US-Steuerreform Zehn Überraschungen im Trump-Gesetz

Privatjetbesitzer kommen besser weg als Radfahrer, Arme profitieren weniger als Reiche, Obamacare wird ausgehöhlt: Die amerikanische Steuerreform steckt voller Aufreger, Kuriositäten und interessanter Details.

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Herzstück der Steuerreform des amerikanischen Präsidenten ist die Senkung der Unternehmensteuer von 35 auf 21 Prozent. Quelle: AP

Washington Die Steuerreform ist Donald Trumps Meisterstück. Entgegen anfänglicher Widerstände in den eigenen Reihen hat der US-Kongress nun sein gigantisches Steuersenkungspaket abgesegnet. Herzstück der Reform ist die Senkung der Unternehmenssteuer von 36 auf 21 Prozent. Die USA fallen damit unter OECD-Durchschnitt, die niedrigen Steuern sollen Investitionen und Kapital anziehen. Zumindest kurzfristig werden die meisten US-Bürger ebenfalls Entlastungen spüren. In der 1101-seitigen Vorlage, die Trump noch vor Weihnachten mit seiner Unterschrift in ein Gesetz verwandeln will, steckt aber noch viel mehr drin. Viele Details sind interessant, kurios – und haben weitreichende Folgen. Ein Überblick.

1. Schlag gegen Obamacare

Nach mehreren gescheiterten Anläufen gelingt Donald Trump die Aushöhlung der Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama. Bislang zahlen US-Bürger, die keine Krankenversicherung abschließen, eine Geldstrafe. Die Steuerreform schafft dieses sogenannte „individual mandate“ ab 2019 ab – verbunden mit dem Kalkül, dass sich weniger Menschen krankenversichern. Schätzungen gehen von 13 Millionen US-Bürgern aus, die das betreffen könnte. Der Staat spart dadurch Gesundheitszuschüsse bis zu 300 Milliarden Dollar binnen eines Jahrzehnts. Das Problem ist nur, dass eher gesunde und junge Menschen auf einen breiten Versicherungsschutz verzichten, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Das sind genau die Einzahler, die ein Gesundheitssystem am Laufen halten.

2. Trump belohnt sich selbst

95 Prozent der US-Unternehmen sind als sogenannte „Pass-throughs“ aufgestellt. Das sind inhabergeführte Firmen, deren Einnahmen nach den individuellen Steuersätzen des Eigentümers besteuert werden. Die Reform sieht für sie spezielle Vergünstigungen vor: Das neue Gesetz erlaubt es solchen Inhabern, bis zu 20 Prozent des Einkommens aus ihrem Business vor der Besteuerung abzuziehen. Das entlastet den Tante-Emma-Laden – aber auch einen Immobilienkonzern wie die Trump-Organisation. Trump selbst wird von den neuen Regeln profitieren, sein Schwiegersohn und Teilhaber Jared Kushner ebenfalls. Das Magazin „Forbes“ errechnete, der Trump-Konzern könne bis zu elf Millionen jährlich sparen.

3. Immobilienpreise könnten sinken

Der neue Steuerplan begrenzt steuerliche Abzüge auf Hypothekenzinsen. Das bedeutet, dass ein Eigentümer nicht mehr wie bislang Zinsen für ein Hypothekendarlehen bis zu 100.000 Dollar von der Steuerlast abziehen kann. Das könnte die Immobilienpreise in einigen High-End-Märkten drücken – das ist gut für potenzielle Käufer, schlecht für potenzielle Verkäufer. Womöglich ist das ein Aspekt der Reform, der sogar Trump schaden könnte: Er besitzt immer noch mehr als 30 Wohneinheiten in New York City, die schätzungsweise 227 Millionen Dollar wert sind. Jedes Jahr verkauft er einige von ihnen und steckt die Gewinne ein. Jetzt könnte der Wert der Trump-Bestände durch seine eigene Steuerreform sinken.

4. Demokraten-Hochburgen werden bestraft

Hausbesitzer in Staaten mit hoher Steuerbelastung, wie New York, New Jersey und Kalifornien, sind Verlierer der Reform. Bislang konnten sie lokale Grund- und Einkommenssteuern von den Bundessteuern abziehen, das ist jetzt nur noch bis zu einem Betrag von 10.000 Dollar jährlich möglich. Dieser Teil der Reform wird sich besonders in diesen drei bevölkerungsreichen Bundesstaaten bemerkbar machen – die überwiegend in Demokratenhand sind. Hier gab es eine Art überparteilichen Schulterschluss. Republikanische Abgeordnete aus New York, New Jersey und Kalifornien wichen von der Parteilinie ab und stimmten im Repräsentantenhaus mit Nein. Genützt hat es nichts.

5. Der Durchschnittsbürger zahlt auf Dauer drauf

Durchschnittlich hundert Dollar mehr im Portemonnaie pro Monat versprechen die Republikaner. Die Denkfabrik Tax Policy Center schätzt allerdings, dass etwa ein Zehntel der Steuerzahler auf Dauer nicht entlastet wird, sondern draufzahlt. Bis 2027 würde dieser Anteil sogar auf 50 Prozent ansteigen. Im Klartext heißt das: Die Steuerlast für Privatpersonen sinkt zunächst, steigt dann aber Stück für Stück wieder an. Das liegt daran, dass ab 2025 fast alle Steuerentlastungen für Privatpersonen, zum Beispiel höhere Kinderfreibeträge und neue Abschreibungsmöglichkeiten, auslaufen. Die niedrigen Steuersätze für Unternehmen bleiben hingegen permanent bestehen.

6. Der Steuersegen ist ungleich verteilt

Kurzfristig dürften die meisten US-Bürger Entlastungen spüren, weil die meisten Steuersätze der sieben Einkommensklassen gesenkt werden – bei Geringverdienern, in der Mittelklasse und bei Superreichen. Allerdings werden sich vor allem Bürger aus der niedrigen und mittleren Einkommensschicht nach einigen Jahren auf höhere Belastungen einstellen müssen, schreibt das überparteiliche Joint Tax Committee im US-Kongress. Generell erhalten Steuerzahler mit niedrigerem Einkommen geringere Erleichterungen als Großverdiener, stellt der Think Tank Tax Policy Center fest. Demnach erhalten Menschen mit einem Einkommen unter 25.000 Dollar durchschnittlich eine Steuererleichterung von 50 Dollar – also etwa 0,3 Prozent. Verdiener mit einem Einkommen von mindestens 746.000 Dollar sparen durchschnittlich 34.000 Dollar und somit 2,2 Prozent. Einen Bonus gibt es für wohlhabende Erben: Das neue Gesetz verdoppelt die Grenzen, ab denen der Nachlass steuerpflichtig ist.

7. Wall-Street-Banker können aufatmen

Im Wahlkampf hatte Trump die Sonderbehandlung von Hedge- und Private-Equity-Fondsmanagern scharf kritisiert. Sie können Erträge als langfristige Kapitalgewinne anstatt als Einkommen deklarieren und sparen damit über ein Drittel Steuern. „Hedgefonds-Typen würden sogar mit Mord davonkommen“, schimpfte Trump und versprach, als Präsident dagegen vorzugehen. Doch seine Reform verkleinert das Schlupfloch nur, anstatt es zu schließen.

8. Sieg für Ölproduzenten

Seit 40 Jahren tobt im Arktischen National Wildlife Refuge (ANWR) in Alaska ein Kampf ums Öl. Unter der Oberfläche des 80.000 Quadratkilometer großen Gebiets werden gigantische Ölreserven vermutet. Das Gesetz öffnet den Naturpark für Ölbohrungen und andere Energieförderungen. Das dürfte der Hauptgrund sein, warum die republikanische Senatorin aus Alaska, Lisa Murkowski, der Steuerreform zustimmte – obwohl sie eigentlich als Trump-Gegnerin gilt. Trump eine reine Konzentration auf Ölförderung vorzuwerfen, wäre aber zu einseitig. Das Gesetz verlängert auch ein Programm zur Förderung von Elektromobilität, für jeden Kauf eines E-Autos gibt es eine Prämie von 7.500 Dollar.

9. Privatjetbesitzer werden entlastet

Das Gesetz sieht vor, dass bestimmte Posten wie Wartung und Standgebühren von der Besteuerung pro Privatflug ausgenommen werden sollen. Allerdings fallen die Vergünstigungen für die Branche verhältnismäßig gering aus, CNN schätzt sie auf 50.000 Dollar pro Jahr. Selbst Demokraten hatten in der Vergangenheit dafür geworben, kleine Charter-Unternehmen zu entlasten und sie nicht wie große Airlines zu besteuern. Trotzdem taugt die Passage als kleiner Aufreger, vor allem, wenn man sie mit anderen Details im Gesetz gegenschneidet: So wird es für Unternehmen künftig schwerer, Firmenzuschüsse für Fahrrad fahrende Mitarbeiter steuerlich abzusetzen.

10. Der Craft-Beer-Boom könnte weiter zunehmen

Die Reform senkt die Verbrauchssteuer für jedes produzierte Fass und jede produzierte Flasche Bier. Ein kleiner Brauer kann damit etwa 20.000 Dollar im Jahr sparen, „damit können wir zum Beispiel eine neue Teilzeitkraft einstellen“, sagte die Brauerin Lynne Weaver dem Sender NPR. Für den Verbraucher wird Craft Beer aber wohl nicht billiger. Viele Branchenvertreter erklärten, sie wollten das Geld in neue Anlagen und Sorten investieren. Die Steuererleichterung wurde speziell für kleine Alkoholproduzenten ins Gesetz operiert, um lokale Geschäfte zu stärken.

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