US-Raketenangriff auf Syrien Trumps irrer Tweet könnte Folge eines Übersetzungsfehlers sein

Der US-Präsident bläst per Twitter zum Angriff auf Syrien. Doch alles könnte ein Missverständnis sein, glaubt ein russischer Wissenschaftler.

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Düsseldorf Am Mittwoch zeigte der US-Präsident der Welt wie eine Kriegserklärung 2.0 geht: Russland solle sich für Raketenangriffe der Amerikaner auf Syrien bereit machen, twitterte er. Und die Raketen würden kommen – „hübsch und neu und intelligent“.

Es waren genau 223 Zeichen, welche die die Welt binnen Sekunden is Wanken brachten. Nun stellt sich Beobachtern eine Reihe von Fragen: Wie genau kam dieser Tweet zustande? Warum verzichtet der Präsident bei einer Entscheidung, von der möglicherweise Menschenleben abhängen, auf offizielle Kommunikationswege? Und schließlich: Stellt ein solcher Tweet ein Sicherheitsrisiko dar?

Eine mögliche Antwort auf die erste Frage findet sich in den russischen Medien. So könne Trumps Tweet durchaus die Folge eines Übersetzungsfehlers sein, mutmaßt etwa der auf Verteidigungspolitik spezialisierte Wissenschaftler Wassili Kaschin von der Moscow Higher School of Economics in der russischen Zeitung „Wedomosti“.

Trump habe sich auf die Äußerungen des russischen Botschafters in Libanon, Alexandr Zasypkin bezogen. Zasypkin sagte dem lokalen Sender „Almanar“, Russland würde die US-Raketen abfangen und auch Startvorrichtungen von US-Raketen attackieren, sollten die USA als Aggressor gegenüber Syrien auftreten.

Die Meldung wurde von den Nachrichtenagenturen Reuters und AP aufgegriffen – und später wohl auch durch Trumps angeblichen Lieblingssender Fox News, so der Wissenschaftler. Nur eine halbe Stunde nach der Meldung habe der US-Präsident schon getwittert.

Kleiner Fehler, große Wirkung

Allerdings, glaubt Kaschin, sei bei der Übersetzung aus dem Arabischen ins Englische etwas schief gelaufen. Zasypkin habe nichts Neues gesagt, sondern lediglich wiederholt, was der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Waleri Gerassimow, bereits Mitte März gesagt hat: Dieser sagte, Russland würde die US-Raketen abfangen und Startvorrichtungen angreifen, sofern die Angriffe das Leben russischer Soldaten gefährdeten.

Jedoch scheint der letzte Teil der Botschaft im Übersetzungswirrwarr untergegangen zu sein, sodass alle amerikanischen Medien Zasypkin mit den Worten zitierten, dass Russland alle von den USA auf Syrien abgeschossenen Raketen von Russland abgefangen würden. Das wiederum unterstellt den russischen Streitkräften eine viel höhere Aggressionsbereitschaft als möglicherweise tatsächlich vorhanden ist.

So ist auch wenig verwunderlich, dass Trumps Sprecherin Sarah Sanders alle Hände voll zu tun hatte, die Twitter-Äußerungen des Präsidenten zu relativieren. Das zeigt das Transkript der Pressekonferenz im Weißen Haus von Mittwochabend. Auf die Frage, ob Trumps Tweet möglicherweise eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstelle, beeilte sich die Sprecherin, das zu verneinen.

Auch ruderte sie bei der Ankündigung der Raketenattacke auf Syrien deutlich zurück: Die USA würden sich „alle Optionen“ für ihr Eingreifen im Syrien offenhalten, so Sanders. Das schließ wohl auch einen Raketeneingriff mit ein – aber nicht nur.

Im Verlauf der Pressekonferenz wurde klar, wie kompliziert der US-Präsident und sein Twitter-Account die Situation im weißen Haus gemacht haben. Beispielsweise hatte die US-Regierung am Montag angekündigt, binnen 48 Stunden über eine mögliche Attacke auf Syrien zu entscheiden. Nun sprach die Pressesprecherin davon, dass Trump „keinen konkreten Zeitplan“ für das Vorgehen in Syrien vorgelegt hätte.

Auch sagte Verteidigungsminister James Mattis noch am Mittwochmorgen, dass die USA nach wie vor dabei seien, Beweismittel für die Giftgasattacke auf die syrische Stadt Duma zu sammeln. Dagegen ließ Trumps Tweet wenig Interpretationsspielraum dafür zu, wen er für die Verantwortlichen hält: Syrien und Russland.

Trumps Tweet sorgt für Widersprüche

Auf die Frage, wie sich Trump über die Verantwortlichkeiten so sicher sein könne, antwortetet Sanders ausweichend: „Sicherlich trägt Russland einen Teil der Verantwortung, weil es garantiert hatte, dass in Syrien keine chemischen Waffen zum Einsatz kommen sollen“, sagte sie. Auch hätte die Veto-Macht gegen sechs UN-Resolutionen in Sachen Syrien gestimmt und somit Assad geschützt.

Jedoch – musste Sanders am Ende zugeben – seien die Untersuchungen des Giftgasanschlags noch nicht beendet. Sie könne zwar keine näheren Details verraten, so Sanders. Aber manche Teile der Untersuchung würden Trumps Äußerungen stützen.

Insgesamt entsteht der Eindruck, als würden Trumps Äußerungen nicht nur Medienvertretern, sondern auch dem Mitarbeiterstab Trumps Rätsel aufgeben – und dass sich der Präsident immer mehr der Kontrolle des institutionellen Washingtons entzieht.

Derweil reagierte die russische Seite kühl auf die Äußerungen Trumps. Der offizielle Twitter-Kanal des russischen Präsidenten Wladimir Putin ging jedenfalls nicht auf die Äußerungen Trumps ein. Stattdessen bekundete er sein Beileid gegenüber Algerien, wo bei einem Flugzeugabsturz am Mittwoch mehr als 250 Menschen gestorben waren.

Ausgerechnet Putin, der durch Russlands Rolle als Schutzmacht Assads den Syrien-Konflikt seit Jahren anheizt, könnte Trump so die Vorlage liefern, sich als besonnener Staatsmann darzustellen.

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