US-Strafzölle China startet „Gegenangriff“ im „größten Handelskrieg der Wirtschaftsgeschichte“

Seit 6 Uhr früh sind die Strafzölle der USA auf Importwaren aus China in Kraft. Die Regierung in Peking reagiert direkt – und mit deutlichen Worten.

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Handelsstreit: China kontert von den USA verhängte Strafzölle Quelle: Reuters

Washington Es ist offiziell: Der Handelskrieg zwischen den USA und China hat begonnen. Nach Monaten der Drohungen und Verhandlungen zwischen Peking und Washington sind heute die ersten Kanonenschüsse gefallen. Um Mitternacht in Washington DC traten Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf chinesische Waren im Wert von 34 Milliarden in Kraft. Weitere 16 Milliarden sollen bis August folgen.

Chinas Regierung reagierte sofort. Wenige Minuten später verkündigte sie „den notwendigen Gegenangriff“. Die USA hätten „den größten Handelskrieg in der Wirtschaftsgeschichte“ eingeleitet, sagte der Sprecher des Handelsministeriums in Peking am Freitag. In einer ersten Stellungnahme hatte das Ministerium zuvor erklärt, die Welthandelsorganisation (WTO) einschalten zu wollen. Außerdem wolle man mit den anderen Ländern künftig den „Freihandel und Multilateralismus schützen“. Peking versprach, grundsätzlich seinen Markt weiter öffnen zu wollen.

Washington zielt mit den neu eingeführten Zöllen vor allem auf Güter wie Autoteile, elektronische Komponenten und Kompressoren ab. Das soll den direkten Schaden für den Verbraucher so gering wie möglich halten. China wiederum versucht vor allem die US-Landwirte schmerzlich zu treffen. Sie gelten als eine der wichtigen Wählergruppen des US-Präsidenten Donald Trump. So rechnete die University of Tennessee aus, dass die US Landwirtschafts-Exporte, die 2017 noch 20 Milliarden Dollar betrugen, dieses Jahr auf 15,5 Milliarden fallen könnten.

Die Zölle kommen nicht unerwartet. Seit Jahren beschimpft Trump China wegen unfairer Handelspraktiken und dem mutmaßlichen Diebstahl geistigen Eigentums, insbesondere von amerikanischen Hightech-Konzernen. Vor allem das 375 Milliarden Dollar hohe Handelsdefizit ist ihm ein Dorn im Auge. Ende März kündigte er dann die Strafzölle an. Es folgte eine mehrmonatige Phase mit Untersuchungen, Kommentaren und Verhandlungen. Man wollte einen Handelskrieg abwenden - erfolglos.

Wer den jetzt ausgebrochenen Handelskrieg aber alleine Trump zuschreiben will, denkt zu kurz. Denn im Verdeckten schwelt der Konflikt schon länger. Die US-Behörde für Auslandsinvestitionen hat in den letzten zwei Jahren mehr chinesische Übernahmen blockiert oder verzögert, als alle Übernahme anderer OECD-Länder zusammengenommen. China wiederum erschwert Zollkontrollen von US-Ware seit einiger Zeit.

So berichtet der Manager einer Transportgesellschaft dem Handelsblatt, dass die Behörden seit April nur bei amerikanischen Importen zwei weitere Dokumenten verlangen, die sie bislang nie gefordert hatten. „Das ist ein Warnsignal an die Unternehmen“, meint Zhang, der anonym bleiben möchte, und fügt hinzu: „Und wir alle haben es verstanden.“

Ma Jun, Mitglied des Komitees für Geldpolitik in der chinesischen Zentralbank, sagte der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua am Donnerstag, dass sein Team davon ausgeht, dass die erste Welle der US-Strafzölle das Wirtschaftswachstum Chinas dieses Jahr um 0,2 Prozent verlangsamen könnten. Für dieses Jahr hatte sich Peking ein Anstieg des Bruttoinlandproduktes von 6,5 Prozent zum Ziel gesetzt.

Seit einiger Zeit versucht die chinesische Führung, Investoren und Geschäftsleute zu beruhigen, vor allem nach einer stetigen Abwertung des chinesischen Yuans in den letzten Wochen. „In einem Markt gibt es immer Auf und Ab. Investoren sollten ruhig und rational bleiben“, sagte der Gouverneur der Zentralbank Yi Gang in einem Interview diesen Dienstag.

Die chinesischen Börsen reagieren leicht beunruhigt

Dann versprach er, die nötigen Werkzeuge einsetzen zu wollen, „um den RMB Wechselkurs stabil auf einem angemessenen und ausgeglichenen Level zu halten“. Dennoch reagierten die chinesischen Börsen leicht beunruhigt: die Indizes in Shanghai, Shenzhen und Hong Kong rutschten am Vormittag um jeweils 0,2 bis 0,5 Prozent ab.

Ma wiederum wies darauf hin, dass einige Branchen schon seit zwei Monaten die Auswirkungen des Handelskrieges diskutiert haben und versuchen werden, diese zu absorbieren. So klagte ein Bourbon-Importeuer, der unerkannt bleiben möchte, gegenüber dem Handelsblatt, dass die Strafzölle sein Geschäft massiv schaden könnten. „Wir hatten schon unzählige Sitzungen, um uns eine neue Preisstrategie zu überlegen“, stöhnt er genervt. „Uns bleibt nichts Anderes übrig, als einige der Kosten auf den Verbraucher abzuwälzen.“

Im Statement am Freitag versicherte das chinesische Handelsministerium: „Wir werden evaluieren, welche Unternehmen (von dem Handelskrieg) betroffen sind und uns Mühe geben, sie mit effektiven Maßnahmen zu unterstützen.“

Es scheint jedoch ungewiss, ob diese Kalkulationen bloß Sisyphos-Arbeit sind. Denn US-Präsident Donald Trump droht schon mit der nächsten Eskalation. Im Flugzeug auf dem Weg zu einer Kundgebung in Montana sagte der US-Präsident zu Reportern: „Zuerst einmal gibt es Strafzölle auf Ware im Wert von 34 Milliarden Dollar, in zwei Wochen kommen noch mal welche auf 16 Milliarden Dollar. Und wie ihr wisst, haben wir weitere 200 Milliarden in der Schwebe, und danach noch einmal 300 Milliarden.“

Chinesische Regierungsmitglieder berichten, dass Staatspräsident Xi Jinping sie angewiesen habe, sich für einen totalen Handelskrieg vorzubereiten. Doch sollten die USA tatsächlich noch mehr Strafzölle erheben, wird China keine Ware mehr haben, die es mit Einfuhrabgaben belegen kann, da es 2017 insgesamt nur amerikanische Ware im Wert von ca. 130 Milliarden Dollar importiert hat. Daher müssten sie sich neben Strafzöllen andere Methoden überlegen, um mit sowohl „qualitativ wie auch quantitativ proportionale Gegenmaßnahmen“ reagieren zu können.

Andere Beobachter gehen davon aus, dass der Handelskrieg mittelfristig zu einem Ende kommen wird. „Er wird dann aufhören, wenn die Dinge über Trump zusammenbrechen und die USA sich neu positionieren muss“, zitierte das Wall Street Journal Rufus Yerxa, der das National Foreign Trade Council leitet und an diversen Handelsgesprächen unter Demokraten und Republikanern teilgenommen hat. Huang Weiping, der VWL an der renommierten Renmin Universität in Peking lehrt und Mitglied der chinesischen WTO-Eintrittsverhandlungen war, ist der Ansicht, dass nur Trump den Konflikt beenden könne.

Peking, so sagten chinesischen Regierungsbeamte, habe Schwierigkeiten, sich auf das Wort Trumps zu verlassen. „Er sagt das eine und tut das andere“, beschwerte sich ein hochrangiger Mitarbeiter der staatlichen Planungsbehörde, die in China die Wirtschaftspolitik koordiniert. Da die US-Regierung selbst in der Handelsfrage gespalten ist, fällt es auch Peking schwer, ein angemessenes Paket zu schnüren, um die Situation zu deeskalieren. Während der Finanzminister Steve Mnuchin China dazu bringen möchte, ihren US-Import signifikant zu erhöhen, ist der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer dieser Lösung gegenüber skeptisch. Für ihn geht die Gefahr vor allem von der chinesischen Industriepolitik aus, mit der das Land in Zukunft Amerika als größte Wirtschaft und bedeutende Technologiemacht ablösen könnte.

Gleichzeitig versuchen sowohl China wie auch die USA, Abkommen mit Europa zu schließen und diverse Mitspieler auf ihre Seite zu ziehen. So berichtete das Handelsblatt exklusiv von einem Geheimtreffen des US-Botschafters Richard Grenell mit deutschen Auto-Bossen. Darin bot er ihnen an, dass die USA vollkommen auf Autozölle gegenüber der EU verzichten werde, sollte die EU das gleiche für Amerika tun. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am Dienstag, dass Vize-Ministerpräsident Liu He, der zuständig für Chinas Finanzen und Wirtschaft ist, der Europäischen Union eine Allianz angeboten habe. Peking sei bereit, bei bestimmten Produkten die Zölle für europäische Produkte zu senken. Bisher scheinen jedoch beide Optionen für die EU nicht umsetzbar zu sein.

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