnlich wie die Bank of England vor dem Brexit-Referendum – Vorsorge zu treffen, um möglichen Verwerfungen an den Märkten entgegentreten zu können. Je weiter der Leitzins im November von der Null entfernt ist, desto mehr Spielraum hat die Fed. Der alte Spruch „Tust du nichts, machst du auch nicht falsch“, gilt in der (Geld-)Politik nicht. Das Abwarten der Fed ist riskant. Es ist Zeit für eine nächste Zinserhöhung.

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