US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 „US-Sanktionen gegen Nord Stream sind Hiobsbotschaft für die Wirtschaft“

Der US-Kongress will die Ostsee-Pipeline nun mit Sanktionen stoppen - kurz vor der Fertigstellung des umstrittenen Projekts. Quelle: dpa

DIHK-Hauptgeschäftsführer Volker Treier fürchtet mehr weltwirtschaftliche Verunsicherung durch den Pipelinestreit – und fordert die Europäer zum Handeln auf: Die EU müsse dringend unabhängiger von den USA werden.

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Nach dem Repräsentantenhaus stimmte am Dienstag auch der US-Senat mit großer Mehrheit für ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt (NDAA), in das auch ein Sanktionsgesetz wegen der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 eingefügt wurde. Nun fehlt nur noch die Unterschrift von Präsident Trump, der diese aber schon ankündigte.

Bereits letzte Woche warnte Volker Treier im Interview mit der WirtschaftsWoche vor den wirtschaftlichen Folgen für Deutschland und Europa. Er ist Außenwirtschaftschef und Mitglied der Hauptgeschäftsführung und unter anderem verantwortlich für die außenwirtschaftliche und europapolitische Vertretung des DIHK.

WirtschaftsWoche: Herr Treier, das US-Repräsentantenhaus und der Senat haben Sanktionen gegen Firmen auf den Weg gebracht, die am Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 beteiligt sind. Bedeutet diese Attacke das Aus für das Gasprojekt?
Volker Treier: Zunächst einmal folgt aus der Entscheidung der Amerikaner noch mehr Verunsicherung für die Weltwirtschaft – und das in einer Zeit, in der die Nervosität und Labilität so groß ist wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Das ist alles andere als gut.

Aber nochmal: Die Amerikaner machen ernst, wollen die weiteren Energieimporte der EU aus Russland möglichst unterbinden. Was hat das für Folgen für Nord Stream?
US-Sanktionen gegen Nord Stream sind in der Tat eine Hiobsbotschaft für die deutsche Wirtschaft. Das hat eine nie dagewesene Qualität – und das in negativer Hinsicht. Schon die US-Sanktionen gegen Iran betrafen Deutschland und Europa spürbar, aber die angekündigten exterritorialen Maßnahmen gegen Nord Stream 2 haben – wenn es denn tatsächlich dazu kommt – noch mehr Störpotenzial. Das ist ein außerordentlich unfreundlicher Akt.

Geschäftsführer der Deutschen Industrie und Handelskammer, Volker Treier. Quelle: dpa

Lange hat die Bundesregierung die Pipeline als rein privatwirtschaftliches Unterfangen bezeichnet und die geopolitische Dimension entweder nicht gesehen oder nicht sehen wollen. Nun steht sie auf der Frontlinie zwischen den USA und Russland. War diese Taktik nicht ein großer Fehler?
Zu der Zeit war sie eher klug. Darüber hinaus war das politische Wohlwollen der Bundesregierung immer gegeben. Allerdings hätte der Bund die Vorteile für die gesamte EU früher und offensiver herausstellen müssen: die europäische Energieversorgung wird durch die zweite Ostsee-Pipeline schließlich sicherer und günstiger, nicht nur für die Bundesrepublik. Wegen der Energiewende – Stichwort Green New Deal – wird die EU in Gänze mehr Gas brauchen und mehr Bezugsquellen können da nie falsch sein.

Sie hoffen also darauf, dass die Verlegearbeiten in der Ostsee Anfang 2020 abgeschlossen sein könnten, bevor die US-Sanktionen scharf gestellt werden?
Ich hoffe hier nicht, ich setze fest darauf. Aber ich habe eine andere Hoffnung…

…die da wäre?
Dass dieser Konflikt ein Schlüsselerlebnis für die EU ist. Die europäische Politik, einschließlich der deutschen, muss aufwachen. Die EU sollte dringend handlungsfähiger werden, wenn es darum geht, die eigenen ökonomischen Interessen und Geschäfte in aller Welt durchzusetzen. Es kann nicht sein, dass wir den exterritorialen Wirkungen von US-Sanktionen nichts entgegenzusetzen haben, wenn es hart auf hart kommt. Das ist eine Frage europäischer Souveränität.

Das müssen Sie ausführen.
Wir benötigen in Zukunft ein Finanzierungssystem jenseits des US-Dollar, um im Notfall außenhandelspolitisch souverän zu sein. Es gibt ja Instex, die Tauschbörse in Paris, die Irangeschäfte abwickeln soll. Das ist im Prinzip eine gute Idee, aber Instex wurde noch kein einziges Mal benutzt. Offensichtlich ist das noch nicht der Weisheit letzter Schluss.

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